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Tigran Petrosian war der vielleicht der am wenigsten beliebte Schachweltmeister der Geschichte - zumindest bei seinen Kollegen. Er wurde heute vor 90 Jahren, am 17 Juni 1929, als Sohn armenischer Eltern in Tiflis geboren. Sein Vater war Hausmeister in einem Offiziercasino. Offenbar besaß die Familie keine eigene Wohnung oder aber sie war so klein, dass Tigran Petrosian nachts auf einem Tisch im Casino schlief. Mit acht Jahren lernte er das Schachspiel von Soldaten in der Garnison. Mit 12 Jahren erhielt er erstmals Schachunterricht im örtlichen Pionierpalast. Sein erster Trainer war Archill Ebralidze.
In seiner Jugend hat Tigran Petrosian sicher nicht auf der Sonnenseite des Lebens gelebt und im Kampf ums Überleben eine Härte entwickelt, die später unangenehm aufstieß. Die Staaten der Sowjetunion hatten sich noch nicht von der Zeit nach der Revolution, den Bürgerkriegen und der planmäßigen Misswirtschaft der jungen UdSSR erholt, da begann der Zweite Weltkrieg. Im Winter 1942 starb Petrosians Mutter, sein Vater Vartan war zu dieser Zeit schon 70 Jahre alt. Tigran Petrosian half mit Tagelöhnerjobs mit, die Familie, seinen Vater und seine zwei Geschwister zu ernähren. Im Winter fegte er die Straßen und holte er sich dort vermutlich eine schwere Mittelohrentzündung, die ihn auf einem Ohr taub machte. Zeitweise war er so krank, dass er die Schule über sechs Monate nicht besuchen konnte.
Von seinem schmalen Verdienst kaufte Petrosian sich ein Lehrbuch von Nimzowitsch und nahm sich den lettisch-dänischen Meister zum Vorbild. 1945 starb auch Petrosians Vater. Tigran Petrosian war gerade 15 Jahre alt. Er ging nun nach Jerewan, traf dort Gendrikh Kasparyan und arbeitete als Schachtrainer beim Armeeclub Spartak. Über diesen wurde Petrosian nach Moskau vermittelt. Ohne Besitz zog er 1949 in die Hauptstadt der Sowjetunion um und arbeitete dort bald mit Andor Lilienthal zusammen.
1951 lernte Petrosian seine Frau Rona kennen, die im Laufe der Zeit großen Einfluss im sowjetischen Schachverband (Schachabteilung im sowjetischen Sportkomitee) gewann und viele Dinge im Sinne ihres Mannes regeln konnte. Sie war deshalb in sowjetischen Schachkreisen und auch außerhalb dieser noch weniger gelitten als ihr Ehemann.
1953 nahm Tigran Petrosian erstmals an einem Kandidatenturnier teil. David Bronstein erzählte erst nach dem Zerfall der Sowjetunion, dass die sowjetischen Spieler beim berühmten Zürcher Turnier angehalten waren, zumindest nicht gegen Vassily Smyslov zu spielen, so dass dieser das Turnier gewinnen konnte und 1954 als Herausforderer gegen Botwinnik antrat. Petrosian wurde in Zürich und Neuhausen Fünfter und erwarb sich in dieser Zeit bereits den Ruf, ganz besonders schwer zu schlagen zu sein, da er große Fähigkeiten in der Verteidigung entwickelt hatte.
1959 gewann Petrosian erstmals die UdSSR-Meisterschaften. 1961 wiederholte er den Erfolg. Beim Kandidatenturnier in Curacao vereinbarte er mit seinem Freund Efim Geller und auch mit Paul Keres, dass man gegeneinander kurze Remisen spielen wollte, um Kraft für die Partien gegen Fischer zu sparen. Aber auch innerhalb der sowjetischen Delegation, zu der noch Kortschnoj gehörte, gab es Intrigen. So boten Petrosian und Geller in einer für das Turnierergebnis entscheidenden Partie dem in die USA emigrierten Ungarn Pal Benkö ihre Analysehilfe in seiner Hängepartie gegen Paul Keres an.
Fischer beklagte sich später öffentlich über die Absprache und das Turnier war das letzte Kandidatenturnier für viele Jahrzehnte. Stattdessen ließ die FIDE von nun an Wettkämpfe spielen. Petrosian gewann das Kandidatenturnierturnier, besiegte Botvinnik im WM-Kampf 1963 und wurde Weltmeister. Als der neue armenische Schachweltmeister sich in Erewan von Zehntausenden Landsleuten feiern ließ, wurde eine spontane Kollekte zu seinen Gunsten durchgeführt, die 1 Mio. Rubel erbrachte.
Zu Petrosians weiteren Turniererfolgen gehört der geteilte Sieg (zusammen mit Keres) beim ersten Piatigorsky Cup 1963.
Foto: Art Zeller. Paul Keres und Tigran Petrosian mit Gregor und Jacqueline Piatigorsky, 1963. Collection of the World Chess Hall of Fame.
1964 gewann er die gut besetzten Trade Union Meisterschaften der UdSSR und 1973 das IBM-Turnier in Amsterdam. Mit seiner Spielstärke hätte Petrosian eigentlich mehr Turnier gewinnen müssen, aber seine zu große Remisfreudigkeit verhinderte dies.
Gegen den jungen Fischer gelangen Petrosian einige Siege, später wendete sich Blatt. Beim Kandidatenfinale 1971 gegen Fischer ging Petrosian noch in Führung, war aber zum Schluss chancenlos. Seine Gewinnpartie war allerdings sehenswert.
Von seinen 130 Partien bei Schacholympiaden verlor Petrosian nur eine einzige (1972 gegen Robert Hübner) und diese auch nur durch Zeitüberschreitung.
Petrosian verteidigte den Titel 1966 erfolgreich gegen Boris Spasski, unterlag diesem aber im Wm-Kampf 1969 und verlor den Weltmeistertitel. Auch in den nächsten Weltmeisterzyklen konnte sich Petrosian noch für die Kandidatenkämpfe qualifizieren.
Nicht immer gelang die Qualifikation mit mit lauteren Mitteln. Vom Interzonenturnier 1979 in Buenos Aires ist bekannt, dass Petrosian in der entscheidenden letzten Runde einen Punkt von Borislav Ivkov kaufte und sich damit ein weiteres und letztes Mal für die Kandidatenkämpfe qualifizierte. Er schied dann aber schon im Viertelfinale gegen Kortschnoj aus.
Von 1963 bis 1969 war Petrosian Chefredakteur des Schachmagazins Schakhmatnaya Moskva. 1968 wurde er Chefredakteur von "64" (Auflage damals 100.000 gedruckte Exemplare) und blieb es bis 1977. Ebenfalls 1968 schloss er ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Moskau mit Promotion ab. Titel seiner Doktorarbeit: "Einige Probleme der Logik des Schachdenkens".
Bis heute ist Tigran Petrosian in Armenien ein Volksheld und mit seinen Erfolgen für den Schachboom dort mitverantwortlich. Das Schachzentrum in Erevan ist nach ihm benannt. Vor kurzem wurde Petrosians Konterfei auf einem neuen Geldschein gedruckt.
Am 13. August 1984 starb Tigran Petrosian in Moskau an den Folgen von Magenkrebs.