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"Geller kommt immer zu kurz!" (Johannes Fischer)
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges traf Geller als er 16 Jahre alt, in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung, auch schachlich. Erst einige Zeit nach dem Krieg ging das Schachleben in der Sowjetunion weiter. Während des Krieges diente Geller in der Armee. Neben dem Schach spielte er gerne und viel Basketball. Es war ausgrechnet sein Basketball-Trainer, auch ein Schachliebhaber, der Geller ermutigte, sich auf das Schach zu konzentrieren. Geller studierte nach der Armeezeit Wirtschaftswissenschaften und schloss mit Promotion ab.
Geller hat dennoch bemerkenswerte Erfolge aufzuweisen. Gegen Botvinnik hatte Geller eine positive Bilanz: +4 =6 -1. Gegen Smyslov ebenfalls: +11 =37 -8. Eigentlich fällt die Bilanz gegen Smyslov noch besser aus, dazu später mehr. Gegen Tal war Gellers Bilanz ausgeglichen. Und gegen Petrosian, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, war sie wieder positiv: 6:3 bei 36 Remisen. Viele dieser Remisen war allerdings sehr kurz, praktisch kampflos. Nur gegen Spassky ist Gellers Bilanz negativ: +6 =22 -9. Gegen Fischer war sie wieder positiv: +5 =2 -3.
Auch gegen den deutlich jüngeren Karpov war Gellers Bilanz nur knapp negativ +1 =5 -2. Sogar gegen Kasparov hat Geller noch gespielt: =3 -1. Wir können noch Keres mit ins Boot holen. Gegen ihn fällt Gellers Bilanz ebenfalls nur leicht negativ aus: +7 =21 -8
Man sieht, Efim Geller konnte gegen die Weltmeister nicht nur mithalten, er war einigen von ihnen überlegen. Warum war er nie selber Weltmeister?
Efim Geller (Unbekannte Fotograf)
Sein "coming out" als Weltklasse-Schachspieler hatte er beim Halbfinale zur Sowjetischen Meisterschaft 1949 in Tiflis, das er vor Petrosian und Kholmov gewann. Im Finale wurde er zusammen mit Tajmanov geteilter Dritter hinter Smyslov und Bronstein. Da war Geller 23 Jahre alt. 1950 landete er bei den Sowjetischen Meisterschaften im Mittelfeld, aber 1951 teilte er den zweiten Platz mit Petrosian. Damit qualifizierte er sich für das Interzonenturnier 1952 in Stockholm, wurde dort Vierter und nahm dann am berühmten Kandidatenturnier 1953 in Zürich teil Hier belegte er einen Platz im Mittelfeld. 1954 belegte er bei der UdSSR-Meisterschaft ebenfalls nur einen Platz im Mittelfeld, 1955 gewann er das Turnier und wurde erstmals UdSSR-Meister. Über 20 Jahre später konnte er den Erfolg wiederholen, 1979, unter anderem vor Kasparov. Beim Kandidatenturnier 1956 in Amsterdam landete Geller wieder nur im Mittelfeld. Wie schon 1953 verlor er beide Partien gegen Smyslov, gegen den er sonst und besonders außerhalb von Weltmeisterschaften ein gutes Ergebnis hatte. Johannes Fischer hat gerade den Verlauf der frühen Kandidatenturniere unter die Lupe genommen und einige Merkwürdigkeiten entdeckt. Beim Kandidatenturnier 1959 in Jugoslawien war Geller nicht dabei. Drei Jahre später, 1962, gehört er mit Petrosian und Keres zu den drei "Verschwörern", die gegeneinander schnelle Remise vereinbaren, um gegen Fischer alles zu geben und damit einem der ihren zum Turniersieg zu verhelfen. Geller wurde geteilter Zweiter/Dritter, mit nur einem halben Punkt Rückstand hinter Petrosian.
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Fischers Protest nach dem Kandidatenturnier von 1962 führte dazu, dass die Kandidatenturniere abgeschafft und durch Kandidatenwettkämpfe ersetzt wurden. Im nächsten Zyklus gewann Geller 1965 im Kandidatenviertelfinale gegen Smyslov (3:0 nach Siegen), unterlag aber im Halbfinale Spassky (0:3 nach Siegen).
Beim Interzonenturnier 1970 wurde Geller hinter Fischer zusammen mit Larsen und Hübner geteilter Dritter. Im Kandidatenviertelfinale schied er 1971 gegen Kortschnoj aus (1:4 nach Siegen). Geller gehörte dann zum umfangreichen Team von Boris Spassky in dessen Wettkampf gegen Robert Fischer.
Raucher unter sich: Tal gegen Geller (Unbekannter Fotograf)
Im Team der UdSSR gewann Geller sieben Mal die Goldmedaille bei Schacholympiaden: 1952, 1954, 1956, 1962, 1968, 1970 und 1980. Zwischen 1961 und 1983 gewann er zudem mit dem Team sechs mal Gold bei Mannschaftseuropameisterschaften. Fünf Mal erhielt er selber die Goldmedaille für die beste Leistung an seinem Brett.
Geller war besonders in seinen jungen Jahren ein Spieler der nach taktischen Verwicklungen suchte. Gleichzeitig war er Perfektionist. Er suchte an jeder Stelle den besten Zug und kam infolge dessen häufig in Zeitnot. Schlechte Zeiteinteilung war seine größte Schwäche. Viele Partien verlor er durch Zeitüberschreitung. Manchmal übersah er in seiner tiefen Suche aber auch simple Drohungen und stellte Partien einzügig ein. Auch Smyslov sah in Geller einen überragenden Spieler, der in der Lage war, jeden Spieler der Welt zu schlagen, ein Schachgenie. Um Weltmeister zu werden, brauche es aber noch mehr, meinte Smyslov, eine besondere Schicksalsgabe. Diese schien Geller nicht zu haben, obwohl er Schach so intensiv lebte wie kaum ein Zweiter. "Manchmal spricht er im Schlaf Züge", zitierte Gennadi Sosonko in seinem Kapitel über Efim Geller in "Russian Silhouettes" Gellers Frau Oksana. Besonders für die Königsindische Verteidigung war Geller der führende Spezialist seiner Zeit.
Geller hatte eine stämmige Statur, die eher an einen Ringer erinnerte als an einen Schachspieler. Besonders in Menschenansammlungen fühlte er sich unwohl und redete nicht viel. Aber auch in kleinerem Kreis gehörte Eloquenz nicht zu Gellers herausragenden Eigenschaften. Geller war ein eher stiller Zeitgenosse. Er liebte es stattdessen zu essen und zu trinken und litt besonders in späteren Jahren an Übergewicht und Kurzatmigkeit. Zudem war er ein starker Raucher. Geller war noch bis 1995 aktiv, spielte also noch im Alter von 70 Jahren Turniere mit. Er starb nach langer Krankheit am 17. November 1998 in Moskau.