Zum Gedenken an Vera Menchik
Bis 2001 gab es bei den Frauen gerade einmal acht verschiedene Weltmeisterinnen. Der inflationäre Zuwachs an Schachweltmeisterinnen begann erst danach mit der Einführung der K.O.-Turniere durch die FIDE. Der Grund für die geringe Anzahl an Frauenweltmeisterinnen liegt vor allem in der unglaublichen Dominanz der Vera Menchik vor dem Zweiten Weltkrieg.
1927 wurde erstmals eine Frauenweltmeisterschaft durchgeführt. Eigentlich war es ein Frauenturnier im Rahmenprogramm der ersten Schacholympiade von London. Erst im Nachhinein wurde dieses Turnier zu einer Weltmeisterschaft erklärt. Die Siegerin hieß Vera Menchik. Zwölf Frauen nahmen teil. Menchik gewann zehn der elf Partien, eine Partie endete remis.
Vera Menchik
In den folgenden Jahren wurden die Frauen-Weltmeisterschaften nun stets als Seitenturnier zu den Schacholympiaden durchgeführt und Menchik gewann immer mit ähnlicher Überlegenheit. Nur selten leistete sie sich einen Wackler, so bei der zweiten Weltmeisterschaft in Hamburg 1930, die in dem prächtigen Haus der Niedersächsischen Freimaurerloge stattfand. Menchik unterlag gleich in der ersten Partie ziemlich überraschend der Hamburgerin Wally Henschel. Dann gab sie auch noch ein Remis gegen die Österreicherin Paula Wolf-Kalmar ab. Die übrigen Partien des nur mit fünf Teilnehmerinnen doppelrundig gespielten Turniers gewann Menchik dann aber allesamt souverän und beendete das Turnier so wie alle anderen WM-Turniere - als Siegerin.
Nur ein einziges Mal war Menchik in Gefahr, eine Weltmeisterschaft nicht zu gewinnen. Das war beim WM-Turnier 1939 in Buenos Aires. Die in Deutschland geborene, dann aber ausgebürgerte Sonja Graf war ihr dicht auf den Fersen und stand in der direkten Begegnung haushoch auf Gewinn. Doch dann verfolgte Graf einen falschen Plan und verlor die Partie sogar noch. Wieder wurde Vera Menchik Weltmeisterin und hält damit einen einzigartigen Rekord mit 76 Siegen aus 81 Partien bei WM-Turnieren. Neben den erwähnten Punktverlusten gab sie nur noch drei weitere Remis ab. Der einzige WM-Wettkampf vor dem Krieg, 1937 auf dem Semmering gegen Sonja Graf, ist hier nicht eingerechnet.
Geboren wurde Vera Menchik heute, vor 111 Jahren, am 16. Februar 1906 in Moskau. Ihr Vater war Tscheche, ihre Mutter Engländerin. In den unruhigen Jahren nach der russischen Revolution verlor die Familie ihren Besitz und fiel auseinander. Der Vater verschwand in Tschechien, die Mutter zog 1921 mit ihren beiden Töchtern - auch Vera Menchiks Schwester Olga wurde eine starke Schachspielerin - nach England zu ihrer Mutter. Dort erhielt Vera Menchik Schachunterricht von Géza Maróczy. Der Ungar vermittelte seiner Schülerin ein recht tiefes Positionsgefühl, das den anderen Frauen im Vorkriegsschach zumeist völlig abging.
Vera Menchik sammelte bald einige Erfolge und konnte es auch mit vielen männlichen Turnierspielern aufnehmen. Sie wurde zu Top-Turnieren eingeladen, war dort aber als einzige Frau im Turnierschach stets Exotin. Bekanntlich gab es den von Albert Becker ins Leben gerufenen virtuellen "Vera Menchik Club", in dem alle Männer automatisch "Mitglied" wurden, die gegen die Frauenweltmeisterin eine Partie verloren hatten. Becker war der erste Mann, dem das Passierte. Spieler wie Sultan Khan, Max Euwe und Jacques Mieses folgten ihm nach.
Menchik gegen Mieses
Das Leben der ersten Weltmeisterin endete jäh. Vera Menchik starb am 27. Juni 1944 bei einem deutschen V1-Raketenangriff auf London zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester.
Zum 100sten Geburtstag von Vera Menchik...