Erneuter Führungswechsel und Schachstars zum Anfassen
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
Das Turnier der Denksportler im Dortmunder Schauspielhaus bleibt spannend. Bei
Halbzeit führt wieder der Ukrainer Ruslan Ponomarjow. Wir fassen das Geschehen
der letzten beiden Runden zusammen.
Am vierten Spieltag hatte sich Shakryar Mamedjarow beim Chess-Meeting allein
an die Spitze gesetzt. Der Aserbaidschaner teilte mit Wladimir Kramnik den Punkt
und profitierte davon, dass am Nachbartisch Exweltmeister Ruslan Ponomarjow
seine Partie gegen den Vietnamesen Le Quang Liem verlor.
Liem Quang Le zu Beginn seiner Partie gegen Puslan Ponomariov
Der junge Schachheld aus Asien hat sich bei seiner Premiere in Dortmund in die
Herzen der Fans gespielt. Mit interessanten Zügen begeistert er die Zuschauer
im Schauspielhaus und nötigt den Großen der Zunft Respekt ab. Sein Auftaktremis
gegen Topfavorit Kramnik war ein erstes Achtungszeichen. Gegen Ponomarjow konnte
sich der Vietnamese dann weiter steigern. Nach einer schönen taktischen Operation
verwertete er seinen Stellungsvorteil gekonnt im Endspiel.
"Bei diesen berühmten Gegnern bin ich in jeder Partie hochmotiviert. Das Teilnehmerfeld
ist äußerst stark, darum freue ich mich über mein bisheriges Ergebnis", sagte
Le Quang Liem, der in Dortmund von seiner Mutter begleitet wird. Der Jungstar
lobte die gute Organisation der Schachtage, die zu den Top-Turnieren der Welt
gehören. Den Sieg über Ponomarjow feierte der 19-jährige Großmeister in mit
seiner Mutter Tran Thi My Le einem asiatischen Restaurant.
Hinter Mamedjarow (3,0) Ponomarjow (2,5) und Le Quang Liem (2,0) lagen zu diesem
Zeitpunkt die Dortmund-Stammgäste Kramnik, Leko und Naiditsch mit je 1,5 Punkten.
Man durfte gespannt auf das Spitzenduell zwischen Mamedjarow und Ponomarjow
am nächsten Spieltag sein.
Bei Halbzeit des Sparkassen Chess-Meetings hat dann erneut die Führung gewechselt.
Im Spitzen-Kampf der fünften Runde gewann der Ukrainer gegen den Aserbaidschaner
und setzte sich mit 3,5 Punkten wieder allein an die Tabellenspitze. Nachdem
beide ihre Damen früh getauscht hatten, ergab sich eine ausgeglichene Stellung.
Dann aber überspannte Mamedjarow den Bogen. "Ich dachte, ich stehe etwas besser,
aber dann geriet ich plötzlich in Nachteil und habe sofort aufgegeben", erzählte
"Shak" am Abend im Hotel. Bei fünf noch ausstehenden Runden sei aber noch nichts
verloren.

Shakryar Mamedjarow
Ponomarjow wunderte sich etwas über die frühe Kapitulation Mamedjarows ("er
hätte doch noch weiterspielen können", aber freute sich natürlich gemeinsam
mit seinem Sekundaten Zahar Efimenko über den Sieg. Nach der Partie wollten
die beiden nur noch an die frische Luft. Ponomarjows Gesicht glühte, er brauchte
dringend eine Abkühlung.
Es sollte ein harter Kampf werden: Ruslan Ponomarjow gegen Shakryar Mamedjarow
Der Vietnamese Le Quang Liem verbuchte seine zweite Gewinnpartie in Folge und
bleibt weiter die Überraschung des Turniers. Zuletzt gab er Peter Leko das Nachsehen,
indem er mit Schwarz brillante Züge aufs Brett zauberte. Der Ungar, sonst ein
großartiger und zäher Verteidiger, fand keine Gegenwehr. Peter sah dabei wirklich
nicht gut aus, er läuft bei diesem Turnier seiner Form noch immer hinterher.
Der 19-jährige Großmeister aus Ho-Chi-Minh-Stadt indes macht weiter Boden gut
und liegt nun gemeinsam mit Mamedjarow nur noch einen halben Punkt hinter Ponomarjow.
Le Quang Liem ist eine echte Bereicherung des Dortmunder Feldes.
Zu seinem ersten Sieg bei diesen Schachtagen kam endlich auch Wladimir Kramnik.
Der große Favorit verschaffte sich gegen Arkadij Naiditsch mit klugem Spiel
eine Stellung, so wie er sie liebt und glänzte dann mit feinen strategischen
Manövern.
GM Sebastian Siebrecht, der in Dortmund als Kommentator arbeitet, weiß,
was Kramnik will.
Nachdem er einen Turm des Dortmunders eingeklemmt hatte, verwertete er den Vorteil
mit perfekter Endspieltechnik.

Arkadij Naiditsch
Vergessen zu sein scheint der schwache Start des Russen. Der neunfache Dortmund-Sieger
setzt nun offensichtlich zur Aufholjagd an. Kramnik rangiert zu Beginn der Rückrunde
einen Punkt hinter dem Spitzenreiter. Da ist sicher noch einiges zu machen.
Den Seriensieger von Dortmund darf man in seinem Revier einfach nie abschreiben.
Auf jeden Fall wird hier in diesem Jahr spannendes Schach geboten, die Sofia-Regel
greift. Alle Partien werden ausgekämpft, am fünften Spieltag gab es nur Siege.
So kann es nach Meinung der Zuschauer vor Ort und an den häuslichen Computern
gern weiter gehen. Auch die Live-Kommentatoren im Dortmunder Stadttheater Klaus
Bischoff und Sebastian Siebrecht loben den Kampfeseifer der Spieler.
Am Mittwoch um 15 Uhr ertönt im Dortmunder Schauspielhaus der Gong zum zweiten
Durchgang. Jeder Teilnehmer spielt gegen jeden noch einmal mit vertauschten
Farben. Dadurch wird es sicher noch Änderungen im Gesamtklassement geben, wenn
man zum Beispiel bedenkt, dass der führende Ponomarjow in der Rückrunde gegen
Leko, Kramnik und Mamedjarow jeweils Schwarz hat.
Haben Grund zur Freude: Zahar Efimenko und Ruslan Ponomarjow
Autogramme, Autogramme …
Am Dienstag, dem einzigen Ruhetag, hatte der Titelsponsor des Chess-Meetings
zur Autogrammstunde geladen. Im Hauptsitz der Sparkasse nahe dem Hauptbahnhof
konnten die Schachfans ihre Vorbilder hautnah erleben. Die Großmeister saßen
in der Schalterhalle an einem langen Tisch, vor dem sich eine riesige Schlange
gebildet hatte. Manche Schachfans stellten sich schon 75 Minuten vorher an,
um die Stars ja nicht zu verpassen, unter ihnen der 10-jährige Schacheleve Florian
Hauschulz aus Dortmund. Es wurde viel gescherzt und gefachsimpelt. Die Großmeister
signierten Programmhefte, Poster sowie Schachbücher.
Ob alte oder junge Schachfreunde, alle kamen auf ihre Kosten und schleppten
dann zufrieden ihre Beute nach Hause. Unter den Besuchern waren bekannte Gesichter,
zum Beispiel die attraktive Dortmunderin Natascha. Sie spielte vor zwei Jahren
gegen Kramnik beim Blitz-Simultan. Diesmal ließ sie sich die Gelegenheit nicht
entgehen, auch die Autogramme der Turnierneulinge Ruslan Ponomarjow und Le Quang
Liem einzusammeln.
Schachfan Natascha
Auf geht´s in den zweiten Durchgang. Die Paarungen der 6. Runde lauten: Peter
Leko - Ruslan Ponomarjow, Le Quang Liem - Wladimir Kramnik, Shakryar Mamedjarow
- Arkadij Naiditsch.
Zum Dortmunder Schachfestival gehört wie schon in den letzten Jahren auch ein
GM-Normenturnier mit 10 Teilnehmern. Nach vier Runden liegt Vorjahressieger
Markus Schäfer (SG Solingen) mit 3,0 Punkten in Führung. Mit von der Partie
ist auch die rumänische Großmeisterin Carmen Voicu.

Carmen Voicu
Gegen Wjatscheslaw Klyuner (Ukraine) schaffte sie nach sieben Stunden ein Remis.
Carmen ist mit dem deutschen Schachspieler Andreas Jagodzisnsky verheiratet.
Beide lernten sich im Jahre 2003 bei einem Turnier in Frankreich kennen und
spielen heute beim SV Hemer.
Im Rathaus der Westfalen-Metropole finden traditionell zwei Open statt. Insgesamt
200 Teilnehmer gingen dort je nach Leistungsstärke in zwei Gruppen an den Start.
Im A-Turnier spielen einige Großmeister, unter ihnen Kramniks Freund Tigran
Nalbandjan (Armenien). Der älteste Teilnehmer ist dort Erich Krüger, SF Katernberg
(Jahrgang 1932), die jüngsten sind Matthias Blübaum aus Lemgo und Carsten Hecht
aus Paderborn (beide Jahrgang 1997). Im B-Turnier spielen natürlich noch jüngere
Schachkids.
Tigran Nalbandjan
IM Thomas Henrichs liegt mit 3,5 Punkten aus 4 Partien gut im Rennen.
Erich Krüger vom SF Katernberg
Erich Krüger in Aktion: Hier spielt er mit Schwarz gegen Paul Carrasco
Schiedsrichter Alexander Bach aus Russland