
ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Allein auf dem steinigen Weg zur Weltspitze
Noch vor kurzem war Wesley So der jüngste Großmeister auf dem Planeten, doch
die „Wunderkinder-Karawane“ zieht weiter. Nichtsdestoweniger ist der
Philippino, der im Januar in überzeugender Manier das C-Turnier in Wijk aan
Zee gewann, trotz einer Elo-Zahl von 2627 noch relativ neu in der
europäischen Schachszene. Man erinnere sich, dass Magnus Carlsens Sturmzug
anno 2004 ebenso begann. Am Rande des Aeroflot-Open hatte SM64-Mitarbeiterin
Anna Burtasowa Gelegenheit, mit dem 15-Jährigen nach der Schlussrunde über
seinen Werdegang und seine Perspektiven zu sprechen.
Frage: Es ist ein weiter Weg aus Deiner Heimat nach Moskau. Warum hast Du
Dich für das Aeroflot-Open entschieden?
So: Es ist mein erster Aufenthalt in Moskau. Das Aeroflot-Open ist das
stärkste Turnier, welches ich bisher gespielt habe. Man bekommt starke
Gegner, egal wo man in der Tabelle gerade liegt. Mein bestes Ergebnis war
der Gewinn des C-Turniers beim Corus-Schachfestival, und die philippinische
Föderation entschied, mich nach Moskau zu schicken. Daher zahlen sie meinen
Aufenthalt als Zeichen ihrer Unterstützung.
Frage: Welches Ziel hattest Du Dir für das Moskauer Turnier gesteckt?
So: Ich hatte nicht zu große Erwartungen, denn ich war bei weitem nicht der
beste Spieler im Turnier. Daher wollte ich einfach nur gutes Schach zeigen
und das Bestmögliche versuchen. Aber vielleicht war ich nach dem Turnier in
Wjik zu müde, denn ich spielte hier in Moskau nicht so gut. (Anm. mit 5
Punkten und einer Turnierperformance von 2577 landete So knapp unter seiner
Erwartung).
Frage: Wann hast Du mit Schach angefangen?
So: Ich erlernte es mit sieben Jahren und habe mit acht Jahren das erste
Turnier gespielt.
Frage: Wie bist Du zum Schach gekommen?
So: Mein Vater spielt, aber er ist kein besonders starker Spieler. Und er
entschied, dass ich im Schach erfolgreich sein könnte. Daher habe ich zu
trainieren begonnen.
Frage: Du bist sehr schnell zu einem starken Spieler herangewachsen. Wie war
das möglich?
So: Ich weiß nicht so recht, vielleicht weil ich einfach hart arbeitete. Ich
begann mit dem Schachstudium als ich ungefähr zehn Jahre alt war. Und als
ich Großmeister wurde, fand ich einige Sponsoren. Ich trainierte stets
alleine und mache es immer noch so. Aber ich denke, dass ich bald einen
guten Coach brauche, wenn ich weitere Fortschritte machen will.
Frage: Und wer sind die Sponsoren, die Du erwähntest?
So: Es sind einige Privatpersonen und unser Sportausschuss. Aber die
Unterstützung ist nicht so gewaltig wie Sie vielleicht vermuten mögen.
Frage: Was sind Deine Ziele für die nächste Jahre?
So: Ich will die Rating-Marke von 2700 erreichen.
Frage: Wie schnell glaubst Du, dass es machbar ist?
So: Ich weiß nicht, vielleicht ist es vor 2010 erreichbar. Aber natürlich
ist mir klar, dass es ein steiniger Weg ist.
Frage: Würdest Du Dich mit anderen Wunderkindern wie Magnus Carlsen oder
Sergej Karjakin vergleichen?
So: Die Medien vergleichen mich mit Carlsen, aber ich denke, er war in
diesem Alter viel stärker. Ich wäre gerne so wie er. Als er 13 Jahre alt
war, hatte er eine Wertungszahl um Elo 2580, während meine nur um die 2400
lag.
Frage: Deine Turniere finden hauptsächlich in Europa statt, oder?
So: Nein, für gewöhnlich spiele ich sechs bis sieben Turniere, vorwiegend in
Asien. Auch auf den Philippinen haben wir bisweilen Turniere.
Frage: Ist Schach auf den Philippinen populär?
So: Leider nicht. Nur wenige Leute spielen Schach. Basketball ist die
populärste Sportart. Selbst als ich ein internationales Turnier gewann,
bekam ich keine Medienbeachtung. Das mag sich ändern, wenn ich vielleicht
mal ein bedeutendes internationales Turnier gewinne. Aber jetzt ist es nicht
der Fall.
Frage: Kann man dann damit auf den Philippinen seinen Lebensunterhalt
bestreiten?
So: Nicht wirklich. Wenn ich Elo 2700 hätte, könnte ich unter Umständen
genug verdienen. Aber ich glaube, diese Situation ist überall ähnlich.
Frage: Du gehst noch zur Schule? So: Ja, ich bin jetzt auf dem Gymnasium und
es ist mein letztes Jahr. Aber momentan gehe ich nicht in die Schule, da ich
Turniere spiele und abwesend bin. Wenn ich zurück bin, muss ich meine
Prüfungen ablegen.
Frage: Was planst Du nach dem Schulabschluss?
So: Dann werde ich in der Ausbildung eine Pause einlegen und mich voll auf
Schach konzentrieren. Ich will sehen, welche Fortschritte ich mache und dann
entscheiden, ob ich Schachprofi werde oder mit einem Universitätsstudium
beginne.
Frage: Was interessiert Dich außer Schach?
So: Eigentlich nicht so viel. In meiner knappen Freizeit schaue ich Filme
oder beschäftige mich mit Computerspielen.
Frage: Hast Du zuhause Freunde, die Nicht- Schachspieler sind?
So: Meine Freunde sich meist Schachspieler, da ich nicht oft in der Schule
bin und meine Schulkameraden nicht so häufig sehe.
Frage: Hast Du Geschwister? So: Ich habe zwei Schwestern, aber sie spielen
kein Schach. Meine ältere Schwester ist 17 Jahre alt und nicht interessiert.
Meine kleinere Schwester ist drei Jahre alt, und vielleicht findet sie ja
Gefallen, eines Tages mit dem Schach zu beginnen. Zum jetzigen Zeitpunkt
liebt sie es, mit den Figuren herumzuziehen. Wir haben Schachschulen auf den
Philippinen, aber es sind nur wenige. Ich begann auch in einer solchen
Schule als ich neun Jahre alt war. Die Trainer waren für gewöhnlich
Internationale Meister.
Frage: Was sind Deine nächste Turnierpläne?
So: Im März haben wir die nationale Einzelmeisterschaft, und ich will spielen. Frage: Bist Du bereits Meister gewesen? So: Ja, ich gewann das Turnier letztes Jahr. Also warum das nicht einfach wiederholen? Zwei Partien des jungen Großmeisters, redaktionell kommentiert, runden das Porträt ab. Die erste wurde beim Aeroflot-Open gespielt:
Interview: Anna Burtasowa. Übersetzung: Harald Fietz. Nachdruck aus Schachmagazin 64 (4/2009). Mit freundlicher Genehmigung.