"Internet, Internet, Internet..." - Wolfgang Grenke im Interview

von ChessBase
20.11.2007 – In seiner Heimatstadt Baden-Baden ist Wolfgang Grenke als Gönner bestens bekannt. Mit großem persönlichen und finanziellen Engagement hat der Gründer der florierenden GrenkeLeasing AG die Stadt in den letzten Jahren aus eine Art  Dornröschenschlaf geweckt. Seine Aktivitäten waren u.a. Titelthema der letzten Wochenendbeilage des Handelsblatts. Auch die Schachfreunde profitieren von Wolfgang Grenke. Der bekennende Schachfan spielt selbst regelmäßig in der sechsten Mannschaft des OSC Baden-Baden und fördert die mit Stars gespickte Bundesliga-Mannschaft des Vereins. Sein Engagement im Schach will er jedoch nicht als Mäzenatentum missverstanden wissen. Die Unterstützung ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, erläuterte der Manager im Interview, und sieht vor allem das Internet als wichtigstes Vermarktungsmedium.OSC Baden-Baden... , GrenkeLeasing AG...Interview mit Wolfgang Grenke...

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Interview mit Wolfgang Grenke


Wolfgang Grenke, 1951 in Baden-Baden geboren, ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der GrenkeLeasing AG. Mit der 2004 errichteten GrenkeStiftung fördert er verschiedene gemeinnützige Projekte auf den Gebieten Kunst, Jugend- und Sportförderung und Wissenschaft. Im Schach wird der Leistungsstützpunkt Baden-Baden und der OSC Baden-Baden mit seinen Bundesligamannschaften finanziert. Wolfgang Grenke ist selber begeisterter Schachspieler und tritt regelmäßig selbst für die sechste Mannschaft des OSC an.


Wolfgang Grenke

ChessBase: Für Schachspieler, die sich im Leasing- und Kapitalgeschäft nicht auskennen: Womit genau verdient die GrenkeLeasing AG ihr Geld? Wie viele Mitarbeiter gibt es und in welcher Größenordnung bewegen sich Umsätze bzw. Gewinn?

GrenkeLeasing ist Marktführer für das Leasing von Geräten der Bürokommunikation – wie PC, Kopierer und Telefonanlagen – mit relativ kleinen Anschaffungswerten. Das heißt, wir finanzieren die Investition und überlassen die Geräte dem Nutzer für eine monatliche Gebühr. Zurzeit sind 420 Mitarbeiter in 17 europäischen Ländern für uns tätig. Bei einer Bilanzsumme von 1,2 Mrd. Euro verwalten wir gegenwärtig rund 200.000 laufende Leasingverträge. Das Unternehmen erwirtschaftete im vergangen Jahr einen Gewinn von ca. 30 Mio. Euro nach Steuer. Seit 2000 sind wir börsennotiert und im SDAX gelistet.

ChessBase: Neben dem Schach unterstützen Sie u.a. das Festspielhaus in Baden-Baden, außerdem verschiedene andere gemeinnützige Projekte. In welcher Größenordnung bewegt sich das Gesamtengagement?

Die Summe aller Mittel, die wir für die Ausstattung mit Stiftungskapital und für die direkte Förderung aufgewendet haben, betrug in den letzten fünf Jahren rund 25 Mio. Euro.

ChessBase: Welcher Anteil kommt den beiden geförderten Schachprojekten zugute, dem Leistungsstützpunkt Baden-Baden und dem OSC? Gelegentlich ist ein Betrag von 200.000 Euro Jahresaufwand für den OSC genannt worden.

Der Gesamtaufwand ist durch die Teilnahme am Europapokal etwas höher.

ChessBase: Warum engagieren Sie sich im Schach? Sie sind zwar Schachfreund, sehen aber ihr Engagement für den OSC mehr als Sponsoring und nicht als Mäzenatentum.

Diese Unterscheidung erscheint mir sehr wichtig. Zwar engagiere ich mich selbst aus Freude am Schachspiel und die GrenkeStiftung fördert vor allem die Jugendarbeit – für GrenkeLeasing geht es aber um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.

ChessBase: Welcher werblicher Gegenwert ergibt sich durch die Erfolge des OSC und wie wird dieser von der GrenkeLeasing AG gemessen?

Sie wissen vielleicht, dass zahlreiche Unternehmen mit Schachmotiven werben. Das allein war uns zu wenig. Durch die Unterstützung des Schach-Sports wollen wir auf Dauer die Glaubwürdigkeit unserer werblichen Bildwelt unterstützen. Dabei sind wir aber erst noch am Anfang.

Messen kann man den Erfolg von Sponsoring kaum. Aber man kann ihn beurteilen. Das erfolgt in regelmäßigen Abständen.

ChessBase: Ist die werbliche Ausrichtung eher lokal, national oder international?

Die lokale und regionale Wirkung ist bei mehreren Meistertitel der Damen und Herren ganz selbstverständlich. Aber die Ausrichtung ist eindeutig international. GrenkeLeasing ist eine europäische Mannschaft – verstärkt um den Weltmeister und einen weiteren indischen Spieler.

ChessBase: Warum fiel die Entscheidung zugunsten der Unterstützung einer Bundesligamannschaft und nicht eines Turniers? In Dortmund und in Dresden hat man den umgekehrten Weg gewählt.

Mit einem Turnier ist es nur sehr schwer möglich, einen internationalen Bezug herzustellen – sieht man einmal von der Herkunft der teilnehmenden Spieler ab. Es ist dem OSC hingegen gelungen, ein Team aus den besten Spielern verschiedener europäischer Länder zu bilden, das auch tatsächlich als Mannschaft auftritt. Das harmoniert besser mit der Ausrichtung von GrenkeLeasing.

ChessBase: Die Bundesliga hat sich nun als Verein gegründet. Sehen Sie dies als Fortschritt und welche zusätzlichen Möglichkeiten ergeben sich daraus, auch für die GrenkeLeasing AG?

Ja – das ist in meinen Augen ein Fortschritt, wenn daraus hinreichende Dynamik generiert wird. Die Bundesliga kann sich in der neuen Form besser auf ihre Ziele konzentrieren. Für unser Sponsoring wäre es von Vorteil, wenn sich die Bundesliga besser vermarkten würde.

ChessBase: Hat der OSC als Meister und mit einem starken Sponsor im Rücken eine ähnliche Vorreiterstellung in der Bundesliga e.V. wie etwa der FC Bayern München beim Fußball?

Auch Bayern München wird nicht jedes Jahr Meister, was unser Aufsichtsratsmitglied Erwin Staudt, den Präsidenten des VfB Stuttgart, in der letzten Saison sehr gefreut hat.


Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner und Wolfgang Grenke

ChessBase: Wie bewerten Sie die Konstruktion des Vereins? Jeder Aufsteiger muss Mitglied werden, ob er will oder nicht. Jedes Jahr verliert der Verein vier Mitglieder durch Abstieg. Führt dies nicht zu Problemen?

Es kommen aber auch jedes Jahr wieder vier Mitglieder als Aufsteiger dazu.  Nein – die Bundesliga ist eine Zweckgemeinschaft, kein Verein im traditionellen Sinne. Die Rechtsform eines Vereins ändert daran nichts, sie gewährt aber jedem „Mitglied“ gleiche Rechte. Das erscheint mir sinnvoll.

ChessBase: Wie bewerten Sie die Bundesliga als solches? Gibt es für Sie ein „Produkt Bundesliga“, das vermarktbar ist oder sehen Sie nur eine Produkt OSC?

Was GrenkeLeasing angeht, so haben wir uns aus den schon genannten Gründen für das Produkt OSC entschieden. Das heißt aber nicht, dass nicht auch die Bundesliga vermarktet werden kann.

ChessBase: Wo sehen Sie Probleme bei der Vermarktung der Liga? Was müsste sich ändern? Womit sind Sie nicht zufrieden?

Ich möchte eigentlich ungern über ein Interview Ratschläge erteilen. Dennoch drei Hinweise:

  1. Internet, Internet, Internet …. Eine aussichtsreiche Vermarktung ist meines Erachtens nur durch eine nahezu vollständige Konzentration auf das Medium Internet möglich. Es sollte verpflichtend sein – aber auch durch den Verein Bundesliga bei Bedarf organisatorisch unterstützt und sichergestellt werden – dass alle Begegnungen im Internet übertragen werden.
  2. Sie kennen sicher die Konferenzschaltungen aus dem Fußball. Etwas Ähnliches sollte auch im Schach via Internet möglich sein. Dafür wäre ein geeigneter dramaturgischer Rahmen aufzubauen.
  3. Mittelfristig müssten alle Übertragungen sowohl in Deutsch als auch in Englisch live kommentiert werden.

Generell sollte verstanden werden, dass Schach zunächst für Zuschauer attraktiver gemacht werden muss, bevor die Vermarktung optimiert werden kann.

ChessBase: Welchen Aufwand betreibt der OSC bei der Außendarstellung des Teams? Welcher finanzielle Einsatz ist nötig, um dies zu erreichen und wie ist das Verhältnis der Kosten im Vergleich zu den Kosten für die Mannschaft?

Im Sinne des schon gesagten ist klar: wir haben zunächst in die Mannschaft investiert. Aber natürlich werden auch alle Begegnungen in Baden-Baden im Internet übertragen. Noch überwiegen die Aufwendungen für die Mannschaft deutlich.

ChessBase: Viele Vereine sind nicht in der Lage ihre Mannschaften adäquat zu präsentieren. Worin sehen Sie die Gründe und wie könnte Abhilfe geschaffen werden?

Da müsste man sicher sehr ins Detail gehen, da die Probleme wohl nicht überall gleich sind. Manchmal ist es fehlendes Bewusstsein hinsichtlich der Marktanforderungen, manchmal hapert es am Know-how oder den technischen Möglichkeiten. Aber gerade da sollte der Verein Bundesliga ansetzen.

ChessBase: Wäre ein Sponsoring der GrenkeLeasing AG für die ganze Liga denkbar, um die Vermarktung der Liga insgesamt zu verbessern? 

Da wir in den Aufbau einer starken, europäisch geprägten Vereinsmannschaft investiert haben, würde das unsere finanziellen Möglichkeiten sprengen.

ChessBase: In einer Umfrage zur Bundesliga hat sich eine Mehrzahl für einen größeren Anteil einheimischer Spieler ausgesprochen. Auch beim OSC hat sich der Anteil deutscher Spieler verringert. Woran liegt das?

In diesem Jahr hat sich der Anteil der deutschen Spieler in unserer Mannschaft erhöht. Aber davon einmal abgesehen – es ist uns gleich, ob ein Spieler aus Deutschland oder einem anderen europäischen Land kommt, da wir in allen Heimatländern unserer Spieler als Unternehmen vertreten sind, sieht man von Indien einmal ab.

Ich fürchte, diese Diskussion wird mit dem Blick auf den Geldbeutel der deutschen Spieler geführt. Einer professionellen Vermarktung stehen solche Überlegungen diametral gegenüber. Für potenzielle Sponsoren muss Schach attraktiver gemacht werden – nicht sportlich unattraktiver.

ChessBase: Viele Schachfreunde beklagen den Mangel an Zugehörigkeitsgefühl der Spieler zu ihrem Verein und die mangelnde Authentizität, die daraus entsteht. Wie ist ihr Standpunkt als Sponsor?

Die traditionelle Ausrichtung eines Vereins als Interessensgemeinschaft der Mitglieder wird durch den Profisport natürlich kaum gefördert. Andererseits wird ein attraktives Vereinsleben nicht dadurch behindert, dass der Verein eine Profimannschaft unterhält.

ChessBase: Könnte der OSC auch mit einer Quote oder Beschränkung leben?

Der OSC wohl schon. Wir als Sponsor eher nicht. Die Attraktivität und damit der Gegenwert für das Sponsoring würden sinken. Wir müssten daher unsere Bewertung überprüfen und Alternativen – etwas ein Großmeisterturnier – in Erwägung ziehen, obwohl – wie gesagt – die Förderung einer Mannschaft besser zu unserem Sponsoringziel passt.


Wolfgang Grenke, Sven Noppes, Viswanathan Anand

ChessBase:  Gibt es außerhalb der Konkurrenzsituation gegenüber den anderen Teams ein gemeinsames Ziel der Bundesligavereine. Oder anders gefragt: Für wen wird die Bundesliga durchgeführt – für die Zuschauer, für die Schachspieler…?

Aus meiner Sicht ganz eindeutig: für die Zuschauer.

ChessBase: Der hohe Anteil von internationalen Topspielern im Team birgt auch Gefahren. Wegen Terminkollisionen gab es in der Vergangenheit schon Probleme. In diesem Jahr konnte nur knapp vermieden werden, dass der OSC wegen einer Terminkollision mit dem Worldcup an einem der Spieltage keine vollständige Mannschaft zu Verfügung hat. Beim dichter werdenden Terminplan drohen in Zukunft weitere Probleme dieser Art. Wie kann darauf reagiert werden?

Da die Terminplanung der FIDE nicht immer nachvollziehbar ist und auf nationale Veranstaltungen kaum Rücksicht nimmt, besteht dieses Risiko durchaus. Es gibt zwei Lösungsansätze, die parallel verfolgt werden sollten: den Stellenwert der Bundesliga systematisch weiter erhöhen und bei der eigenen Terminplanung flexibel bleiben. Die Bundesliga-Leitung und die betroffenen Vereine haben bei der Verlegung in diesem Jahr – durchaus im Interesse der gesamten Liga – sehr verantwortungsbewusst gehandelt.

ChessBase: Nach dem Rückzug von Porz scheint der OSC ohne echten Gegner dazustehen. Es droht ein Durchmarsch, ähnlich wie im letzten Jahr. Ist das erstrebenswert?

Ich empfinde das natürlich nicht als Drohung. Der OSC strebt selbstverständlich eine Titelverteidigung an. Es gibt aber durchaus hohe Hürden. Es stehen uns nicht immer alle Spieler zur Verfügung. Auch im vergangenen Jahr gab es einige Überraschungen. Und die Mannschaften sind in diesem Jahr noch ausgeglichener geworden.

ChessBase: Vor zwei Jahren haben Sie die Mittel für die Frauenmannschaft gekürzt, als diese hoch überlegen und ohne Konkurrenz die Meisterschaft gewann. Ist Ähnliches für das Männerteam zu befürchten?

Die Mittel wurden nicht gekürzt sondern etwas stärker auf den Herrenbereich verlagert, nachdem wir dort vor drei Jahren erneut die Meisterschaft verpasst hatten, andererseits die Damen konkurrenzlos stark aufgestellt waren.

ChessBase: Erstmals seit Langem hat sich -abgesehen von Werder Bremen - wieder ein Deutscher Meister am Europapokal beteiligt und dort nur knapp eine Medaille verfehlt. Was ist der Sinn dieses Engagements und welche Probleme gab es im Hinblick auf das geltende Mehrfachspielrecht beim Zusammenstellen der Mannschaft?

Im Sinne einer europäischen Mannschaft war eine Teilnahme folgerichtig. In den vergangenen Jahren wäre das wenig sinnvoll gewesen. In diesem Jahr konnten wir erstmals Peter Svidler, Magnus Carlson und Etienne Bacrot einsetzen. Eine frühere Teilnahme hätte also keinen Sinn gemacht. Das Turnier war äußerst attraktiv: rund 2/3 der 60 stärksten Spieler der Welt haben daran teilgenommen. Wir waren leider durch die unglückliche zeitliche Nähe zur Weltmeisterschaft gehandicapt, d. h. wir konnten Peter Svidler und Vishy Anand nur zeitweise einsetzen.

Das Mehrfachspielrecht sehe ich nicht als problematisch an. Verbesserungswürdig ist allerdings der Auslosungsmodus.

ChessBase: Verfolgen Sie die Mannschaftskämpfe des OSC in der Liga und auch im Europacup und haben Sie auch bei der WM ihren Spielern aktiv die Daumen gedrückt?

Wenn es sich zeitlich machen lässt, bin ich dabei. Bei den Heimspielen möglichst im Turniersaal, ansonsten per Internet. In Kemer habe ich die Mannschaft begleitet, die Spiele der WM habe ich im Netz verfolgt.

ChessBase: Welchen persönlichen Eindruck haben Sie von den Schachgroßmeistern? Haben sich durch ihren Einsatz für das Team auch persönliche Kontakte oder gar Freundschaften ergeben?

Natürlich habe ich zu allen unseren Spielern einen persönlichen Kontakt. Zuletzt hatten wir auch Gelegenheit, gemeinsam zu feiern. Ich glaube, es ist den Verantwortlichen beim OSC gelungen, eine sympathische, homogene Mannschaft aufzubauen.

ChessBase: Wie sind die Pläne für die Zukunft?

Das Erreichte sichern und die Vermarktung weiter zu verbessern. Wenn der Termin im nächsten Jahr günstiger liegt, streben wir einen Medaillenplatz beim Europapokal an.

ChessBase: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte André Schulz.
Bilder: Hans-Walter Schmitt

 

 


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