In Miskolc sprechen ab heute die Figuren
Von Dagobert Kohlmeyer
Zum fünften Mal trägt
Ungarns Nr. 1 Peter Leko von heute bis zum Sonntag in Miskolc ein
Schnellschachmatch aus. Nach Michael Adams, Anatoli Karpow, Wladimir Kramnik
und Magnus Carlsen heißt sein Gegner in diesem Jahr Vishy Anand. Grund genug
für den Reporter, sich am Pfingstmontag auf den Weg in Ungarns drittgrößte
Stadt zu machen. Früh muss man aufstehen, wenn man von Berlin mit Easyjet
nach Budapest fliegen will. Die Maschine startet um 7 Uhr und ist schon
gegen 8.30 Uhr in der ungarischen Hauptstadt. Die Budapester Straßen sind
leer, auch hier ist Feiertag. Es sind nur 12 Grad, und leichter Regen fällt.

Mit einem PKW der
Organisatoren holen wir noch Großmeisterin Zsuzsa Veröci ab, die wie gewohnt
bei dem 8-Partien-Duell als Schiedsrichterin amtiert.

Zsuzsa Veröci
In den nächsten Tagen
wird sich das Wetter bessern, verspricht Zsuzsa. Miskolc liegt 170 km von
Budapest entfernt, in eineinhalb Sunden sind wir dort.

Vishy und Aruna Anand
S
Sofia und Peter Leko
Die Hauptakteure
kommen etwas später, am Abend sind dann alle am Spielort versammelt: Vishy
Anand mit seiner Frau Aruna, Peter Leko mit seiner Sofia und Jan Gustafsson
als Sekundant sowie Leko-Manager Carsten Hensel, der am Dienstag seinen 51.
Geburtstag feierte.

Attila Barva, Dolmetscherin Zsuzsanna, Carsten Hensel
Bei einem gemütlichen
Abendessen in einem guten Fischrestaurant gibt es Gelegenheit zu angeregten
Gesprächen.

Jan Gustafsson zufrieden mit der Speisekarte
Von Vishy erfahren
wir, dass er zum zweiten Mal in Ungarn ist. Zum ersten Mal überhaupt
bestreitet er hier einen Wettkampf. Das Wort Egeshegedre (Prosit) kennt der
indische Schachstar schon. Judit Polgar hat es ihm einst beigebracht.
Am Pfirsich-Schnaps und am Weißwein nippen der Weltmeister und seine Gattin
an diesem Abend nur leicht. Dafür lassen sie sich eine leckere Fischsuppe
sowie den zarten Zander umso mehr schmecken.

Früchtetee für Peter Leko
Zur Pressekonferenz am
nächsten Tag äußern beide Spieler ihren großen Respekt voreinander.


Shake hands

Sie kennen sich seit
vielen Jahren, Peter Leko war einst WM-Sekundant von Vishy Anand. Unter
anderem beim WM-Finale 1998 von Lausanne. Heute sind sie Kontrahenten, die
äußerst kollegial und freundschaftlich miteinander umgehen. Vishy ist klarer
Favorit. Im Schnellschach hat er alle Größen der Gegenwart zumeist deutlich
besiegt. Gespielt werden bis zum Sonntag acht Partien, am Freitag ist
Ruhetag.

Auszeichnung vom ungarischen Schachverband für Sandor Kali
Der Schirmherr des
Matchs, Sandor Kali, wird an diesem Nachmittag vom Präsidenten des
ungarischen Schachverbandes Peter Kunos, für seine Verdienste um das Schach
ausgezeichnet. Schon zum fünften Mal hat es der beliebte Bürgermeister
möglich gemacht, dass sein Landsmann Peter Leko sich in dieser Stadt mit
einem hochkarätigen Gegner messen kann.
Nach der
Pressekonferenz ist Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit dem
Weltmeister.
"Lionel Messi ist mein Lieblingsspieler“
Interview mit Viswanathan Anand
Vishy, wie oft warst du schon in Ungarn?
Es ist das zweite Mal.
Vor 20 Jahren bin ich schon mal hier gewesen. Es war ein ganz kurzer
Privatbesuch. Nur für eine Woche, aber nicht zu einem Schachturnier. Eines
der ersten ungarischen Worte, das ich hörte, war Egeshegedre (Prosit).
Wie lautet deine Prognose für das Match gegen Peter Leko?
Schauen wir mal. Peter
und ich kennen uns schon sehr lange und sind gute Freunde. Wir haben viel
zusammen gearbeitet, er war mein Sekundant und auch einige Male bei mir zu
Hause in Spanien. Peter ist ein starker Gegner und zäher Verteidiger. Ich
will bei dem Duell wie immer mein Bestes geben und gutes Schach spielen.
Welche Sportarten magst du noch? Und wie entspannst du dich vor einem
Schachturnier?
Zum Beispiel beim
Fußball. Vor einer Woche habe ich mir natürlich das Finale in der Champions
League angesehen. Barcelona hat wirklich super gespielt. Sie zeigen derzeit
den besten Fußball. Ich habe mich gefreut, dass die Truppe gewonnen hat.
Wer ist dein Lieblingsspieler?
Lionel Messi. Früher
mochte ich Zidane sehr gern.
Im Schach hast du alle drei WM-Formate gewonnen: den Knockout-Modus im Jahre
2000 in Neu Delhi und Teheran, das Turnier 2007 in Mexiko und im vorigen
Herbst das Match gegen Kramnik in Bonn. Was motiviert dich jetzt noch,
weiter zu spielen?
Okay, das stimmt.
Aber, wenn man Schach mag, ist dies doch Grund genug, weiter zu machen. Ich
spiele eben sehr gern und genieße es, deshalb setze ich meine Karriere fort.
Weselin Topalow ist wie erwartet dein WM-Herausforderer geworden. Schätzt du
den Bulgaren gefährlicher als Wladimir Kramnik ein?
Keine Ahnung. Momentan
denke ich noch gar nicht darüber nach. Erst einmal spiele ich hier in
Miskolc. Dann kommen andere Events. Erst wenn die Einzelheiten des WM-Matchs
geklärt sind, dann kann ich ernsthaft darüber nachdenken.
Wie optimistisch bist du, dass euer Weltmeisterschafts-Duell, das für April
2010 geplant ist, überhaupt stattfindet? Die Verhandlungen zwischen der UEP
und dem Weltverband FIDE sind ja gescheitert, und derzeit ist nicht ein
einziger WM-Ausrichter in Sicht.
Ich denke jetzt, wie
gesagt, noch nicht darüber nach. Erst einmal warte ich ab, dass sie mir
einen Vertrag zeigen. Dann unternehme ich die weiteren Schritte.
Warst du zufrieden mit der Organisation des WM-Kampfes in der Bonner
Bundeskunsthalle?
Ja, sie war
ausgezeichnet. Die ganze Veranstaltung war einfach Klasse.
Umso bedauerlicher ist es, dass der Schachverband und die UEP sich nicht
einigen konnten. Und ein Veranstalter für dein Match gegen Topalow ist
bislang noch nicht gefunden. Wenn du das Bonner Duell zum Beispiel mit dem
WM-Finale 2000 von Teheran vergleichst, über das man seinerzeit in der
Presse nur sehr wenig lesen konnte, - wie war es dort organisiert?
Es war auch sehr gut.
Natürlich sind Alexej Schirow und ich nach dem Knockout-Turnier in Neu Delhi
ein bisschen müde gewesen. Ich erinnere mich nicht mehr an jedes Detail,
aber ich kann sagen, es war ebenfalls eine angenehme Erfahrung.
Stimmungsvolle Eröffnung
Am Abend gibt es dann
im Theater von Miskolc die feierliche Eröffnung. Junge Mitglieder des
renommierten Ensembles stellen dabei Tanzszenen aus der indischen Mythologie
und der ungarischen Geschichte dar. Ein Elefant und ein Schachspiel fehlen
auch nicht auf der Bühne. Dann wird gelost. Vishy Anand wählt eine Flasche
Rotwein und erhält daraufhin Schwarz in der 1. Partie. Peter Lekos Weißwein
deutet darauf hin, dass er zu Beginn des Matchs Aufschlag hat.



Auf der Bühne neben
den beiden Schachstars steht nicht nur Miskolcs Bürgermeister Sandor Kali,
der Patron des Matchs, sondern auch Ungarns Ministerpräsident. Der junge
Premier Bajnai (41), er ist erst seit Ende April im Amt, weilt zufällig in
der Stadt und nutzt die Gelegenheit, beiden Großmeistern für ihr Duell alles
Gute zu wünschen. Bei dem anschließenden Bankett im Theater müssen Anand und
Leko noch viele Autogramme geben und gemeinsam mit ihren Frauen für Fotos
posieren. Jetzt aber Bühne frei für das Match. Von nun an sprechen in
Miskolc die Figuren!