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Stefan Zweigs berühmte „Schachnovelle“ als Theaterstück - kann das gut gehen?
Der Hamburger Regisseur Peter Kühn zeigte mit seiner gelungenen Inszenierung am Altonaer Theater, wie man statt langer, deskriptiver Passagen der Novelle mit dramatischen Effekten die düstere Vision einer Bedrohung durch barbarische, monomanische Fachidioten eindringlich vermitteln kann
Von Peter Münder
Auf dem Transatlantikdampfer von New York nach Buenos Aires versammelt sich eine kleine Gruppe von Zuschauern um ein Paar am Schachbrett. Der passionierte Schachspieler Dr. Friedrich Hartl, der sich hier mit seiner am Brett dilettierenden Frau auf dem Deck öffentlich zur Schau stellt, will damit den mitreisenden Schachweltmeister Miro Czentovic ködern: Der wird die Partie vielleicht verfolgen und dann könnte man ihn möglicherweise zu einem interessanten Duell herausfordern, so hofft er. Doch so einfach geht seine Strategie nicht auf- erst der millionenschwere schottische Ölmagnat McConnor macht es mit seiner 250 Dollar-Spende möglich, dass sich der ebenso eitle wie arrogante Schachmeister zum Spielen einer Partie herablässt. Der homo ludens kommt also auf seine Kosten, für abwechslungsreiche Stunden wäre also gesorgt, wenn da nicht der nervöse, angespannt wirkende Dr. Bertram wäre, der zufällig mitbekommt, wie die kleine Schachtruppe ihr Match gegen den ungehobelten Czentovic zu verlieren droht. Bertram interveniert mit einem fiebrig-dramatischen Auftritt, der ihn sofort als hochkarätigen Experten, aber auch als überdrehten Außenseiter kennzeichnet: „Wenn Sie jetzt den Bauern auf C1 in eine Dame verwandeln, schlägt er sofort mit dem Läufer, Sie nehmen mit dem Springer zurück. Aber inzwischen geht er mit seinem Freibauern nach D7, bedroht Ihren Turm, und auch wenn Sie mit dem Springer Schach bieten, verlieren Sie und sind nach neun bis zehn Zügen erledigt. Es ist beinahe dieselbe Konstellation, wie sie Aljechin gegen Bogoljubow 1922 im Pistyaner Großturnier initiiert hat“. In der Rolle des Bertram glänzt der junge Ole Schlosshauer: Mit der manisch-dynamischen Kraft eines Klaus Kinski kann er überzeugend das Widersprüchliche dieser zerrissenen Figur hervorheben: Schach als Therapie für den in Isolationshaft einsitzenden Gestapo-Häftling, aber auch als nervenzersetzendes Gift, das ihn beinah in die Schizophrenie trieb. Wenn Schlosshauer seinen Kopf über dem Brett ganz dicht an die Stirn seines Gegners bewegt und diesen mit dem starren Ego-Zertrümmer-Blick eines Kasparow oder Bobby Fischer anstarrt, dann spürt man, mit welcher Intensität sich dieser Schauspieler in die Rolle des vom Schach Besessenen hineinversetzt. „Diese meine Glückszeit“ nennt Bertram ja die Zeit, da er sich mit Tartakowers Schachpartien beschäftigen konnte. Die dann aber auch zur magischen „Schach-Erregung“ mit bedenklichen persönlichkeitsverändernden Auswirkungen mutierte.
So entwickelt sich das harmlose Gruppenspiel gegen den dumpfbackigen Balkan-Meister Czentovic zur knallharten Konfrontation zwischen Bertram und Czentovic. Der Wiener Kulturträger Bertram hatte in der Gestapo-Haft einen Band mit 150 Meisterpartien von Tartakower im Vorzimmer des Untersuchungsrichters aus einer Manteltasche stehlen und sich beim Nachspielen der Partien die hohe Kunst des königlichen Spiels aneignen können. Er verdankt dem Schach das Überleben in der Haft, während Czentovic, dieser „maulfaule Bauernbursche“, der von „ordinärer Habgier“ besessen ist, das Spiel als monomanischer „Schachautomat“ betreibt, um eine möglichst hohe Rendite einzufahren. Diesen eiskalten Kalkulator spielt Oliver Schulz- als gelungenes Abziehbild eines nur auf sich fixierten Roboters, der zu jeder Form der Kommunikation unfähig ist und die Welt nur noch durch das Raster der 64 Schachfelder und über das Knistern der Dollarscheine wahrnehmen kann.
Auf diese Duell-Situation hatte Stefan Zweig seine 1941 veröffentlichte „Schachnovelle“ zugespitzt. Er selbst hatte ja, nachdem er vor den Nazis über London und New Haven 1941 ins brasilianische Petropolis geflohen war, in düsteren Vorahnungen den Untergang des Abendlandes durch solche von Kultur völlig unbeleckten Typen befürchtet und sich dann 1942 in Petropolis das Leben genommen. Stefan Zweig war übrigens passionierter Schachspieler und spielte schon in seiner frühen Salzburger Zeit regelmäßig; in den letzten Monaten vor seinem Freitod hatte er sich mit der Schach-Thematik beschäftigt, weil er hoffte, mit geistigen Waffen sei die barbarische Herrschaft brutaler Gewalt vielleicht doch noch zu besiegen. Doch angesichts des offenbar kaum zu bremsenden Siegeszugs des Faschismus um 1940 resignierte er schließlich und bezeichnete die Thematik der „Schachnovelle“ als „zu abstrakt für das große Publikum“.
Diese resignative Spenglersche „Untergang- des- Abendlandes“- Stimmung kommt in der Inszenierung von Peter Kühn, die auf einer Bühnenbearbeitung von Helmut Peschina basiert, notgedrungen zu kurz. Kühn betont die dramatischen Effekte dieses Schachduells, die von Zweig angerissene politische Dimension eines Kulturkampfes ignoriert er, um stattdessen die Konflikte auf den Beziehungsebenen zu polarisieren. Die in der Novelle leicht ermüdenden Rückblenden und narrativen Einschübe mit der Vorgeschichte Bertrams verkürzen sich hier zu plötzlichen Volten, die aus unverdächtigen, ruhigen Gesprächssituationen abrupt in exaltierte Affekte übergehen. Bertrams Neurose offenbart sich, dramatisch sehr effektvoll mit Gefängnis-Impressionen inszeniert, fast in jeder Situation- sie ist eben immer präsent und nie richtig therapiert worden. Da Oliver Schulz nicht nur den Czentovic, sondern auch den Gestapo-Wärter spielt, der Bertram in der Haft tyrannisiert, wird die Konfrontation dieser beiden Figuren folgerichtig und eindrucksvoll bis zum Schachkampf auf die Spitze getrieben.
Das Stahlgerüst, das die Bühne total dominiert, ist schlüssig als Ozeandampfer-Kulisse und als Gefängnis-Labyrinth der Gestapo angelegt. Irritierend wirken allerdings die langen, gebetsmühlenartig wiederholten Verhör-Dialoge, die zu Endlos-Schleifen werden. Merkwürdig auch, dass alle Männer mit den gleichen mausgrauen Anzügen ausstaffiert waren. Der skurrile Schotte McConnor hatte immerhin eine rote Blume im mausgrauen Knopfloch, doch die graue, an die „Momo“-Zeitmänner erinnernde HO-Kluft wurde weder den differenziert vorgeführten Figuren, noch den beiden völlig entgegengesetzten Kontrahenten dieses Stücks gerecht, die das Schachduell ja auch als Überlebenskampf verstehen. Aber das sind Petitessen am Rande, das Inszenierungskonzept ist schlüssig und begeisternd.
Spannend und sehr informativ verlief nach der Vorstellung die Diskussion mit den beiden Hauptdarstellern Ole Schlosshauer und Oliver Schulz, die von der Dramaturgie-Assistentin Anke Kell souverän moderiert wurde. Die „Schachnovelle“, so sieht es das Schauspieler-Team, sei heute eher als Kommunikations-Konflikt zwischen Individuum und Gruppe zu interpretieren: Bertram warne davor, als Schach-Experte überschätzt zu werden, er wolle sich ja eigentlich dem als Entertainment gedachten Schach-Duell verweigern- doch niemand höre ihm zu. Diese Unfähigkeit (oder die Weigerung), anderen zuzuhören, sei eben das aktuelle Problem unserer Zeit.
Diese rasante, hochdramatische Inszenierung wurde begeistert bejubelt- selbst
die vom Stück faszinierten Schulklassen, die hier vielleicht befürchtet hatten,
zum Schulfunk-Abhören verdonnert zu sein, gaben während der Vorstellung keinen
Mucks von sich. Diese Bühnen-Rarität ist jedenfalls sehr zu empfehlen – nicht
nur Schachspielern.
Fotos: Pressfotos Joachim Hiltmann
SCHACHNOVELLE
nach dem Roman von Stefan Zweig - Bühnenbearbeitung von Helmut Peschina
Premiere: 26. Oktober, Vorstellungen bis 23. November
Regie: Peter Kühn • Bühne: Zoltan Labas • Kostüm: Christine Merz
Mit: Klaus Falkhausen • Jürgen Hoppe • Joachim Lautenbach • Elena Meißner •
Ulrich Meyer-Horsch • Hans-Jörg Schernthaner • Ole Schloßhauer • Oliver Schulz
„Schachnovelle“ im Altonaer Theater, Hamburg, Museumsstr. 17, Tel. 399 05 870
31.10 20 Uhr, 1.11. 20 Uhr, 5.11. 19 Uhr, 6.-8.11. 20 Uhr, 9., 12., 11. 19 Uhr,
13.-15. 11. 20 Uhr, 19.11. 19 Uhr, 20.11. 20 Uhr