
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan.
Der Sieger ist Anand
... und das Schach
Von André Schulz
Fotos: Wolfgang Rzychon
Mit Anand hat bei der Weltmeisterschaft vielleicht der bessere Spieler gewonnen oder vielleicht das bessere Team, sicher aber die bessere Vorbereitung, in jedem Fall aber das Schach. Mit seiner Eröffnung 1.d4 ging der Inder allen Vorbereitungen seitens Kramniks gegen Anands sonstigen Standardzug 1.e4 aus dem Weg. Ernsthaft geprüft wurde Anands Repertoiresicherheit allerdings nicht. Die Überraschung war offenbar gelungen, auch wenn Kramnik in der Pressekonferenz nach der zweiten Partie meinte, so überrascht sei er nicht gewesen, schließlich habe ja schon Leko im Wettkampf 2004 gegen ihn mit diesem Zug aufgewartet.
Auch mit Schwarz war der Weltmeister besser. Zweimal punktete er mit der Meraner Verteidigung. Dort servierte er in der gleichen Variante, die bisher als eher besser für Weiß galt, in zwei aufeinander folgenden Schwarzpartien Neuerungen, die ihm in scharfen und undurchsichtigen Varianten einen Zeitvorteil und schließlich zwei Punkte einbrachten. Danach war die Situation für Kramnik auf der kurzen Wettkampfdistanz schon sehr schwierig. Nach dem Verlust der 6. Partie, als Anand in der Nimzoindischen Verteidigung wieder mit einer Neuerung die Initiative eroberte, war sie wohl hoffnungslos.
In der zweiten Hälfte des Wettkampfes begann der Herausforderer sich zu erholen und übernahm zum Ende des Wettkampfes sogar die Initiative. Doch es war zu spät. Die 10. Partie gewann der Herausforderer zwar überzeugend. Aber Anand erholte sich rasch und fand in der 11. Partie - der letzten - zu alter Stärke zurück. Nach 24 Zügen musste der Russe einsehen, dass es nicht mehr als einen halben Punkt zu holen gab. Das Remisangebot war für Kramnik gleichzeitig die Aufgabe des Wettkampfes.
Josef Reschs Kramnik nahe stehende UEP hat den Wettkampf unter für beide Spieler fairen Bedingungen durchgeführt und den Zuschauern und den Medien zusammen mit den Spielern ein tolles Spektakel geboten. Wie schon die früheren Schach-Veranstaltungen in der Bundeskunsthalle unter der Regie von Forums-Chef Stephan Andreae, zuletzt noch vor zwei Jahren der Wettkampf zwischen Kramnik und Deep Fritz, wurde die Inszenierung ausgesprochen professionell auf die Bühne gestellt. In einem kunstvollen Rahmen wurde Schach ebenso kunstvoll in den Vordergrund gerückt. Auf einem großen Brett über den Köpfen der Spieler erschienen die Züge der Spieler projiziert. Die Gedanken der beiden Großmeister blieben zwar auch weiter in deren Köpfen verborgen, aber die Zuschauer ahnten, dass etwas Erhabenes vor sich geht. Und die Spannung der Partien erfasste die vielen Schachenthusiasten unmittelbar.
Mit fast 4000 Zuschauern an den elf Spieltagen war das Forum fast ausverkauft.
Die Türwächter bereiten sich auf den Ansturm vor
Der in Schachkreisen als hoch angesehene Eintrittspreis von 35 Euro war den Zuschauern, die kamen, offenbar nicht zuviel. Und im Vergleich zu anderen hochrangigen Sport- oder Kulturveranstaltungen ist er es auch nicht. Entscheidend ist, ob für das Geld ein adäquater Gegenwert geboten wird, und das war bei der Schach-WM in der Bonner Kunsthalle ohne Zweifel der Fall.
Außer dem Hauptereignis, den zwei Spielern auf der kleinen ins rechte Licht gerückten Bühne unter dem riesigen erleuchteten Schachbrett, konnten die Zuschauer sich an jedem Tag in der Ostgalerie an den Kommentaren von Großmeistern wie Helmut Pfleger, Klaus Bischoff, Artur Jussupow und Gästen erfreuen.
Zahlreiche Koryphäen aus ganz verschiedenen Fachgebieten
sprachen über die unterschiedlichen Facetten des Schachspiels, das so alt ist,
aber die Menschen mit unverminderter Intensität erfreut.
Auch in den Internetplattformen versammelten sich unzählige Zuschauer und
begleiteten die Partien mit ihrem Interesse.
Im Pressezentrum
Fotografen bei der Siegerehrung
Die UEP zählte auf ihrer Matchseite weit über 1. Mio Besucher, die sich den Liveticker mit den Zügen anschauten. Der Ticker wurde auch an viele Webseiten ausgeliehen und zog dort weitere Zuschauer an. Die UEP schätzt, dass insgesamt etwas 20 Mio. Schachfreunde in aller Welt die Partien anschauten.
Der Fritzschachserver verzeichnete einen Besucherrekord. Zur zehnten Partie am vergangenen Sonntag waren als Spitzenwert mehr als 11.000 Mitglieder gleichzeitig auf dem Server eingeloggt, ließen ihre Engines mitlaufen und fachsimpelten über die Partie.
In der deutschen Presse gehört eine Schachspalte von
jeher zur Zeitungskultur dazu. Die meisten großen Zeitungen pflegen diese
Tradition auch heute noch. Doch neben der beschaulichen nachträglichen
Betrachtung von Schachpartien ist die regelmäßige Berichterstattung von großen
Schachereignissen doch eher die Ausnahme. Schach ist aber in Wirklichkeit ein
Livesport, der sehr vom Moment des Geschehens lebt. Nur wer sieht, an welcher
Stelle die Spieler ins Grübeln verfallen, wie sie sich am Brett verhalten und
welche Züge sie dabei ausführen, wann die Züge in hoher Zeitnot auf Brett
geschleudert werden und wie sich Spieler entsetzt abwenden, wenn sie sich ihre
eigenen Fehler eingestehen müssen, begreift die äußere Dramatik einer
Schachpartie, die durch die Notationsaufzeichnung nicht ansatzweise wieder
gegeben wird. Mit den Livetickern konnten die Internetmedien zumindest einen
Teil der Dramatik wiedergeben. Chess Media Systems hat mit dem Foidos-System
zudem einen interessanten Ansatz zur umfänglichen Schachübertragung ins Leben
gerufen und mit hohem Aufwand in Bonn eingesetzt.
Was sich unverständlicherweise vom Schach nach wie vor eher fern hält, ist
jedoch das Fernsehen.
Interviews - ja
Zwar gab es vereinzelte Berichte der ARD-Sender und des ZDFs, aber der Versuch einer Liveübertragung oder einer längeren zusammenfassenden Partiewiedergabe wurde nicht unternommen. Warum nicht? Fehlt es in den Sportredaktionen an Fachpersonal? Oder einfach am Mut, etwas Neues zu probieren? Auch die langweiligste Schachpartie kann doch nicht trostloser sein als mit einem Motorrad hinter einem Fahrrad herzufahren, dessen Fahrer überlegt, wie er bei der kommenden Dopingprobe das Fremdurin einbringt. Immerhin gab es in der Tagesschau eine Meldung zum Ausgang des Wettkampfes, was beweist, dass man nun eine Schach-WM für genauso wichtig hält, wie ein Streit zwischen Bundestrainer Löw und Fußball-Kapitän Ballack. Immerhin.
Dopingproben gab es übrigens bei der Schach-WM auch. Die Spieler der kommenden Schacholympiade werden diese ebenfalls über sich ergehen lassen müssen. Solche beim Schach durchzuführen, für das kein einziges künstliches leistungsförderndes Mittel bekannt ist, zeugt von der fortschreitenden geistigen Umnachtung, die manche Sportfunktionäre umfangen hat. Da werden Gewichtheber, Leichtathleten, Boxer, Turner, Bogenschützen und Schachspieler kurzerhand in einen Topf geworfen - alles ist ja Sport - und muss sich der gleichen Prozedur unterziehen, egal ob es irgendeinen Sinn macht. Robert Hübner, der die Dopingproben im Schach genauso unsinnig findet, wie jeder andere vernünftige Mensch, und der sich seinerzeit wegen diesen aus der Nationalmannschaft zurückgezogen hat, erklärte kürzlich sogar in einem Beitrag für die FAZ, dass Schach gar kein Sport sei und deshalb auch nicht wie Sport behandelt werden sollte. Was die sportliche Natur des Schachspiels angeht, sind viele Spieler anderer Meinung. Wettkampfschach ist durchaus Sport - nur eben nicht mit Gewichtheben oder 100 Meter-Lauf vergleichbar. Witzigerweise sitzt die übrigens die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn nur einen Steinwurf von der Bundeskunsthalle entfernt.
Im Anschluss an die kurze letzte Partie wurde gleich auf der Bühne die Siegerehrung vollzogen. Die Hymnen wurden gespielt, die Schlussworte gesprochen und Anand als Weltmeister gefeiert. FIDE-Ehrenpräsident Florencio Campomanes, der in seiner Amtszeit von 1982 bis 1995 die FIDE maßgeblich zu dem gemacht hat, was sie heute ist, überreichte die Siegerzeichen. Ihm folgte mit Professor Robert von Weizsäcker, Präsident des Deutschen Schachbundes, ein Mann der Zukunft - vielleicht ja auch in der FIDE. Diese braucht frisches Blut.
Ansprache von UEP-Präsident Josef Resch
Stephan Andreae für die Bundeskunsthalle
Campomanes gratuliert dem Vizeweltmeister
Kramniks Dankesworte
Anand erhält die Siegertrophäe
Fotos aus allen Richtungen
Anand spricht seine Dankesworte
Robert von Weizsäcker für den Deutschen Schachbund
Gratulation vom Maharadscha
Mit dem von der UEP organisierten Wettkampf um die Weltmeisterschaft in Bonn
wurde viel Werbung für das Schach gemacht, auch mit der Hilfe der Sponsoren
Evonik und Gazprom, mit der Unterstützung des schachbegeisterten
Bundesfinanzministers Peer Steinbrück, der Bundeskunsthalle mit Stephan Andreae
und der Präsenz von DSB-Präsident Robert von Weizsäcker, der sich über den
ganzen Wettkampf in seiner alten Heimatstadt Bonn aufhielt. Nun ist allerdings
die FIDE wieder an der Reihe. Der nächste FIDE-Termin ist der 26. November. Dann
soll das Kandidatenfinale zwischen Veselin Topalov und Gata Kamsky stattfinden.
Derzeit wird gemunkelt, dass es mangels Organisator wohl ausfällt. Mit dem
Revanche-Wettkampf zwischen Anand und Kramnik, der deshalb stattfand, weil
Kramnik als Weltmeister sich zur Teilnahme am WM-Turnier im letzten Jahr in
Mexiko nur überreden ließ, wenn die FIDE ihm dieses Revancherecht bei einem
Wettkampf einräumte, sind fast alle Altlasten aus der Zeit vor der
Wiedervereinigung erledigt und eine neuen Ära könnte beginnen, eine Zeit mit
einem transparenten und beständigen WM-Zyklus. Eine einzige offene Zusage
besteht allerdings noch, nämlich die Zusage an Topalov, das Kandidatenfinale zu
spielen. Dazu müsste dieses aber nun auch stattfinden.
Am Stand des Deutschen Schachbundes, der in der FIDE stärker repräsentiert
werden sollte
Nach der Siegerehrung wurde die obligatorische Pressekonferenz durchgeführt.
Anand im Siegerglanz
Kramnik gibt seine Einschätzung
Nun zeigten sich auch die Anand-Sekundanten unter den Zuschauern - Peter Heine Nielsen, Rustam Kasimdzhanov, Penteala Harikrishna, Surya Shekhar Ganguly und Radoslaw Wojtaszek.
Ganguly, Kasimdzahnov, Nielsen, Wojtaszek
Die Stimmung ist gut im team Anand: Wojtaszek und Aruna
Autogramme
Peter Heine Nielsen
Rustam Kasimdzhanov
Thorsten Winkler von der Sportschau spricht mit Hans-Walter Schmitt
Was hat mir denn der Hans-Walter Schmitt da gegeben
"Ach so!"
Aus Chile war eigens ein mit den Anands befreundetes Paar angereist, erlebte aber nur noch den Schluss des Wettkampfes und wird wohl zum Feiern mitgegangen sein.
Maria und Daniel Yarur aus Chile
First Chess Lady und der 15. Schachweltmeister
So viel Zeit muss sein: Ein letztes Autogramm
Der Saal ist geschlossen, die Lichter erloschen. Alle sind nach Hause gegangen.
Hoffentlich müssen die deutschen Schachfreunde nicht wieder 74 Jahre bis zu
einer Schachweltmeisterschaft in Deutschland warten.