50 Partien, die jeder Schachspieler kennen sollte

von Johannes Fischer
20.02.2017 – „111 Gründe...“ So fangen in letzter Zeit viele Buchtitel an. Man erfährt, warum man Deutschland oder das Radfahren lieben kann, warum es sich lohnt, aufs Land zu ziehen und viele andere Dinge. Noch ehrgeiziger sind die Werke, die 1001 Filme oder Bücher anpreisen, die man lesen oder sehen soll, „bevor das Leben vorbei ist“. Also warum nicht auch eine Liste mit Schachpartien? Es müssen ja keine 111 oder 1001 sein. Für den Anfang reichen 50. Hauptsache, sie sind interessant und es macht Spaß, sie nachzuspielen. Mehr...

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Tatsächlich sind 50 Schachpartien gar nicht viel. Immerhin enthält die ChessBase Mega-Datenbank nicht weniger als 6,8 Millionen Partien und lässt man man bei der Auswahl von 50 herausragenden Partien der Schachgeschichte jeden offiziellen Weltmeister von Wilhelm Steinitz bis Magnus Carlsen mit nur zwei Partien zu seinem Recht kommen, ist man schon bei 32 Partien. Und hat Spieler wie Morphy, Anderssen, Tarrasch, Schlechter, Rubinstein, Nimzowitsch, Boguljubov, Fine, Reshevsky, Bronstein, Najdorf, Keres, Geller, Stein, Portisch, Kortschnoi, Judit Polgar und viele andere gar nicht berücksichtigt. Von zeitgenössischen Spielern wie Aronian, Nakamura, Giri, Karjakin oder So ganz zu schweigen.

Eine Liste mit 50 Partien der Schachgeschichte, die jeder kennen sollte, hat deshalb zwangsläufig Lücken. Aber wenn man nicht den Anspruch hat, die 50 „besten“ oder „wichtigsten“ Partien aller Zeiten vorzustellen, dann sollte man mit diesen Lücken leben können. Und deshalb stellt ChessBase in den nächsten Tagen und Wochen 50 interessante, schöne, historisch bedeutende, aber vor allem unterhaltsame Partien aus über 180 Jahren Schachgeschichte vor.

Den Anfang macht ein Klassiker aus dem Jahre 1834, die 16. Partie eines Wettkampfes zwischen dem Franzosen Louis Charles Mahé de Labourdonnais und dem Iren Alexander McDonnell, den wohl besten Spielern der damaligen Zeit. Von Juni bis Oktober 1834 spielten die beiden im Londoner Westminster Club in sechs Wettkämpfen insgesamt 85 Partien gegeneinander. Labourdonnais gewann dieses Marathonduell am Ende mit 45 Siegen, 27 Niederlagen und 13 Remis. Im Gedächtnis der Schachwelt blieb dabei vor allem der folgende Sieg von De Labourdonnais.

 

Historische Informationen

Alexander McDonnell wurde am 22. Mai 1798 im irischen Belfast geboren und starb am 14. September 1835 in London. Wie Kenneth Whyld und David Hooper im Oxford Companion to Chess berichten, war McDonnell „Sohn eines Arztes, verbrachte ein paar Jahre in Westindien und arbeitete später als Geschäftsführer des Komitees Westindischer Kaufleute in London“. Über McDonnells Schach heißt es im Oxford Companion: „McDonnells Kombinationsspiel war gelegentlich brillant, aber sein Spiel in der Eröffnung … und seine Technik waren schwächer. (…) Während Bourdonnais schnell und mit Leichtigkeit spielte, dachte McDonnell lange über seine Züge nach und war am Ende einer Partie oft erschöpft (…). Seine Zeitgenossen glaubten, dass diese langen Phasen der Anspannung seinen durch ein Nierenleiden verursachten Tod beschleunigt haben. Seine Partien galten als die besten bis dahin je gespielten und wurden zunächst in England veröffentlicht, wo sie das Interesse am Schach stark angeregt haben.“

Louis-Charles Mahé de Labourdonnais wurde 1795 (manche Quellen geben auch 1797 als Geburtsjahr an – das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt) auf der Insel Réunion geboren, wo sein Großvater Gouverneur gewesen war, und starb am 13. Dezember 1840 in London. Schach lernte Labourdonnais 1814 in Paris, wohin ihn seine Familie geschickt hatte, damit er dort zur Schule gehen konnte. Schon bald wurde das Schach Labourdonnais’ große Leidenschaft und er verbrachte Tage und Nächte im berühmten Pariser Café de la Régence und verdiente sein Geld mit dem Schachspielen. Mitte der 1820er Jahre hatte er alle bedeutenden Spieler in Frankreich und England geschlagen und galt als der beste Spieler der Welt.

Louis-Charles Mahé de Labourdonnais (Foto: Wikipedia)

1836 gründete Labourdonnais Le Palamède, die erste Schachzeitschrift der Welt, doch dann traf ihn eine Reihe von Schicksalsschlägen. 1838 erlitt er einen Schlaganfall, später erkrankte er an Wassersucht. Ein Jahr später, 1839, verlor Labourdonnais seinen Posten als Sekretär des Pariser Schachklubs, als der Klub aufgelöst wurde. Das familiäre Vermögen hatte Labourdonnais bereits Anfang der 1830er Jahre aufgebraucht oder verspekuliert und geriet so nach dem Verlust seines regelmäßigen Einkommens in bittere Armut.

Im November 1840 reiste er noch einmal nach London, um im Simpson’s Divan gegen Geld Vorgabepartien zu spielen, doch nur einen Monat später starb er. Wie sein Rivale Alexander McDonnell wurde Labourdonnais auf dem Friedhof Kensal Green begraben.

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Schwerpunkte: Aljechin: 402 kommentiert/ 1919 insgesamt; Rubinstein 195/885; Botvinnik 130/331; Steinitz 124/768 Partien; Nimzowitsch 108/735 Partien. Deutsche Spieler: Bogoljubow 121/1016; Anderssen 91/895; Lasker,Emanuel 62/1119; Tarrasch 57/850; Sämisch 45/734; Paulsen,Louis 24/469.

Klicken Sie hier, um ein Erklärvideo zur Bearberitung des historischen Teil von Gisbert Jacoby zu sehen.

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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