Adolf Albin: Gerne mal Gambit

von Johannes Fischer
14.09.2018 – Vor 170 Jahren, am 14. September 1848, wurde Adolf Albin geboren. Seine beste historische Elo-Zahl liegt bei 2643, damit war er im August 1895 die Nummer 15 der Welt. Heute kennt man ihn vor allem als Namensgeber einer unternehmungslustigen Variante im Damengambit, die nach 1.d4 d5 2.c4 e5!? entsteht - Albins Gegengambit. Ein anderes Gambit, das Albin gerne spielte, trägt jedoch den Namen Aljechins. | Foto: Adolf Albin, Quelle: Wikipedia

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Adolf Albin (14. September 1848 - 1. Februar 1920)

Im Oxford Companion to Chess von David Hooper und Ken Whyld heißt es über Albin:

"Albin, Adolf (1848-1920), in Rumänien geborener Spieler, der die meiste Zeit seines Lebens in Wien gelebt hat, wo er auch starb. Kein großer Spieler, vielleicht, weil er das Spiel erst mit 22 gelernt hat und erst mit 43 an internationalen Turnieren teilnahm, nachdem eine Karriere als Geschäftsmann gescheitert war ..."

Albin wurde in Bukarest geboren, doch wie sein Biograph, der Schachhistoriker Olimpiu G. Urcan, im zweiten Teil eines Artikels über „Adolf Albin and the Genesis of the Albin Countergambit“ verrät, stammt Albins Familie aus Frankfurt am Main:

"Albin wurde in eine sehr wohlhabende Familie hineingeboren, aber er führte kein opulentes Leben, sondern ein in jeder Hinsicht kämpferisches. Seine Familie wurde politisch verfolgt und musste von Frankfurt nach Zhitomir und dann nach Bukarest fliehen; ihren Besitz musste sie zurücklassen."

Albin begann seine Schachkarriere tatsächlich ungewöhnlich spät. Mikhail Botvinnik, der mit 12 Jahren, also später als viele seiner Konkurrenten, Schach gelernt hatte, klagte einmal, "deshalb habe ich zeit meines Lebens langsamer gedacht als meine Gegner, und die haben das gewußt und ausgenutzt", (Werner Harenberg, Schachweltmeister, Hamburg: Der Spiegel 1982, S.145), aber unter mangelnden Gefühl für Taktik litt Albin nicht. Er spielte unternehmungslustig und riskant und gerne auch Gambits.

Damit verewigte er sich in der Eröffnungstheorie, die ein zweischneidiges Gambit nach ihm benannte: Albins Gegengambit, das nach den Zügen 1.d4 d5 2.c4 e5!? entsteht. Im ersten Teil seines Artikels über „Adolf Albin and the Genesis of the Albin Countergambit“ diskutiert Urcan ausführlich, ob Albin tatsächlich der Erste war, der dieses Gambit probiert hat, aber auf alle Fälle hat Albin diese Variante berühmt gemacht. Allerdings mit einer Verlustpartie. Albin testete "sein" Gambit beim New Yorker Impromptu Turnier 1893 in einer Partie gegen den jungen Emanuel Lasker, der ein Jahr später Weltmeister werden sollte.

Lasker war bei diesem Turnier in New York 1893 in Hochform und gewann mit 13 aus 13. Auch Albins kühnem Eröffnungsexperiment brachte ihn nicht aus dem Konzept.

 

Doch trotz dieser Niederlage verlief das Turnier in New York 1893 erfolgreich für Albin: er wurde mit 4,5 Punkten Rückstand auf Lasker Zweiter.

Schlusstabelle

Rg. Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Pkt.
1 Emanuel Lasker   1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 13.0 / 13
2 Adolf Albin 0   1 1 1 1 1 ½ 0 1 0 1 0 1 8.5 / 13
3 Jackson Whipps Showalter 0 0   ½ 1 1 0 1 ½ 1 1 1 0 1 8.0 / 13
4 Eugene Delmar 0 0 ½   ½ 0 1 1 1 1 ½ 1 1 ½ 8.0 / 13
5 Francis Joseph Lee 0 0 0 ½   1 1 ½ 1 1 1 0 1 1 8.0 / 13
6 James Moore Hanham 0 0 0 1 0   1 ½ 1 1 1 1 1 0 7.5 / 13
7 Harry Nelson Pillsbury 0 0 1 0 0 0   1 0 1 1 1 1 1 7.0 / 13
8 Jean Taubenhaus 0 ½ 0 0 ½ ½ 0   0 1 ½ 1 1 1 6.0 / 13
9 William Henry Krause Pollock 0 1 ½ 0 0 0 1 1   0 0 1 0 ½ 5.0 / 13
10 Louis Schmidt 0 0 0 0 0 0 0 0 1   1 1 1 1 5.0 / 13
11 John S Ryan 0 1 0 ½ 0 0 0 ½ 1 0   0 1 1 5.0 / 13
12 Nicolai Jasnogrodsky 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1   1 1 4.0 / 13
13 Edward Olly 0 1 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0   ½ 3.5 / 13
14 George Hatfeild Gossip 0 0 0 ½ 0 1 0 0 ½ 0 0 0 ½   2.5 / 13

Nicht nur im Damengambit probierte es Albin mit Bauernopfern in der Eröffnung. So spielte er 1890 beim Kolisch-Gedenkturnier in Wien gegen Adolf Csank nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.Lg5 Le7 5.e5 Sfd7 den Zug 6.h4!?, mit dem Weiß ein Bauernopfer anbietet. Die Partie nahm einen wechselhaften Verlauf und am Ende konnte sich Albin mit einem Patttrick und sehr viel Glück in Verluststellung in ein Remis retten.

 

Bekannt gemacht hat das Bauernopfer 6.h4!? jedoch ein Anderer: Alexander Aljechin. Er gewann mit 6.h4 1914 beim Turnier in Mannheim eine eindrucksvolle Partie gegen den Schweizer Hans Fahrni. In seinen Kommentaren erwähnt Aljechin „leichte Partien“ des französischen Amateurs Eugène Chatard und „Partien von Adolf Albin in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts“ aber als man der Variante einen Namen gab, fiel Albins Beitrag unter den Tisch. Und so kennt man das Abspiel nach 6.h4 heute als Aljechin-Chatard-Angriff.

 

Albin hat die Eröffnungstheorie bereichert und veröffentlichte 1872 unter dem Titel Amiculu Jocului de Schach das erste Schachbuch in rumänischer Sprache, ein Eröffnungstheoretiker scheint er jedoch nicht gewesen zu sein. Aber ein gefährlicher Spieler, der gegen jeden gewinnen konnte. So beendete Albin beim DSB-Kongress 1892 in Dresden eine Serie Tarraschs, der lange Zeit keine einzige Partie verloren hatte.

Dr. Siegbert Tarrasch

Um eine originelle Erklärung für die Ursache dieser Niederlage war Tarrasch nicht verlegen. So schreibt er in seinen Dreihundert Schachpartien über das Turnier in Dresden im Allgemeinen und seine Partie gegen Albin im Besonderen:

"[I]ch war etwas überarbeitet und fühlte mich sehr abgespannt. So kam es, daß mir in den ersten Partien fast jeder einzelne Zug unsäglich schwer fiel, und daß ich nach Schluß der ersten Turnierwoche nicht gerade sehr günstig stand. Ich hatte von den neun Partien nur drei gewonnen, fünf remis gemacht und eine, gegen Albin, sogar verloren, die erste seit dem Turnier zu Breslau, was ein für mich sehr schmeichelhaftes Aufsehen erregte. Ich hatte ganz arglos eine weniger bekannte Variante aus dem Bilguerschen Handbuch gespielt, mein Gegner aber kannte sie nicht und erlaubte sich deshalb an einer Stelle statt des buchgemäßen schwachen einen viel stärkeren Zug zu tun, der ihn in Vorteil brachte, so daß ich durch mein gutes Gedächtnis und seine Unkenntnis die Partie verlor." (Dr. Siegbert Tarrasch, Dreihundert Schachpartien: Ein Lehrbuch des Schachspiels für geübte Spieler, Jens-Erik Rudolph Verlag, Hamburg 2012, S. 244. Nachdruck der dritten Auflage von 1925.)

Ein Grund für Tarraschs Niederlage war allerdings auch das starke Spiel seines Gegners.

 

Albin starb am 1. Februar 1920 in Wien.


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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