Master Class Band 5: Emanuel Lasker
Auf dieser DVD zeigen unsere Autoren alle Facetten des Spiels von Emanuel Lasker, der von 1884 bis 1921 Weltmeister war, länger als jeder andere vor oder nach ihm: Eröffnungen, Strategie, Taktik und Endspiele!
Im Lasker-Jahr 2018 liegt es nahe, ein Blick auf die 100 Prozent-Ergebnisse des einzigen deutschen Schachweltmeisters zu werfen.
Der englisch-sprachigen Wikipedia zufolge war das erste Turnier, das der 1868 in Berlinchen, dem heutigen Barlinek in Polen, geborene Emanuel Lasker je gespielt hat, das Kaiserhof-Turnier in Berlin. Laut Online-Enzyklopädie gewann Lasker mit 20 Punkten aus 20 Partien. Aber die Partien dieses Turniers sind nicht überliefert und in der Übersicht von Laskers Turnier- und Wettkampfergebnissen in der großen Lasker-Monographie Emanuel Lasker: Denker, Weltenbürger, Schachweltmeister (herausgegeben von S. Forster, S. Hansen, M. Negele, Excelsior Verlag 2009) wird das Turnier im Café Kaiserhof nicht berücksichtigt, und auch in dem Eintrag über Lasker in der deutschsprachigen Wikipedia (aufgerufen am 12. Juni 2018) fehlt das Ergebnis des Kaiserhof-Turniers.
Für die Lasker-Monographie und die deutschsprachige Wikipedia beginnt Laskers Turnierkarriere mit seinem Start im Hauptturnier des Schachkongress des Deutschen Schachbundes in Breslau 1889. Lasker gewann mit 7 Siegen und 2 Remispartien. Nur fünf Jahre später, 1894, spielte Lasker gegen Wilhelm Steinitz um die Weltmeisterschaft und wurde mit einem 12-7 Sieg zweiter Weltmeister der Schachgeschichte. Vor dem WM-Kampf gegen Steinitz kümmerte sich Lasker um sein Selbstvertrauen und strebte in etlichen Wettkämpfen und einem Turnier nach dem perfekten Ergebnis.
Das begann 1892 mit einem 5-0 Wettkampfsieg gegen den englischen Meister Henry Edward Bird (1830-1908). Bereits zwei Jahre zuvor, 1890, hatten Bird und Lasker einen Wettkampf gespielt, den Lasker mit 8,5-3,5 klar für sich entschied. Zwei Jahre später war die Diskrepanz in der Spielstärke noch deutlicher und der sehr viel ältere Bird holte nicht ein einziges Remis.
Kurze Zeit nach dem Sieg gegen Bird reiste Lasker in die USA, wahrscheinlich, weil er Steinitz zu einem Kampf um die Weltmeisterschaft herausfordern und das dafür notwendige Preisgeld auftreiben wollte. Bald nach seiner Ankunft spielte Lasker einen Wettkampf gegen den amerikanischen Meister Jackson W. Showalter. Der Wettkampf war in zwei Teile geteilt – die erste Hälfte wurde im Dezember 1892 in Komoko gespielt, die zweite Hälfte im April 1893 in Logansport. Das Endergebnis lautete 6,5-2,5 für Lasker, der vor allem in der zweiten Matchhälfte aufdrehte und die letzten vier Partien des Wettkampfs gewinnen konnte.
Zwischen den beiden Wettkampfhälften gönnte sich Lasker noch einen Abstecher nach Kuba, wo er drei kurze Wettkämpfe gegen kubanische Meister spielte. Gegen Celso Golmayo Zúpidé gewann Lasker mit 2,5-0,5, gegen Andreas Clemente Vasquez vermutlich mit 3,5-0,5 (die Notation der vierten und letzten Partie des Wettkampfs, die Remis ausgegangen sein soll, ist nicht überliefert) und gegen Albert Ponce mit 2-0.
Nach seiner Rückkehr in die USA führte Lasker das Match gegen Showalter erfolgreich zu Ende und schickte Steinitz eine offizielle Herausforderung zu einem Kampf um die Weltmeisterschaft.
Während die Verhandlungen mit Steinitz um die Bedingungen eines solchen Wettkampfs liefen, spielte Lasker Anfang September 1893 einen Wettkampf gegen den aus Österreich stammenden Alfred K. Ettlinger. Ein offizieller Wettkampf war das jedoch nicht, denn Lasker spielte mit „Vorgabe“ – Remispartien wurden als Sieg für Ettlinger gewertet. Allerdings kam diese Regel nie zur Anwendung, denn Lasker gewann alle fünf Partien des Wettkampfs und siegte mit 5-0.
Das Match gegen Ettlinger war der letzte Wettkampf, den Lasker vor seinem WM-Kampf gegen Steinitz gespielt hat. Das letzte Turnier, das Lasker vor seinem WM-Kampf gegen Steinitz gespielt hat, war das so genannte Impromptu Turnier 1893 in New York. Seinen Namen verdankt dieses Turnier dem Umstand, dass bei der Organisation improvisiert wurde. Eigentlich war geplant, in New York den 7. American Chess Congress zu spielen, der nach dem Hauptsponsor Columbian Chess Congress genannt werden sollte. Doch am 20. September 1893 meldete der Brooklyn Daily Standard Union:
Die Absage des Columbian Chess Congress, die erfolgte, weil das Komitee nicht in der Lage war, mehr als $2.800 zusammenzubringen, hat eine Reihe prominenter europäischer Spieler in New York in eine unangenehme Situation gebracht; sie sind mit großen Kostenaufwand in dieses Land gereist, und manche von ihnen werden Schwierigkeiten bei der Rückkehr haben. Damit ihre Reise zumindest ein Ergebnis hat, wurde gestern Abend im Manhattan Chess Club ein Projekt ins Leben gerufen, um ein Turnier zu organisieren, dessen Preisgeld sich nach dem richtet, was aufgebracht werden kann.
Das Projekt hatte Erfolg und am 30. September begann das Turnier. Aber die „prominenten europäischen Schachspieler“ konnten Lasker nichts entgegensetzen: er gewann mit 13 Punkten aus 13 Partien.
Rg. | Name | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | Pkt. |
1 | Emanuel Lasker | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 13.0 / 13 | |
2 | Adolf Albin | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | ½ | 0 | 1 | 0 | 1 | 0 | 1 | 8.5 / 13 | |
3 | Jackson Whipps Showalter | 0 | 0 | ½ | 1 | 1 | 0 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 0 | 1 | 8.0 / 13 | |
4 | Eugene Delmar | 0 | 0 | ½ | ½ | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | ½ | 8.0 / 13 | |
5 | Francis Joseph Lee | 0 | 0 | 0 | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | 8.0 / 13 | |
6 | James Moore Hanham | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 7.5 / 13 | |
7 | Harry Nelson Pillsbury | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 7.0 / 13 | |
8 | Jean Taubenhaus | 0 | ½ | 0 | 0 | ½ | ½ | 0 | 0 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 6.0 / 13 | |
9 | William Henry Kraus Pollock | 0 | 1 | ½ | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 | 0 | ½ | 5.0 / 13 | |
10 | Louis Schmidt | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 5.0 / 13 | |
11 | John S Ryan | 0 | 1 | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | ½ | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 | 5.0 / 13 | |
12 | Nicolai Jasnogrodsky | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 1 | 4.0 / 13 | |
13 | Edward Olly | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | ½ | 3.5 / 13 | |
14 | George Hatfeild Gossip | 0 | 0 | 0 | ½ | 0 | 1 | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | ½ | 2.5 / 13 |
Dabei scheint Lasker es gar nicht auf ein perfektes Ergebnis angelegt zu haben: seine Partien wirken locker und er spielt keineswegs verkrampft auf Sieg. Typisch dafür ist sein Sieg gegen Jean Taubenhaus in Runde 9.
Es bisschen Glück hatte Lasker natürlich auch. Zum Beispiel gegen seinen späteren Rivalen Harry Nelson Pillsbury, der in New York 1893 erste Schritte in der internationalen Turnierarena unternahm.
Harry Nelson Pillsbury
Gleich nach Ende des Turniers feierte Lasker einen weiteren kleinen Triumph. Bei der Abschlussveranstaltung forderte der bekannte Problemkomponist Sam Loyd die versammelten Meister zu einem Lösewettbewerb auf und präsentierte ihnen folgende Aufgabe:
Weiß zieht und setzt in drei Zügen Matt
Lasker fand die Lösung am schnellsten: er brauchte 35 Minuten, fünf Minuten weniger als Pillsbury.
Der Auftaktzug lautet 1.Te1. Schwarz hat dann eine Reihe von Möglichkeiten und in der Hauptvariante 1...dxe1D setzt Weiß mit 2.Sd6+ Kb3 3.Ld5# Matt.
Der Wettkampf gegen Steinitz begann im März 1894 und bis dahin spielte Lasker noch eine Reihe von Simultanpartien, aber keine Wettkämpfe und keine Turniere mehr. Vielleicht wollte er sich seine makellose Bilanz nicht verderben. Tatsächlich hatte Lasker die letzten 22 Turnier- und Wettkampfpartien, die er vor dem Titelkampf gegen Steinitz gespielt hat, alle gewonnen (die letzten 4 Partien im Wettkampf gegen Showalter, 5 gegen Ettlinger und 13 beim New Yorker Turnier).
Lasker gewann auch den WM-Kampf gegen Steinitz mit 12-7 und wurde neuer Weltmeister. Er behielt den Titel 27 Jahre lang und verlor ihn erst 1921 an Capablanca. Bis ins hohe Alter erzielte Lasker hervorragende Turnierergebnisse und ihm gelangen immer wieder beeindruckende Siegesserien. Aber im Turnier in New York 1893 gewann er das letzte Mal in seiner langen Laufbahn mit einem 100-Prozent-Ergebnis.