Russisches Superfinale in St. Petersburg: Entscheidungen in Stichkämpfen
Spannender hätte es bei den beiden russischen Superfinals in St. Petersburg 2017 nicht kommen können: Bei den Herren standen die beiden St. Petersburger Peter Svidler und Nikita Vitiugov nach 11 Runden mit jeweils 7 Punkten auf dem geteilten ersten Platz und mussten in den Schnellschachentscheid (2 Partien 15 Minuten + 10 Sekunden). Dasselbe im Damenturnier: Alexandra Goryachkina und Natalia Pogonina kamen nach elf Runden ebenfalls auf jeweils 7 Punkte und auch hier folgte ein spannendes Stechen mit verkürzter Bedenkzeit.
Winter in St. Petersburg. Mehr Fotos in der Gallerie (Foto: Eteri Kublashvili)
Svidler gewann die erste Partie mit den schwarzen Steinen, nachdem Vitiugov sich in einer ausgeglichen Stellung mit wenigen Sekunden auf der Uhr verrechnet hatte und wähnte, durch ein verfehltes Springeropfer Dauerschach sicherzustellen. Nachdem er seinen Fehler bemerkt hatte, gab er sofort auf. Die zweite Partie verlief sehr einseitig. Svidler spielte von der Eröffnung aus auf Sicherheit und Vitiugov sah sich gezwungen, die Stellung mit einem inkorrekten Bauernopfer zu verkomplizieren. Die Folge war ein überraschend schneller Zusammenbruch nach nur 18 Zügen. Abonnementsieger Svidler errang somit seinen achten Titel bei den Russichen Landesmeisterschaften und verbesserte seinen bisherigen Rekord (niemand hat mehr Titel errungen) noch weiter.
Die 19-jährige Alexandra Goryachkina aus der nordsibirischen Stadt Salechard besiegte die gebürtige Wladiwostokerin Pogonina in zwei sehr umkämpften Partien ebenfalls mit 2-0. Die hochtalentierte Jungmeisterin wiederholte somit ihren Überraschungserfolg aus dem Jahr 2015, dem wohl in künftigen Jahren noch einige weitere folgen werden.
Russische Meisterschaften im Museum für politische Geschichte (Foto: Eteri Kubblashvili)
Die Offene Meisterschaft
Svidler zeigte einmal mehr seine kolossale Extraklasse, als er es nach einem schlechten Start die Nerven behielt und in der zweiten Turnierhälfte alles wieder wettmachte. Entscheidend dafür waren seine Siege in den zwei Schlussrunden gegen Fedoseev und Malakhov, zwei seiner direkten Konkurrenten um den Titel. Damit holte er die Führungsgruppe ein und sicherte sich schließlich den Stichkampf gegen seinen Großmeisterkollegen Vitiugov.
Maxim Matlakov und Peter Svidler(Foto: Boris Dolmatovsky)
Vitiugov spielte ein starkes und solides Turnier. Als einziger blieb er ungeschlagen und holte drei entscheidend wichtige Siege gegen Fedoseev, Romanov und Volkov, die ihn in den beiden letzten Runden, dank günstiger Ergebnisse in den übrigen Begegnungen, in die Spitzengruppe beförderten. Der 30-jährige wartet noch auf seinen ersten Landesmeistertitel.
Der Generationswechsel, der sich nach den ersten Runden anzukündigen schien, als Fedoseev und Dubov, die beiden jüngsten Teilnehmer auf beeindruckende Weise die Führung in der Tabelle übernahmen, muss noch etwas verschoben werden. Der 22-jährige Fedoseev, der stets kompromissloses Schach lieferte, konnte das Tempo nicht fortsetzen, mit dem er das Turnier begann. In der zweiten Turnierhälfte warfen ihn Niederlagen gegen Vitiugov und Svidler aus seiner Führungsposition, die er lange Zeit über innehatte. Schließlich kann er auf 6½ Punkte, die ihm nach Wertung den vierten Platz garantierten.
Überholt hat Fedossev sein um ein Jahr jüngerer Kollege Daniil Dubov, der ebenfalls 6½ Punkte erreichte, nach Wertung (die höhere Anzahl Schwarzsiege entschied) aber den dritten Platz zugesprochen bekam.
Es folgt mit 6 Punkten (geteilter 5.-7. Platz) eine Dreiergruppe von Topleuten: Tomashevsky, Malakhov und Riazantsev. von denen Tomashevsky, Europameister von 2009 und Russischer Meister des Jahres 2015, sich sicherlich eine bessere Platzierung ausgerechnet hatte. Er gewann zwei Partien (gegen Dubov und Volkov), unterlag lediglich Fedoseev, remisierte dann aber zu oft. Malakhov spielte etwa seinen Erwartungen entsprechend, der Titelverteidiger Riazantsev (er siegte etwas überraschend im Vorjahr) dürfte sich ebenfalls mehr versprochen haben, doch lag sein Ergebnis letztendlich ebenfalls im Rahmen seiner Eloerwartungen.
Auf dem geteilten 8.-9. Platz (je 5 Punkte) fanden sich Inarkiev und der 24-jährige kalmückische Superstar Sjugirov wieder. Für den Europameister von 2016, Inarkiev, kam das Turnier niemals richtig voran. Bis zur letzten Runde remisierte er alle seine Partien, aber stets nach langem Kampf, in welchem er seinen Siegeswillen zwar beweisen, aber nicht befriedigen konnte. Seine 140-zügige Seeschlange gegen Tomashevsky aus der vorletzten Runde, in der er mit zwei Springern gegen König und zwei Bauern vergeblich dem Gewinn nachjagte, kostete ihn wohl am Ende mehr, als er einzusetzen glaubte.
In der letzten Runde, die zwei Stunden früher als die vorherigen begann, zeigte sich für ihn dann, wie wertvoll ihm die Energie, die er am Tag zuvor verschleudert hatte, zustatten gekommen wäre. Seine Niederlage gegen Dubov muss seiner Erschöpfung zugeschrieben werden – tatsächlich hatte Inarkiev eine Gewinnstellung erreicht, für deren Verwertung ihm aber die letzte entscheidende Kraft abging. Nach einer unvermeidlichen Schwächephase kippte die Partie und Dubov ließ sich den Punkt nicht mehr nehmen.
Die Preisträger (Foto: Boris Dolmatovsky)
ChessBase Magazin 181
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Ergebnisse der 8. Runde
Ergebnisse der 9. Runde
Ergebnisse der 10. Runde
Ergebnisse der 11. Runde
Partien von Runde 1 bis 11
Stand nach 11 Runden
Partien des Stichkampfes
Die Frauenmeisterschaft
Bei den kampfeslustigen Damen blieb niemand ungeschlagen. Die Siegerin Alexandra Goryachkina verlor sogar zwei Mal, hatte allerdings mit fünf Siegen die meisten Einsen in der Tabelle eingetragen bekommen. Ihre Stichkampfgegnerin Natalia Pogonina und diesjährige Vizemeisterin erreichte ein solideres Ergebnis, verlor nur einmal und holte ebenfalls 7 Punkte.
Natalia Pogonina (Foto: Boris Dolmatovsky)
Auf Platz drei landete Großmeisterin Alina Kashlinskaya, die ebenso viele Punkte erreichte wie Olga Girya (6½), allerdings mehr Schwarzsiege aufzuweisen hatte, darunter einen sehr wertvollen gegen die Turniersiegerin Goryachkina.
Enttäuscht von ihrer Platzierung dürfte vor allem die dreifache Landesmeisterin und zweifache Europameisterin Valentina Gunina sein, die gemeinsam mit Anastasia Bodnaruk Platz 5 und 6 (mit je 6 Punkten) teilte. Die letztgenannte indessen dürfte ihr Abschneiden zurecht als Erfolg werten.
Ebenfalls einem guten Eindruck hinterließ die 16-jährige Debütantin im Superfinale Polina Shuvalova. Gemeinsam mit Marina Nechaeva und Oksana Gritsaeva errang sie 5 Punkte (geteilter 7.-9. Platz).
Aleksandra Goryachkina (Foto: Boris Dolmatovsky)
Ergebnisse der 8. Runde
Ergebnisse der 9. Runde
Ergebnisse der 10. Runde
Ergebnisse der 11. Runde
Partien von Runde 1 bis 11
Stand nach 11 Runden
Pressechef Eteri Kublashvili, mit der russischen Geschicht im Rücken, informiert über die Turniere des Russischen Schachverbandes.
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