Aufregung bei der Schach-WM: Ein verräterisches Video

von Johannes Fischer
14.11.2018 – Die vierte Partie des WM-Kampfs zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana bot wenig Spannung und endete schnell mit Remis, aber Aufregung gab es beim WM-Kampf in London trotzdem. Dafür sorgte ein Video, das versehentlich Einblicke in Caruanas Eröffnungsvorbereitung gewährte. | Screenshot: Conrad Schormann

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Eröffnungsvorbereitung im Film

Aufgetaucht war das verräterische Video kurz vor Beginn der vierten Partie, ins Netz gestellt hatte es der Saint Louis Chess Club in seiner Sendung "Today in Chess". Eigentlich sollte das etwa dreiminütige Video zur Unterstützung von Caruana dienen und zeigt den Herausforderer im Trainingslager zusammen mit seinen Sekundanten Rustam Kasimdzhanov, Alejandro Ramirez und Christian Chirila. Doch beim Drehen des Videos war auch Caruanas Computer ins Bild gekommen und gab ungewollt Auskunft über Caruanas Eröffnungsvorbereitung. Zu sehen war eine Liste mit ChessBase-Dateien, sortiert nach Eröffnungsnamen und Eröffnungsideen: Einträge wie "Fianchetto Grünfeld, 6...dxc4 9.Sd4, verschiedene Optionen", "Damengambit Lf4 10.Td1 Te8" oder "Russisch 4.Sc3 ... 9...Sf6" usw.

Als man die Datenpanne bemerkt hatte, verschwand das Video schnell wieder von YouTube, aber da war der Schaden bereits angerichtet, denn Kopien der verräterischen Passage kursierten schnell im Internet.

Das Verhalten von Carlsen und Caruana während der Pressekonferenz nach der vierten Partie legt nahe, dass sie von dem Vorfall noch nichts wussten. Auf eine Frage nach dem Video verzichtete Caruana auf einen Kommentar, während Carlsen zunächst verblüfft wirkte, aber dann mit einem immer breiter werdenden Grinsen ankündigte, dass er sich dieses Video anschauen wird.

Doch wie groß ist der Schaden, der durch diese Datenpanne angerichtet wurde, tatsächlich? Dass Caruana Russisch und Grünfeld-Indisch spielt, wusste Carlsen bereits vor dem Wettkampf und auch das Abgelehnte Damengambit ist spätestens seit der zweiten Partie keine Überraschung mehr.

Aber unangenehm ist das Video für Caruana auf alle Fälle, denn eventuelle Überraschungen in den Varianten, die Carlsen dort sehen konnte, dürften jetzt keine großen Überraschungen mehr sein. Und natürlich ist es für Carlsen und seine Sekundanten gut zu wissen, dass Caruana sich Russisch und Grünfeld tatsächlich noch einmal sehr genau angeschaut hat. Abgesehen davon könnte diese Datenpanne für Verunsicherung und Ärger im Lager Caruanas sorgen, zumal das Video von Unterstützern und Fans von Caruana gemacht und veröffentlicht wurde.

Das Publikum kann die Angelegenheit neutraler sehen und sich damit trösten, dass diese Datenpanne von der dann doch recht inhaltsleeren vierten Partie und dem vierten Remis in Folge ablenkte.

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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