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Rezension von Christian Hesse
Dagobert Kohlmeyer: Bobby Fischer – Genie zwischen Ruhm und Wahn
Joachim Beyer Verlag 2013; ein Imprint des Schachverlag Ullrich, Zur Wallfahrtskirche 5, 97483 Eltmann; Festeinband mit Fadenbindung; 19,80 €
Dagobert Kohlmeyer ist der bekannteste Schachjournalist im deutschsprachigen Raum und einer der fleißigsten. Jetzt hat er ein Buch über Bobby Fischer vorgelegt. Um es gleich vorweg zu sagen: Es ist ein großartiges Buch: facettenreich, spannend, teils tiefschürfend – teils locker erzählend, fehlerkorrigierend, klischeeabbauend und im unnachahmlichen Stil des Autors so geschrieben, dass das Lesen zum Genuss wird.
Mit diesem Buch wird das Leben des vielleicht größten, sicherlich aber faszinierendsten Schachspielers aller Zeiten durchmessen. Fischer war eine schillernde Figur mit großartigen Licht- aber auch gravierenden Schattenseiten. Beides, das Positive und das Negative seiner Persönlichkeit, wird im Buch herausgearbeitet. Fischer war einerseits auf geniale Weise extrem im Schach und andererseits auf erschreckende Weise extrem außerhalb des Schachs. Experten haben ihn als schizoid bezeichnet, ausgestattet mit übergroßer Ich-Bezogenheit und ausgeprägtem Verfolgungswahn. Manche seiner Meinungen konnte man nicht nur nicht teilen, sondern musste sie verabscheuen. So leugnete er etwa den Holocaust und applaudierte den Terroristen des 11. September.
Mit dieser ihm eigenen Mischung aus Fähigkeit und Exzentrizität schaffte es Fischer, Schach immer zu etwas Besonderem zu machen, er musste sich nur ans Brett setzen. Seiner Aura konnten sich auch jene nicht entziehen, die einen etwas entfernteren Bezug zum Spiel hatten. Das Buch geht auch der Frage nach, warum das so war.
Für mich war es Fischers 1972er Wettkampf gegen Spasski in Reykjavik, der die Grundlage für mein bis heute anhaltendes Interesse für das Schach in zahlreichen seiner Facetten legte, von Kunst und Wissenschaft bis Sport, Spiel und Spannung . Weltweit nahmen viele Menschen, und nicht nur Schachfans, an diesem Ereignis Anteil. Ein solches Echo fand dieser Zweikampf, dass die Berichterstattung über die Geschehnisse auf einer kleinen europäischen Insel in der New York Times zeitweise die Meldungen über den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf auf Seite 2 verwies. Es war die Goldene Ära des Schachs. Es war das, was Bobby Fischer mitnahm, als er ging.
Vorausgegangen war die aus heutiger Sicht nur als monumentaler Fehler zu bezeichnende Entscheidung der FIDE, Fischer 1975 den Weltmeistertitel abzuerkennen. Natürlich war die Entscheidung formal korrekt, bewirkte aber, dass die Schachwelt auf Jahrzehnte dem ausgefallenen Match zwischen Fischer und Karpow nachtrauerte. Ein Match, das laut Anatoli Karpow nicht normal hätte enden können „Entweder sie schleppen mich ins Krankenhaus oder ihn ins Irrenhaus.“ Das ist sicher übertrieben, zeigt aber doch, welch epische Titanenschlacht auch er erwartete.
Viele Weggefährten Bobby Fischers und andere, am Schachgeschehen Beteiligte kommen im Buch zu Wort und liefern auch bisher noch unbekannte Details, interessante Einschätzungen, unterhaltsame Episoden aus dem Leben Fischers im und außerhalb des Schachs. Das Buch profitiert hier enorm davon, ja es gibt ihm ein Alleinstellungsmerkmal, dass sein Autor mit den meisten herausragenden Persönlichkeiten des Schachs der letzten Jahrzehnte bekannt ist oder war, mit vielen sogar befreundet. So hat er auf dem kurzen Dienstweg oft leichten, jedenfalls aber überhaupt Zugang zu Personen, die über Bobby Fischer Lesenswertes beizutragen vermögen.
Zudem scheut sich D. Kohlmeyer bei Interviews nicht, fernab ausgetretener Pfade, unkonventionelle Fragen zu stellen. All das macht das Buch zu einem echten Kohlmeyer. Die Persönlichkeit des Autors schimmert an vielen Stellen erfreulich durch, da auch einige seiner Erlebnisse zur Sprache kommen.
Nach dieser Einschätzung, hier noch ein paar Fakten zum Buch im Kurzdurchlauf: Es enthält 48 Kapitel auf 190 Seiten, 51 Abbildungen in Schwarz/Weiß, 8 vollständige Partieanalysen von Fischers Partien gegen Byrne, Tal, Benkö. Petrosjan und Spasski, teils mit den immer lehrreichen Anmerkungen von Artur Jussupow.
Ferner gibt es ausführliche Interviews mit Fischer Biograph Frank Brady, dem kürzlich verstorbenen Fischer-Freund und Schachschiedsrichter des Jahrhunderts Lothar Schmid, dem Matchdirektor beim Fischer-Comeback Janos Kubat, Ex-FIDE-Präsident Fridrik Olafsson, sowie weitere Gespräche mit zahlreichen Zeitzeugen wie Jewgeni Wasjukow, Vlastimil Hort, Juri Awerbach, Anatoli Karpov nebst einschlägiger O-Töne von Viswanathan Anand, Peter Leko, Boris Spasski u.a.
Obwohl ich bereits viel über Fischer gelesen habe, konnte ich dennoch manches hinzulernen und fand insbesondere die Darstellung von Fischers Jahren im Untergrund, die Informationen über seine Mutter und Herbert Bastians erstaunliche Funde über Fischers berühmten und bisher als Patzer in die Schachgeschichte eingegangenen Läuferzug gegen Spasski faszinierend, um nur einmal drei Aspekte zu benennen.
Letztlich gilt gerade auch bei Bobby Fischer der Satz des Autors in seinen Danksagungen am Ende des Buches: „Selbst wenn man sich viele Jahre mit Bobby Fischer beschäftigt hat, überrascht er einen immer wieder aufs Neue. Ganz ergründen wird man das Wirken des 11. Weltmeisters der Schachgeschichte wohl nie.“
Diese Sätze münden in die letzten Worte des Autors im Buch: „Bobby, see you later.“
Sie sind berührend und sagen viel auf einmal.
Der Autor dieser Rezension ist seit 1991 Professor für Mathematik an der Universität Stuttgart. Neben wissenschaftlichen Publikationen, Mathematik-Lehrbüchern und populärwissenschaftlichen Werken über die Mathematik und das Denken schrieb er den mittlerweile ins Englische und Spanische übersetzten Schachbestseller: „Expeditionen in die Schachwelt“. Im August 2013 erscheint sein Buch „Was Einstein seinem Papagei erzählte“, das die humorvolle Seite der Wissenschaften beleuchtet. Im November 2010 konnte er Weltmeister Anand in Zürich bei einer stark umkämpften Simultan-Partie ein Remis abringen, wobei der Weltmeister bei materiellem Nachteil einen Weg zum Dauerschach fand.