Bundesliga: Da waren's nur noch Null...<br>

von ChessBase
10.10.2007 – Der Leiter der Schachabteilung des SV Werder Bremen, Till Schelz-Brandenburg, hat sich unter dem Titel "Deutsche Spieler in der Bundesliga auf der Roten Liste?" jüngst der Thematik der immer kleiner werdenden Anzahl deutscher Spieler in der Bundesliga angenommen. Till Schelz-Brandenburg hält in seiner Glosse einen gewissen Anteil von ausländischen Spielern zur Verwirklichung von ehrgeizigen sportlichen Zielen für unumgänglich, fragt aber, welchen Sinn es macht, ausländische Spieler in deutschen Mannschaften einzusetzen, wenn diese die Deutschen an sportlicher Qualifikation nicht übertreffen. Tatsächlich sind in der kommenden Saison nur noch 35 Deutsche von insgesamt 128 Spielern in den Top acht der Mannschaften der Ersten Liga gemeldet. Drei Vereine kommen überhaupt ohne deutsche Spieler unter den Top acht aus. Ein Trend, der sich auch schon in den Zweiten Ligen fortsetzt. Das Thema wird seit Jahren zu Beginn jeder Saison erneut diskutiert. Wir fragen nun die deutschen Schachfreunde: Sollen mehr Deutsche in der Bundesliga spielen? Oder ist Spielstärke das einzig entscheidende Kriterium? Ihre Meinung zählt! Zur Umfrage...

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Bundesliga: Die Internationale deutsche Mannschaftsmeisterschaft...?
Von André Schulz

Die Deutsche Bundesliga hat die liberalste Ausländerregelung aller Ligen. Nicht nur, dass Schachspieler in beliebiger Anzahl aus EU-Ländern gemeldet werden dürfen, auch in Bezug auf Länder außerhalb der EU gibt es keinerlei Einschränkungen mehr. In früheren Zeiten gab es noch eine Beschränkung auf zwei Ausländer, die in einer Mannschaft zum Einsatz kommen durften. Im Dezember 1995 fällte der Europäische Gerichtshof nach Anrufung durch ein belgisches Gericht das berühmte Bosman-Urteil, in dem Profifußballer mit anderen Arbeitnehmern gleich gestellt wurden. Gleichzeitig wurde das damals im Fußball übliche System, auch nach Vertragsende Ablösesummen zu fordern, als rechtswidrig beurteilt.

Auf dem Kongress des Deutschen Schachbundes Bad Segeberg 1996 wurde beschlossen, das Bosmann-Urteil mit der Saison 1996/97 auch für die Schachbundesliga umzusetzen, nachdem der Bundesligist PSV Duisburg durch Meldung von drei Ausländern einen Präzedenzfall geschaffen hatte. Im Jahr 2004 erlaubte der Deutsche Schachbund beliebig viele Ausländer auch aus Ländern außerhalb der EU, um "die Diskriminierung von Nicht-EU-Bürgern" zu beenden.

Seitdem vergrößert sich sukzessive der Anteil ausländischer Spieler in der Bundesliga, der Anteil der deutschen Spieler wird damit korrespondierend von Jahr zu Jahr geringer. In der kommenden Saison sind nur noch 35 der 128 für die Bretter eins bis acht gemeldeten Spieler Deutsche, genauer: in der deutschen Eloliste als Deutsche geführt. Der Trend setzt sich auch in die unteren Ligen fort. Selbst in den Zweiten Ligen gibt es schon sechs Mannschaften, die mit nur einem einzigen deutschen Spieler in den Top Acht auskommen.

Die Kritiker dieser Entwicklung sehen die Identität des Mannschaftsturniers als Deutsche Bundesliga bzw. nationale Mannschaftsmeisterschaft allmählich verloren gehen. Die Verteidiger bzw. Verwalter der gegenwärtigen Regelung verweisen achselzuckend auf das Bosman-Urteil und dessen juristischen Vorgaben. Bisher ist jedoch noch nicht eindeutig geklärt, ob die im Bosman-Urteil erfolgte Gleichstellung eines fest angestellten Profifußballers mit anderen fest angestellten Arbeitnehmern innerhalb der EU in Bezug auf freie Wahl des Arbeitsplatzes überhaupt mit der Situation im Schachligabetrieb vergleichbar ist. Im Schach gibt es z.B. keine fest angestellten Arbeitnehmer.

Verantwortlich für den Trend, mit immer mehr Ausländern zu spielen, sind die Vereine, die entweder versuchen, mit möglichst spielstarken internationalen Stars um die Meisterschaft zu kämpfen, oder aber mit kostengünstigen Ausländern und möglichst geringem finanziellen Aufwand am Spielbetrieb der Bundesliga teilzunehmen. Eine gemeinsame Linie, ein gemeinsames Ziel und eine Vorgabe durch die Leitung der Bundesliga gibt es nicht. Früher der Verband, nun dessen Nachfolger für die Erste Bundesliga, die Bundesliga e.V., verwaltet nur den Status Quo und scheint zu keiner gemeinsamen Willensbildung in die eine oder oder die andere Richtung fähig. Die einzelnen Verein argumentieren dabei jeweils nur aus ihrer aktuellen Bedarfssituation. Da die Bundesliga e.V. sich jedoch in die Satzung geschrieben hat, das deutsche Schach fördern zu wollen, muss sie sich fragen lassen, inwieweit eine Liga, in der die deutschen Spieler zunehmend in der Minderheit sind, diesem Ziel dienlich ist.

Während in einer Reihe europäischer Ligen Regelungen mit einem festgelegten Anteil einheimischer Spieler, sogar mit Frauen- und Jugendbrettern, einvernehmlich möglich ist, trudelt die Bundesliga mit vielen divergierenden Kräften ohne zentrale Steuerung in einem sich verselbständigten Trend hier ebenso vor sich hin, wie in anderen Fragen des Spielbetriebs (Gruppeneinteilung, zentrale Endrunden, Anzahl der Auf- und Absteiger, Spieltermine, etc.) auch.

Das Phänomen von Sportmannschaften, die außer dem Namen und vielleicht der Führung immer weniger lokale Identität besitzen, ist bekanntlich flächendeckend. Einige Sportverbände haben deshalb Regelungen für ihren Geltungsbereich durchgesetzt (ohne übrigens juristisch bedroht worden zu sein).

In der deutschen Fußball-Bundesliga ist der Ausländeranteil zumindest in den Kadern von 60% (2003) auf 37% (2007) zurück gegangen, nachdem die Liga beschlossen hat, dass jede Mannschaft mindestens acht "Local Players" in ihrem Kader haben soll. FIFE-Präsident Blatter hat kürzlich angekündigt, eine Quote von 6:5 pro Mannschaft auch gegen die EU durchsetzen zu wollen, also 6 nationale Spieler in jeder Mannschaft zur Pflicht zu machen. Damit soll laut Blatter u.a. eine höhere Identifikation zwischen Klubs und Fans gewährleistet und die Chancen für Talente erhöht werden. "Auch die Nationalmannschaften profitieren davon, wenn weniger Ausländer in der Liga spielen," so Blatter. Im Fußball werden zudem die Finanzen der Klubs entlastet, wenn der eigene Nachwuchs vermehrt zum Zuge kommt. Gilt das nicht alles auch fürs Schach?

Tatsächlich hat Deutschland in Bezug auf das Spitzenschach seit Langem den Anschluss verloren. Dr. Robert Hübner, inzwischen bald 60 Jahre alt, führt nach wie vor als bester in Deutschland geborene Spieler die nationale Rangliste an. Während im Jugendschach deutsche Talente noch einigermaßen mit der Spitze mithalten können, geben die meisten beim Übergang in ein mögliches Profitum mangels finanzieller Perspektive auf. Nationale Spitzenspieler und Idole hätten jedoch ohne Zweifel große Auswirkungen auf die Popularität des Schachsportes in Deutschland. 

Umfrage:

Wir fragen: Sind Sie als Schachfan mit der gegenwärtigen Situation in der Bundesliga zufrieden? Finden Sie es richtig, dass ausländische Spieler Deutschen vorgezogen werden, weil sie entweder kostengünstiger spielen oder aber spielstärker sind? Oder würden Sie sich lieber mehr einheimische Spieler oder deutsche Talente in den Mannschaften wünschen? Soll die Bundesliga mit ihren Vereinen der Förderung des deutschen Nachwuchses dienen, indem sie Spielmöglichkeiten und finanzielle Angebote bietet? Gibt es noch andere wichtige Aspekte, die in der Einleitung nicht zur Sprache kamen?

Ihre Meinung zählt!

Schicken Sie uns ihre Argumente Pro oder Contra per eMail zu - Adresse: umfrage@chessbase.de

Eine repräsentative Auswahl der eingegangenen Leserbriefe zu diesem Thema werden wir in Kürze hier veröffentlichen (Kürzungen vorbehalten)

Unter allen namentlich gekennzeichneten Einsendungen, die bis zum 20.Oktober 2007 eingegangen sind, verlosen wir drei Fritz9-Programm mit Kasparov-Autogramm. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
 

 


Statistik 2007/2008:

1.Liga: Top acht Vergleich

0 deutsche Spieler in den Top acht Baden-Baden,  Remagen, Trier
1 deutschen Spieler Wattenscheid, Mülheim-Nord, Eppingen, Zehlendorf
2 deutsche Spieler Bremen, Tegernsee
3 deutsche Spieler Solingen, Godesberg, Katernberg
4 deutsche Spieler Hamburg, Kreuzberg
5 deutsche Spieler Bindlach, Erfurt

35 deutsche Spieler von 128 in den Top Acht

1.Liga: Top 14 Vergleich

2 deutsche Spieler in den Top 14 Trier
4 deutsche Spieler Baden-Baden, Remagen
5 deutsche Spieler

Mülheim Nord, Bremen

6 deutsche Spieler Zehlendorf
7 deutsche Spieler Wattenscheid, Solingen, Katernberg, Tegernsee, Eppingen
8 deutsche Spieler Bindlach, Godesberg
9 deutsche Spieler Kreuzberg, Hamburg
11 deutsche Spieler Erfurt

106 deutsche Spieler  von 224 Spielern der Top 14

Zweite Liga

Die Vereine mit weniger als 50% Deutsche in den Top acht in den Zweiten Ligen.

1 deutscher Spieler in den Top acht Bann (2.BL Süd), Schwegenheim (2.BL. Süd), Emsdetten (2.BL West), Plettenberg (2.BL West), Gerresheim (2.BL West), Passau (2. BL Ost)
   
3 deutsche Spieler Baden-Baden II (2.BL. Süd), Griesheim (2.BL West), Nickelhütte (2.BL Ost), Preetz (2.BL Nord)
   

 


Literatur:

Riedl, L. /Cachay, K.
Bosman-Urteil und Nachwuchsförderung
Auswirkungen der Veränderung von Ausländerklauseln und Transferregelungen auf die Sportspiele

Hofmann Verlag: Schorndorf 2002

ISBN: 3778009117

Preis: 25,80

http://www.uni-bielefeld.de/sport/arbeitsbereiche/ab_iii/literatur/bosman.html?__xsl=/templates/print.xsl

 

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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