Bundesligapremiere in der Römerstadt
Von Peter Schreiner
Trier wurde um 16 v.Chr. gegründet und ist damit die
älteste Stadt Deutschlands. Die Moselstadt war einige Zeit eine der
Residenzen der römischen Kaiser im Westen und bezieht ihren Bekanntsgrad vor
allem aus der Tatsache, dass eine Vielzahl von römischen Bauwerken noch gut
erhalten und eine touristische Attraktion ersten Ranges sind. Wer sich für
das römische Erbe der Stadt interessiert, findet unter
http://www.markaurel.de/augustatrever.htm einen exzellenten Überblick.
Trier bietet aber nicht nur ein geschichtsträchtiges
Ambiente oder guten Wein, seit kurzem gibt es in Trier auch Spitzenschach.
Der älteste Verein der Stadt, die SG Turm Trier 1877, spielt in
dieser Saison erstmalig in der ersten Schachbundesliga. Am 5./ 6 April war
es dann soweit und die Trierer Schachfans konnten sich auf das erste
Heimspiel ihrer Mannschaft in der Sporthalle der Trierer Universität freuen.
Da die Saison ja fast schon wieder beendet ist, wird sich mancher Leser, der
nicht so sehrt mit den Gegebenheiten der Liga vertraut ist, darüber wundern,
warum das erste richtige Heimspiel erst jetzt stattfindet. Um Kosten für
Fahrten und Übernachtungen der Spieler zu sparen, werden immer zwei
Spieltage an einem Wochenende ausgetragen. Zwei Mannschaften aus möglichst
nahe beieinander liegenden Städten spielen gemeinsam an einem der beiden
Heimatorte und treffen an einem Wochenende auf eine andere so genannte
"Reisegemeinschaft". Das spart den meist finanzschwachen Vereinen viel Geld
und für den Zuschauer hat es den Vorteil, dass er bei dieser
Organisationsform gleich eine doppelte Anzahl von hochklassigen Partien
mitverfolgen kann.
Reisepartner der Trierer ist der OSC Baden-Baden, der amtierende
deutsche Meister und wie man jetzt schon weiß, auch der kommende deutsche
Meister. Die Mannschaft von Baden Baden ist durchweg mit erstklassigen
Spielern besetzt. Für die Trierer Schachfan bot sich damit die einmalige
Gelegenheit, zahlreiche Spitzenspieler direkt in Aktion bewundern zu können.
Da Baden Baden am Spitzenbrett den aktuellen Weltmeister Anand und
den nach Meinung vieler Experten künftigen Weltmeister Magnus Carlsen
gemeldet hat, war der Besuch bei diesem Bundesligawochenende für den Trierer
Schachfan Pflicht. Ich persönlich war auf den Ablauf der Veranstaltung
gespannt, die für den Trierer Ausrichter ja eine Premiere in der höchsten
deutschen Spielklasse darstellt.
Rechtzeitig vor Rundenbeginn traf ich am Spielsaal ein
und war auf Anhieb begeistert von den exzellenten Spielbedingungen.

Eine sehr große, gut beleuchtete Halle mit viel Platz
für Spieler und Zuschauer. Direkt am Eingang war ein riesiges Buffet
aufgebaut, das von Guido Weissret, dem Inhaber des ersten Trierer
Schachcafes (Cafe Lecca am Hauptbahnhof ) gesponsert wurde.
Infos zum Cafe Lecca unter
http://de.chessbase.com/Home/TabId/176/PostId/305368

Guido Weissret

Genuss pur J
In der Regel sind Schachevents Treffs für Insider.
Daher war ich positiv überrascht von dem regen Zuschauerinteresse, in der
Halle und im geräumigen Foyer gab es reichlich Gelegenheit zum Fachsimplen
und Knüpfen neuer Kontakte.

Großes Zuschauerinteresse in Trier
Allerdings wurde die Vorfreude bei mir und zahlreichen
Besuchern durch die Tatsache gedämpft, dass weder Weltmeister Anand
noch GM Carlsen anwesend waren. Baden Baden trat ohne die beiden
Spitzenspieler an, die nach Auskunft des immer gut informierten Hans
Walter Schmitt nach anstrengenden Turnierverpflichtungen einfach einmal
eine Auszeit brauchten. Verständlich, aber für viele Schachfreunde doch
etwas enttäuschend, zumal das Mitwirken beider Spieler in der Tagespresse
angekündigt wurde.
Die Bedeutung des Events wurde u.a. auch durch die
Anwesenheit des Bürgermeisters und Trierer Sportdezernenten Georg
Bernarding dokumentiert, der sich vor Ort einen Eindruck von dem Event
verschaffte und die angereisten Mannschaften im Namen der Stadt Trier
herzlich begrüßte. Ich nutzte die Gelegenheit, kurz mit Herrn Bernarding zu
sprechen.

Sportdezernent Bernarding (links) mit Organisator Franz Josel Mayer
Frage: „ Herr Bernarding. Erstmals spielt ein Trierer
Schachverein in der höchsten deutschen Schachliga. Welche Bedeutung hat
Ihrer Einschätzung nach diese Veranstaltung für die Sportstadt Trier ? “
Bernarding: „ Wir sind stolz darauf, dass in Trier
jetzt Spitzenschach auf höchstem Niveau präsentiert wird und unterstützen
dies im Rahmen unserer Möglichkeiten. Vor allem erhoffen wir uns eine gute
Wirkung auf den Breitensport. Die Stadt Trier fördert bereits seit langem
das Schulschach und bietet vielen Schulkindern die Möglichkeit, dieses
kreative und schöne Spiel in der Schule zu erlernen."
Frage: „ Wie sieht es mit mit ihrem persönlichen Bezug
zum Schach aus ? Beherrschen Sie das Spiel und wie sehen ihre bisherigen
Erfahrungen damit aus ? “
Bernarding: „ Ich habe als Kind sehr oft und gerne mit
meinem Vater Schach gespielt. Ich habe es zwar aufgrund vielfältiger
Interessen nie intensiv ausgeübt, habe aber den höchsten Respekt vor den
Leistungen, die die hier anwesenden Spitzernkönner erbringen. Ich wünsche
mir, dass die anwesenden Schachfreunde an diesem Bundesligawochenende viele
spannende und anregende Partien mitverfolgen können.“
Punkt 14:00 Uhr wurde dann die Partien freigegeben und
man konnte ausgiebig kiebitzen und die Partien verfolgen. Wie bereits zuvor
erwähnt, war die Ausrichtung der Trierer Organisatioren über jede Kritik
erhaben. Für mich war diese Bundesligabegegnung als Zuschauer ebenfalls eine
Premiere und subjektiv gab es einen Faktor, der nicht in der Verantwortung
der Organisatoren liegt, mich als Zuschauer aber doch etwas störte: Die
Präsentation von Schach für den interessierten Zuschauer.
Der Abstand zu den Brettern war relativ groß, durch die ungewohnte
Seitenperspektive war das Geschehen auf den einzelnen Brettern nicht immer
gut erkennbar. Der Reiz beim Kiebitzen besteht aus meiner Sicht vor allem
darin, sich mit anderen Zuschauern über die Partiestellung auszutauschen und
zu diskutieren. In der Spielhalle geht das nicht ohne Störung der Spieler,
aber es hätte sicher ausgereicht, wenn man die Partie im Nebenraum auf einem
Monitor vorführt und sie dort selbständig analysieren kann. Ideal für die
Zuschauer scheint der Vorschlag vom Mentor des Badener Schachvereines
Walter Schmitt zu sein, mit dem ich mich über das Thema Präsentation von
Schach ausgiebig unterhalten konnte.

Seine Idee: In einem Nebenraum sollten die Partien auf
Monitoren mit laufenden Schachprogrammen übertragen werden, zu denen die
Spieler keinen Zutritt haben. Der Vorteil besteht darin, dass sich die
anwesenden Zuschauer besser über den Stand der Partien orientieren können.
Eine wichtige Hilfe vor allem für weniger spielstarke Interessenten, die mit
den großmeisterlichen Feinheiten auf dem Brett meistens überfordert sind.
Die Sonntagsrunde verlief in Trier besonders spannend.
Lange Zeit sah es für Baden Baden nach einer Niederlage aus, aber in der
letzten dramatischen Partie konnte der spanische Großmeister Vallejo Pons
den entscheidenen Punkt machen und sicherte Baden Baden damit vorzeitig den
Meistertitel.
Für den spanischen Großmeister im Dienst von Baden
Baden waren die beiden Runden nervenaufreibend. Im Samstagsspiel überzog der
Spanier seine sichere Stellung und wurde mit einem unnötigen Verlust
bestraft. Im Sonntagsspiel musste der Spanier in der letzten laufenden
Partie gegen GM Berelovic mit Weiß unbedingt gewinnen, um Baden Baden
vorzeitig den Titel zu sichern. Dabei kam folgende Stellung auf das Brett:

Natürlich ist diese Stellung klar gewonnen, die
Gewinnführung steht in jedem Lehrbuch, die praktische Umsetzung ist aber
häufig auch für erfahrene Spieler ein Problem. Hand auf `s Herz: Trauen Sie
sich zu, diese Stellung mit nur einer Minute Restbedenkzeit zu gewinnen ?
Genau in dieser Situation befand sich GM Vallejo Pons, der mit noch
einer Minute Restbedenkzeit die Partie nervenstark wie folgt abwickelte:
76. Lxb6 Kg4 77. Le3 Kg3 78. Sf6 Kg2
79. Kf4 Kh3 80. Kf3 Kh2 81. Sg4+ Kh1 82. Sf2+ Kh2 83. Lf4+ Kg1 84.
Lg3 Kf1 85. Lh2 Ke1 86. Se4 Kf1 87. Lf4 Kg1 88. Sf2 Kf1 89. Lh2 Ke1 90. Se4
Kf1 91. Sd2+ Ke1 92. Ke3 Kd1 93. Kd3 Ke1 94. Lg3+ Kd1 95. Sf3 Kc1 96.
Le1 Kd1 97. Lc3 Kc1 98. Sd4 Kd1 99. Sf5 Kc1 100.
Se3 Kb1 101. Kc4 Kc1 102. Kb3 Kb1 103. Ld2 Ka1 104.
Sc2+ Kb1 105. Sa3+ 1-0
Diese freudige Wendung wurde von den verbliebenen
Badenern dann mit einem Glas Champagner gefeiert.

Gratulation an Baden Baden zum vorzeitigen Meistertitel !!!
(v.l.: Francisco Vallejo Pons, MF Sven Noppes, Hans-Walter Schmitt, Fabian
Döttling, Phillipp Schlosser)
Für den ausrichtenden Verein verlief die Heimpremiere
vom Ergebnis her nicht so erfolgreich. Insbesondere die knappe Niederlage
vom Samstag war etwas bitter, hätte man doch mit einem Unentschieden bereits
vorzeitig den Klassenerhalt sichern können. Ich nutzte die Gelegenheit, mich
mit dem Hauptsponsoren des Vereins, IM Dietmar Kolbus, zu
unterhalten, der aktiv in der Mannschaft mitspielt.

IM Dietmar Kolbus
Frage: „Diese Runde ist die Bundesligapremiere für Turm
Trier in der ersten Bundesliga. Eine Bundesligamannschaft mit Titelträgern
kostet Geld. Wie finanziert ihr die Mannschaft ?
Kolbus: „Wir
haben den zweitniedrigsten Etat aller Bundesligamannschaften und suchen
unsere Chance auch in der Einbindung starker Nachwuchsspieler aus dem
Verein, die sich ueber die 2.Mannschaft durch sehr gute
Leistungen qualifiziert haben. Die Mannschaft ist über die Jahre hinweg
zusammengewachsen und wir sehen in der mannschaftliche Geschlossenheit
unsere Chance. Vor Bundesligabeginn wurden wir als sicherer Absteiger
gehandelt, nach wie vor haben wir aber gute Chancen, die Klasse zu halten.“
Frage: „In den beiden Runden der Heimpremiere habt Ihr
sehr junge Spieler eingesetzt. Maxim Korman ist z.B. erst 16 Jahre alt.“

Talentförderung bei Turm Trier: Rechts Maxim
Korman 16 Jahre
Kolbus: „
Wie zuvor
erwähnt sehen wir langfristig nur eine Chance, indem wir auch unseren jungen
Nachwuchstalenten die Möglichkeit bieten, in der höchsten deutschen
Spielklasse ihre Erfahrungen zu sammeln. Wir denken hier nicht
ausschließlich ergebnisorientiert. Der Einsatz von jungen Talenten des
Vereins verbessert die Beziehung zwischen allen Vereinsmitgliedern und der
1.Mannschaft.
Frage: „Aus welchen Grund engagierst Du Dich in so
hohem Maße für den Verein Turm Trier ? “
Kolbus: „ Ich habe hier in Trier eine wichtige Etappe
in meinem persönlichen und in meinem schachlichen Lebensweg erlebt. Ich habe
hier studiert, mich sehr wohl gefühlt und die Leute inkl. dem Umfeld sind
mir ans Herz gewachsen. Das ist für mich die Hauptmotivation. “
Frage: „Als Zuschauer und Besucher gefällt mir hier vor
allem die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und mich direkt mit anderen
Besuchern zu unterhalten. Nachdem das Schach ohne Computer gar nicht mehr
vorstellbar ist, ist es mittlerweile auch im Internet überall präsent. Wie
beurteilst Du die Tatsache, dass Spieler lieber im Internet auf einem
Schachserver wie Schach.de ihre Partien spielen ? “
Kolbus: „ Ich sehe das durchweg positiv.
Schachprogramme und Schachdatenbanken wie z.B. ChessBase sind doch
exzellente Tools um die Spielstärke effizient zu steigern. Die Möglichkeit
auf einem Schachserver jederzeit gegen andere menschliche Gegner zu spielen,
sehe ich selbst ebenfalls als eine wertvolle Hilfe für das persönliche
Training an. Das kommt letztendlich auch allen Schachvereinen zugute, zumal
durch die Entwicklung das Spielniveau auch in den unteren Klassen
beträchtlich gestiegen ist.“
Frage: „ Wie beurteilst Du die Chancen für die SG Turm
Trier, die Klasse zu halten ? “
Kolbus: „ Wir benötigen noch einen Manschaftspunkt, das
schaffen wir. Da bin ich ganz sicher ! “
Fazit: Aus meiner Sicht war der erste
Bundesligaauftritt von Turm Trier vor heimischen Publikum eine gelungene
Premiere. Es war ein schönes Event mit vielen anregenden Gesprächen und
einigen ganz tollen Schachpartien. Die Organisation war einfach vorbildlich
und für mich als Zuschauer steht jetzt schon fest: Beim nächsten Mal bin ich
wieder dabei !