ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Nachdem am Startwochenende noch die Sonne über dem kleinen Badeort Wijk, dessen
Bewohner und die vielen Schachspieler, die sich derzeit hier aufhalten, lachte,
zeigten sich am Montag die ersten Wolken und am Dienstag stürmte und regnete es.
Regen und Sturm sollen auch in den nächsten Tagen das Wetter über dem
Corus-Turnier bestimmen. Weit hat das Wasser es eigentlich nicht, um über über Wijk aan Zee und der Mehrzweckhalle De Moriaan abzuregnen. Die Nordsee ist
gerade einmal 150 Meter vom Corusturnier entfernt. Da die Natur jedoch in
größeren Zusammenhängen funktioniert, ist anzunehmen, ist das hier abregnende
Wasser vermutlich ganz woanders verdunstet. Wenn der Sturm
aber schließlich auch noch die See aufpeitscht, kommt doch noch auch örtliches Wasser zum
Zuge - bestes Wetter also zum Schach spielen.
Stürmisch geht es auch in der Halle zu. So wie eigentlich in jedem Jahr. Man
könnte auf die Idee kommen, dass das Klima hier gut geeignet ist, Schachspieler
auf die richtige "Temperatur" zu bringen, um sich dann am Brett auszutoben. Andere argumentieren, dass das Örtchen Wijk auch nicht eben viele
andere Betätigungsmöglichkeiten bietet, zumindest im Winter.
Links
vom Dorfanger am Ortseingang liegt die kleine Kirche, rechts De Moriaan, wo
eines der bekanntesten und best besetzten Schachturniere der Welt stattfindet.
Dazwischen gibt es ein Supermärktchen und einige kleine Restaurants. Manche der
Kellner sind neuerdings soagr der russischen Sprache mächtig; vielleicht
Zeitarbeiter, die nur für die Dauer des Schachturniers eingestellt werden.
Aufmerksame Beobachter - auch weniger aufmerksame - entdecken hinter der größten
Düne öfters Rauch und manchmal sogar richtige Flammen, die zum Himmel aufsteigen.
Wer sich die Mühe macht, auf die hier recht hohe Düne zu steigen, sieht
plötzlich am Strand ein riesiges Stahlwerk stehen -Teil des Corus-Konzerns, dem Sponsor des Schachturniers.
Corus
Die einzigartige Atmosphäre des Corus-Turniers kommt durch die Mischung zwischen Topstars und Basis zustande. Drei Rundenturniere bilden die Krone der Veranstaltung. In der A-Gruppe spielen diesmal mit Topalov,
Veselin Topalov
Anand und Weltmeister Kramnik
die ersten Drei der Weltrangliste.
Svidler war bis vor Kurzem die Nummer vier. Sergey Karjakin,
... Magnus Carlsen ...
... und Teimour Radjabov ...
sind drei der großen Talente, die es derzeit im Schach gibt. Der 21-Jährige David Navarra gehört
ebenfalls zur kommenden Generation.
David Navara
Hinzu kommt Ponomarjov, der die Anzahl der teilnehmenden Weltmeister und Ex-Weltmeister zusammen mit Kramnik, Topalov und Anand auf vier schraubt. Levon Aronian und Alexey Shirov sind zwei weitere Spieler der Weltelite.
Alexey Shirov
Alexander Motylev hat sich durch seinen B-Gruppen-Sieg im letzten Jahr qualifiziert. Loek van Wely und der amtierende Meister Sergey Tiviakov bilden den holländischen Block.
Loek van Wely
Die drei Rundenturniere finden am Kopf der Halle hinter einer Balustrade statt.
Turnierleitung
Auf der anderen Seite der Barriere bleibt noch Platz für die Zuschauer, der Raum dahinter schließlich wird von etwa 300 weiteren Schachfreunden belegt, die in zahlreichen Open mit unterschiedlichen Leistungsgruppen ihrem Hobby nachgehen - in einem Raum mit der Weltelite.
Wer De Moriaan nicht gleich beim Hineingehen als Sporthalle erkannt hat, kommt im Inneren nicht unbedingt darauf, dass es eine solche sein könnte.
Buchstand am Eingang
Ehrengalerie: Der junge Yasser...
...und der junge John.
Die A-Gruppe
Auf dem Weg zum Presszentrum
Der nackte rote Backstein wurde wieder sorgfältig hinter einer Hallen umspannenden Dekoration versteckt. Dabei hat offenbar auf die Grafiker der Wettkampf Kramnik gegen Deep Fritz großen Eindruck gemacht, denn das dort verwendete Plakatmotiv einer Roboterhand, die eine Figur führt, fand in diesem Jahr auch hier in etwas veränderter Form Verwendung und löste das Astronautenmotiv des letzten Jahres ab.
Der inhaltliche Bezug des Motivs zum Turnier mag sich auch diesmal nicht erschließen, aber es sieht gut aus und kommt den meisten eben vermutlich auch bekannt vor.
Den besten Start im A-Turnier hatte Teimour Radjabov.
In den ersten drei Runden
holte er zwei Schwarzsiege mit dem Königsinder. Nachdem Kasparov die Königsindische
Verteidigung ad acta gelegt hatte, fehlte dieser Eröffnung zuletzt ein Mentor in der absoluten
Weltspitze und sie verlor an Popularität. Der neue junge Mann aus Baku könnte nun in die Bresche springen. In
der ersten Runde unterlag Van Wely mit der Variante 9.b4 im Klassischen System,
die als prinzipiellste Antwort auf den Königsinder gilt. Mit 14...Sh5
hatte Radjabov seine Partie gegen den gleichen Gegner vom vergangenen FIDE-World
Cup 2005 in Khanty-Mansysk verbessert und damit eine interessante Umgruppierung von
Läufer und Springer am Königsflügel eingeleitet. Zwei Runden später wiederholte
Alexej Shirov die Variante und erzielte am Ende die gleiche Ausbeute - keine.
Shirov meinte zwar, dass er die undurchsichtige Position erst durch einen Fehler
(31.Txe6, besser 31.h6 Dxh6 32.h4)) verdorben habe, aber zumindest scheint der Eindruck nicht zu täuschen,
dass Radjabov das ganze System für Schwarz wieder reanimiert hat.
Gestern knetete der Tabellenführer dann den amtierenden holländischen Meister Sergey
Tiviakov in einer langen Partie mit den weißen Steinen und drückte ihm schließlich
auf positionellem Wege die Luft aus. Damit
steht Radjabov vor dem ersten Ruhetag mit 3,5 Punkten alleine an der Spitze.
Radjabovs ärgster Verfolger ist Veselin Topalov, der in der gestrigen vierten
Runde gegen Shirov für die zweite Siegpartie sorgte.
Die Spieler folgten bis zum 24.Zug
einer 2005 gespielten Partie zwischen Najer und Krasenkow im Grünfeldinder.
Später zeigte Topalow die Partie im Pressezentrum und erläuterte, dass er mit
seinem Team die Variante intensiv untersucht und festgestellt habe, dass Weiß auf Gewinn
stehe.
Nach einem ereignislosen Auftaktremis gegen Motylev hatte Topalov in der zweiten
Runde Van Wely besiegt. In der dritten Runde stand er gegen Karjakin zeitweise
nicht gut, hielt die Partie aber remis. Zusammen mit dem Sieg in Runde vier hat
er nun drei Punkte eingesammelt.
Sehr lange auf Sieg spielte Vladimir Kramnik in seiner Partie gegen Navarra.
Der
Weltmeister hat offensichtlich wieder Geschmack an seiner alten Eröffnung 1.Sf3
gefunden und eröffnete so gegen den jungen Tschechen. In einer englischen Partie
stand Kramnik zumeist leicht besser, doch Navarra hielt dem Druck bis ins
Endspiel stand und schaffte schließlich einen halben Punkt.
Kramnik hatte zum Auftakt gegen Karjakin remisiert und in der zweiten Runde
Shirov mit einer Englischen Antigrünfeldvariante geschlagen. Schon hier war
1.Sf3 seine erste Wahl. Back to the Roots! In der dritten Runde hatte Tiviakov
ihm mit den weißen Steinen das Brett bald leer gefegt. Mit 2,5 Punkten liegt
Kramnik im oberen Mittelfeld, das von Platz drei bis sieben reicht.
Wertungsbester dieser Gruppe ist auf Platz drei Levon Aronian. Der Wahlberliner
erzielte seinen Sieg gegen Ruslan Ponomariov in Runde zwei. Zuvor hatte er
gegen Navarra, danach gegen Anand und Motylev remisiert.
Der 21-jährige David Navarra hat kürzlich die Gruppe der 2700+ Spieler erreicht und
schient sich dort zu etablieren. Zur Zeit steht er bei 2719 Elo. Nach Wertung
liegt er beim Corus-Turnier auf dem vierten Platz. Seinen einzigen Sieg feierte
er gegen Magnus Carlsen, den er mit den schwarzen Steinen mit Hilfe eines
Grünfeldinders besiegte. Außerdem stehen drei Remis zu Buche, die Navara gegen
Aronian, Svidler und Kramnik erzielte. Betreut wird Navara in Wijk von Igor
Stohl.
Erfolgstrainer Igor Stohl
Ebenfalls 2,5 Punkte hat Viswanathan Anand auf dem Konto. Nach dem Schwarzremis gegen Ponomariov schlug der Inder Alexander Motylev mit der gleichen Farbe mit der Bauernraubvariante im Najforf-Sizilianer. Gegen Aronian und Carlsen folgten zwei Remis. Ansonstem parliert der freundliche und smarte Inder inzwischen nahezu perfekt in deutsch.
Seine häufigen Aufenthalte in Mainz haben ihn auch eine Reihe von
regionalen Floskeln verinnerlichen lassen, so dass man sich nicht wundern muss,
wenn er einem auch mit Sprüchen wie "ei babbel nich so dumm zeuch" begegnet.
Auf den nächsten Plätzen folgen Peter Svidler und Vladimir Kramnik mit der
gleichen Punktzahl. Svidler gewann gegen Sergei Tiviakov, der wieder einmal sein
Skandinavisch mit 3...Dd6 (statt 3...Dd5) probierte. Im Verlauf des Mittelspiels
erarbeitet sich Svidler einen Vorteil, den er zum ganzen Punkt transformieren
konnte. Gegen Shirov, Navarra und Ponomariov remisierte er.
Mit 2 Punkten liegen nur zwei Spieler bei 50%. Karjakin hat bisher alle vier
Partien unentschieden gespielt.
Ruslan Ponomariov gewann einmal (gegen Carlsen) und verlor einmal (gegen Aronian).
Ruslan Ponomariov
Sieg gegen Carlsen
Mit Alexander Motylev folgen die Spieler, die man in der Politik als
"Geberländer" bezeichnen würde: Motylev(1,5), Carlsen (1,0), Van Wely (1,0) und
Shirov (0,5). Keiner dieser Spieler hat bisher eine Partie gewonnen. Besonders
Shirov mit einem absoluten Fehlstart versorgt die anderen mit Punkten.
In der B-Gruppe führt der junge Niederlander Jan Smeets (21)
Jan Smeets (re)
mit 3,5 Punktem vor einer Verfolgergruppe mit fünf Spielern: Eljanov, Bu Xianghzi,
Bu Xianghzi
der russische Vizemeister Jakovenko, Nijbour
und Bologan.
Viktor Bologan
Eine Reihe von Spielern mit hohen 2600-Wertungen adeln das Turnier zu einer Kategorie 14-Veranstaltung. Wie stark das Turnier ist, sieht man z.B. daran, dass Suat Atalik zur Zeit Letzter ist.
Suat Atalik
Die einzige Frau, Tatiana Kosintseva (20), schlug gestern Gabriel Sargissian und liegt derzeit bei 50%.
Tatiana Kosintseva
Gabriel Sargissian, vor der Niederlage
Ihre Schwester Nadezhda (22), in der Elowertung zur Zeit sogar besser als die jüngere Schwester, spielt in der B-Gruppe und errang dort einen Sieg gegen die indische Nachwuchshoffnung Negi.
Ein guter Tag für Familie Kosintseva.
Nadezhda Kosintseva
Der Vater der beiden, der seine Töchter immer auf die Turniere begleitet, machte ein am Abend ein sehr zufriedenes Gesicht.
Tabellenführer der Gruppe C ist Yan Nepomniachi. Der 16-Jährige ist vielleicht derzeit das größte russische Talent. Er gewann drei seiner vier Partien und remisierte einmal. Er wird in Wijk von Evgeny Tomashevsky gecoacht. Ein weiteres großes Talent ist die 12-jährige Chinesin Yifan Hue, die Platz vier einnimmt.
Yifan Hue ist 12
Der 13-jährige Inder Parymarjan Negi liegt mit 2,5 aus 4 auf Platz sechs. Gestern misslang ihm mit Weiß ein Klassicher Franzose gegen Nadezhda Kosintseeva. Der frühere Anand-Sekundant Elizbar Ubilava betreut nun den jungen Inder als Trainer. Außerdem ist Negis Vater vor Ort. Elofavorit Michal Krasenkow ist mit 2,5 Punkten geteilter Zweiter.
Michal Krasenkow
Es gibt einige Spieler, die von ihren Vätern oder Müttern durch deren Anwesenheit unterstützt werden. Viele Angehörige gehören zur Schachfamilie ebenso dazu, wie die Spieler selbst. So wird Sergey Karjakin meistens von seiner Mutter begleitet,
Magnus Carlsen von seinem Vater. Auch Teimour Rdajabov befindet sich in Begleitung seines Vaters Boris. Vor vielen, vielen Jahren gehörte dieser als Junge in Baku dem gleichen Schachklub an wie Garry Kasparov. Die Familien kennen sich. Deshalb hat seinerzeit Kasparov die Niederlage gegen Radjabov in Linares besonders geärgert. Der 16-jährige Franzose Maxime Vachier-Lagrave wird ebenfalls von seinem Vater begleitet.
Maxime Vachier-Lagrave
Loek van Wely wird stets von seiner Frau Marion begleitet. Sie ist selbst Schachspielerin und fiebert immer mit. Vishy Anand reist mit seiner Gattin Aruna, gleichzeitig seine Managerin. Die Freundlichkeit in Person gilt Aruna bei Organisatoren als prinzipielle Verhandlungspartnerin.
Aruna liest ein dickes Buch über das moderne Indien
Sergey Tiviakov wird wiederum von der Mutter unterstützt, die man allerdings nur selten unter den Zuschauern findet. Stattdessen bereitet sie das Abendessen vor.
Der heutige Ruhetag ist durch Regen und Sturm geprägt. Wer zwischen zwei Regenzeiten einen Spaziergang in die Dünen wagt, muss mit allerlei Gefahren rechnen. Neben plötzlich aufkommendem Regen kann man durch den böigen und heftigen Wind auch von der Dünenkrone gepustet werden. Die am Wegesrand liegenden Überbleibsel des Nahrungskreislaufes ...
... wurden nicht etwa von Pferden zurück gelassen, die sich hier bei Ausritten gelangweilt und beschäftig haben, sondern von behörnten Stieren,
.. die hier zwecks Festigung der Düne grasen und deren Blick die Frage stellt, was man hier will und weshalb man die archaische Idylle stört.
Was gibt's?
Immerhin gibt es auch Entdeckungen zu machen. Zurückliegende Generationen haben in Massivbauweise Aussichtspunkte errichtet,
... die noch nicht ganz von der Dünenflora überwuchert ist. Der Vorschlag zur Entgiftung bezieht sich natürlich nicht auf das Stahlwerk. Ohnedies befindet sich die höchste Emissionsdichte innerhalb von De Moriaan selbst, und zwar im Café. Lungenärzte sollten sich die Adressen der Besucher für Fallstudien aufschreiben.
Das Hotel gegenüber aus den Siebzigern zeigt, dass man sich zu jener Zeit noch nicht richtig von den historischen Vorbildern verabschiedet hatte.
Die Spieler der A-Gruppe sind jedoch im Hotel Seeduin auf der nächsten Düne untergebracht.
Wo man sich befindet, ist ohnehin egal, Hauptsache drinnen.
Das Pressezentrum im De Moriaan ist an den Spieltagen insgesamt ganz ordentlich
gefüllt, 20-30 Journalisten und Fotografen tummeln sich hier. Die Organisation
unterscheidet penibel zwischen "Presse" und "Photo" und teilt entsprechende "Badgets"
aus. Wer nur ein "Presse"-Badget hat, darf keine Fotos machen. Das hätten wir in
Deutschland auch nicht besser machen können. An Monitoren kann man im
Pressezentrum die Spitzenpartien verfolgen.
Höhepunkt des Turniertages ist jeweils die Vorführung der Partie des Tages, die der Sieger selbst zeigt und erläutert. Manchmal kann das Warten darauf ganz schön lang werden.
Chrrr....
Na endlich. Radjabov sorgt für Stimmung
Zu den Dauergästen so gut wie aller Schachturniere auf der Welt gehören Yury Vasiliev
Yury Vasilievich interviewt Veselin Topalov
und Leontxo Garcia. Der Spanier wird dann zur Handball-WM nach Deutschland weiter reisen. Handball ist sein zweites großes Spezialgebiet. Der deutsche Schachjournlismus wird außer vom Autor selbst, bisher nur von Martin Breutigam getragen.
Breutigam und Ubilava
Martin Breutigam mit Mütze. Auch im Pressezentrum könnte es regnen.
Zudem ist der deutsche Meister Baden-Baden mit einer Gesandtschaft bestehend aus Christian Bossert, Sven Noppes und Hans-Walter Schmitt vor Ort.
Hans-Walter Schmitt und Christian Bossert
Letzter nimmt als Vertreter der Chesstigers und Organisator der Chesss Clssic in Wijk mehrere Aufgaben wahr.
Morgen kommt es in der A-Gruppe zu folgenden Begegnungen:
S. Karjakin - A. Motylev
A. Shirov - L. van Wely
S. Tiviakov - V. Topalov
D. Navara - T. Radjabov
R. Ponomariov - V. Kramnik
V. Anand - P. Svidler
L. Aronian - M. Carlsen