04.11.2014 – Fast ein Jahr liegt der WM-Kampf 2013 zurück. Er sorgte in der ganzen Welt für Schlagzeilen und machte Magnus Carlsen mit einem 6,5:3,5 Sieg zum 16. Weltmeister der Schachgeschichte. Am 8. November spielen Carlsen und Anand wieder um die WM. Eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern, was 2013 passierte, warum Anand verlor und Carlsen gewann. Mehr...
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Rückblick auf den Weltmeisterschaftskampf 2013
Am 9. November 2013 war es soweit: Titelverteidiger Vishy Anand und Magnus Carlsen hatten ihre Plätze eingenommen und die erste Partie konnte beginnen. Auf der einen Seite der erfahrene Weltmeister, der schon eine Reihe von WM-Kämpfen erfolgreich gespielt hatte, auf der anderen der 22-jährige Herausforderer, der die Schachwelt mit seiner astronomisch hohen, vorher nie erreichten, Elo-Zahl von 2870 zum Staunen gebracht hatte. Das Match war als Kampf von Jugend gegen Erfahrung in aller Munde. Ein Jahr später wissen wir natürlich alle, wie der Wettkampf ausging. Aber schauen wir doch noch einmal zurück, um zu sehen, was genau für Vishy Anand nicht gut lief.
FIDE Präsident Kirsan Illyumzhinov führt den ersten Zug im WM-Match 2013 aus
Anands erster großer Fehler kam nur 90 Minuten nach Wettkampfbeginn. In der obigen Stellung willigte er ins Remis ein, nachdem er mit Schwarz problemlos Ausgleich erreicht hatte. Objektiv ist die Stellung ausgeglichen, aber mit 16...b6 hätte er risikolos weiter spielen und Carlsen unter Druck setzen können. Schließlich spielte Carlsen zum allerersten Mal einen Weltmeisterschaftskampf. Und zweifellos war er zu Beginn nervös. Anand hätte versuchen können, das auszunutzen, aber stattdessen entschied er sich für ein sicheres Remis. Zurecht meinte jemand anschließend, "Hätte Carlsen hier Schwarz gehabt, wäre er nie mit Remis zufrieden gewesen." 0,5-0,5.
In dieser Stellung hätte Anand mit Weiß den Kampf mit Dg4 fortsetzen können. Stattdessen nahm er auf d5, und das war eine ziemlich zahme Fortsetzung. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Carlsen extrem schnell gespielt und Anand wollte nicht prüfen, wie gut der Norweger vorbereitet war. Ein schnelles Remis, mit dem Anand die Chance verpasste, mit Weiß Druck auszuüben. Noch schlimmer war, dass sich Anand während der anschließenden Pressekonferenz bei den Zuschauern für den fehlenden Kampf entschuldigte. Offensichtlich stand er unter starkem Druck, weil er vor eigenem Publikum spielte. 1,0-1,0.
Magnus Carlsen brauchte nur 25 Minuten für ein Remis mit Schwarz
Viele werden sich erinnern, dass Anand hier mutig den Bauern auf b2 nehmen musste. Die dann entstehenden Varianten sind nicht leicht durchzurechnen, aber Analysen nach der Partie zeigten, dass Anand so beinahe entscheidenden Vorteil hätte erreichen können. Der Weltmeister hatte Chancen, aber einmal mehr verzichtete er auf die prinzipiellste Fortsetzung und spielte stattdessen 29...Ld4. Wie durch ein Wunder kam Magnus noch einmal davon. 1,5-1,5.
Anand glaubte, dass Weiß nach Lxb2 jede Menge Gegenspiel erhalten würde, aber hier ließ ihn seine Intuition im Stich.
In der vierten Partie stand Magnus kurz vor einem Sieg. Er hatte Anand in die Enge getrieben, aber der Weltmeister konnte sich viel Geschick noch einmal retten. 35.Sf2-e4 ist einer der brillantesten Verteidigungszüge, die ich je gesehen habe. In einer äußerst schwierigen Situation opferte er den Bauern g4. Anand spürte, dass die Aktivität seiner Figuren Carlsen den Sieg schwer machen würde. Er hatte Recht und die Partie endete mit Remis. Die vielen indischen Fans waren erleichtert. 2,0-2,0.
Obwohl Carlsen enttäuscht war, dass er die Stellung nicht gewinnen konnte, so glaubte er nach dieser Partie daran, dass er Vishy den Weltmeistertitel entreißen konnte.
Die fünfte Partie zeigte, wie hart so ein Wettkampf ist. Nach 45 Zügen in der Defensive konnte sich Anand hier mit 45...Ta1! das Remis sichern. Stattdessen spielte er 45...Tc1+ und wurde im Endspiel überzeugend überspielt. Später hat Anand immer wieder gesagt, dies sei die entscheidende Partie des Wettkampfs gewesen und danach hätte Carlsen das Heft fest in der Hand gehabt. Carlsen führt 3,0-2,0.
Die erste Entscheidung. Anand gibt auf und Carlsen geht in Führung.
Anand spielte 1.e4 und konnte keinen Vorteil erzielen. Nach 41 Zügen war das oben stehende Turmendspiel erreicht. Nun würde Anand dieses Endspiel mit Weiß in neun von zehn Fällen Remis halten. Aber der Druck, gegen Magnus zu spielen, war so groß, dass er die Stellung nicht halten kontne. Carlsen gebührt Anerkennung und Respekt, weil es ihm gelang, maximalen Druck auszuüben. Nach dieser Partie schien der Wettkampf praktisch entschieden zu sein. Frustrierend für Anand war auch, dass er in Stellungen überspielt wurde, die er gegen jeden anderen Gegner problemlos Remis halten würde. 4,0-2,0.
Gespielt wurde auf einer Bühne, die durch eine Glaswand von den Zuschauern getrennt war.
Die beiden Stellungen oben zeigen am besten, was in den Partien sieben und acht geschah. Eine symmetrische Struktur und eine offene Linie, auf der die Figuren abgetauscht wurden. In den Partien sechs und sieben hatte Anand zwei Mal in Folge Weiß. Nachdem Anand mit 1.e4 wiederholt nichts erreichen konnte, erwarteten viele, dass Anand in Partie sieben zu 1.d4 wechseln würde. Aber das geschah nicht. Wie so oft kam Magnus mit 1...e5 zu einer sicheren und soliden Stellung. In Partie acht stand nach nur 28 Zügen ein vollkommen ausgeglichenes Bauernendspiel auf dem Brett - genau das, was der Herausforderer brauchte. Er konnte seinen Vorsprung problemlos verteidigen. 5,0-3,0.
Das Medieninteresse an dem Wettkampf war gewaltig. Journalisten aus aller Welt waren vor Ort, alle führenden indischen Tageszeitungen berichteten und der Wettkampf wurde sogar live im Fernsehen übertragen.
Ein Video von Vijay Kumar und Susan Polgar wirft einen Blick hinter die Kulissen.
Partie 9: Die endgültige Entscheidung
Die Aufregung bei Fans in aller Welt war groß, als Anand schließlich doch mit 1.d4 begann. Es schien, als hätte er damit viel zu lange gewartet. Aber noch bestand Hoffnung. Sollte Vishy diese Partie gewinnen, würde er nur noch einen Punkt zurück liegen. Die Partie war wild und kompliziert - Magnus verwandelte einen seiner Bauern in eine Dame während Vishy einen wilden Angriff gegen den schwarzen König unternahm. Aber Anands Zuversicht schien zusehends geringer zu werden, als er keinen zwingenden Gewinn fand. Carlsen verteidigte sich präzise und Anand unterlief das größte Übersehen des Wettkampfs.
In dieser Stellung spielte Anand den verhängnisvollen Zug 28.Sf1?? und musste nach 28...De1 das Handtuch werfen. Damit war der Wettkampf praktisch vorbei. 6,0-3,0.
Es ist diese Stellung, die ich besonders bemerkenswert finde. Carlsen hatte hier die Möglichkeit, mit 22.Dd2 die Züge zu wiederholen und Remis zu spielen. Damit würde er das Match gewinnen und neuer Weltmeister werden. Aber er lehnte das stille Remisangebot ab und spielte weiter. Dieser Siegeswillen zeichnet Carlsen aus und ist der Grund, warum er anderen voraus ist. Auch in der zehnten Partie stand er kurz vor einem Sieg, aber nach einem Fehler musste er sich mit Remis begnügen. Aber erst nach 65 Zügen kämpferischen Schachs! 6,5-3,5.
Magnus Carlsen: Der 16. Weltmeister
Und was tat der frisch gekrönte Weltmeister direkt nach seinem Wettkampfsieg? Er spielte Basketball!
Zusammenfassung: In der ersten Hälfte des Wettkampfs hatte Anand seine Chancen. Magnus war nervös und spielte nicht so fehlerfrei wie sonst. Aber Vishy nutzte seine Chancen nicht. Dadurch hatte Carlsen Zeit, ins Match zu finden. Und nachdem er sich an die Umstände des WM-Kampfes gewöhnt hatte, dominierte er das Match. Anands zu langes Beharren auf 1.e4 führte schließlich zu seinem Untergang. Und schließlich konnte Magnus häufiger als Vishy Stellungen herbeiführen, in denen er sich wohlfühlte. Das ist mit ein Grund, warum Anand nicht eine einzige Partie in dem Wettkampf gewinnen konnte.
Was zu einer Preisfrage führt: In der Geschichte der Weltmeisterschaften gab es ein paar Wettkämpfe, in denen einer der Spieler nicht eine einzige Partie gewinnen konnte? Welche Spieler sind das? Antworten bitte in den Kommentaren.
Sagar ShahSagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.
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