Die ältesten lebenden Großmeister

von ChessBase
29.02.2024 – Mit 90 Jahren müsste man doch der älteste Schachgroßmeister der Welt sein, glaubten wir bei der Würdigung von Klaus Dargas 90. Geburtstag. Stimmt aber nicht. Stefan Löffler, mit seiner Ältestenliste aus seinem Schachkalender im Rücken, weiß es besser. Es gibt noch ältere. Was auch daran liegt, dass die FIDE Andreas Dückstein (Foto: Martin Stichlberger) kürzlich zum Großmeister ehrenhalber ernannt hat. Und der Schachfreund Horst Rauer hat noch eine wichtige Ergänzung zum Turnierergebnis von Klaus Darga beim Interzonenturnier 1964 mitgeteilt.

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Klaus Darga ist mit seinen 90. Jahren tatsächlich nicht der älteste Großmeister der Welt, sondern "nur" der fünfälteste. Nach der kürzlich erfolgten Ernennung zum Großmeister ehrenhalber durch die FIDE führt jetzt der Österreicher Andreas Dückstein die Liste der ältesten Großmeister an. Dückstein wurde am 2. August 1927 geboren, geht also stramm auf die 100 zu. Vier Jahre jünger ist Iivo Nei aus Estland, ebenfalls gerade von der FIDE zum großmeister ehrenhalber ernannt. Fünf Jahre jünger, im April 92 Jahre alt, ist der Kroate Juraj Nikolac. Nur ein paar Monate jünger als dieser ist Yair Kraidman aus Israel. 

Hier ist die Liste aus dem Schachkalender:

Im aktuellen Schachkalender 2024 ist eine Liste der ältesten Schachgroßmeister abgedruckt (Quelle: Schachkalender 2024, S. 139, aktualisiert)

Andreas Dückstein (Österreich) 2.August 1927

Iivo Nei (Estland) 31. Oktober 1931

Juraj Nikolac (Kroatien) 22.April 1932

Yair Kraidman (Israel) 1.November 1932

Klaus Darga (Deutschland) 24.Februar 1934

Friðrik Ólafsson (Island) 26.Januar 1935

Oscar Panno (Argentinien) 17.März 1935

Burkhardt Malich (Deutschland) 29.11. 1936

Boris Spasski (Russland) 30.Januar 1937

Enver Bukic (Slowenien) 12.Februar 1937

Lajos Portisch (Ungarn) 4.April 1937

Dražen Marović (Kroatien) 14.Januar 1938

Igor Saizew (Russland) 27.Mai 1938

Iwan Radulow (Bulgarien) 7.Januar 1939

Hans-Joachim Hecht (Deutschland) 29.Januar 1939

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Stefan Löffler hat zu diesem Thema auch kürzlich in seiner Schachspalte bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (23. Februar) einen Beitrag veröffentlicht. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung (Einige Zeitangaben wurden angepasst.)

Wie wird man ältester Großmeister der Welt?

In der Regel durch einen Todesfall. Juraj Nikolac, der einst für den Münchener Schachclub 1836 in der Bundesliga antrat, ist im 92. Lebensjahr. Gleichwohl ist der Kroate nun von einem um fünf Jahre Älteren abgelöst worden. Der Weltschachbund hat Andreas Dückstein zum Grossmeister ernannt. Der gebürtige Ungar, der seit 1949 in Wien lebt, zählte in den 50er- und 60-er Jahren zur erweiterten Weltspitze, blieb aber stets Amateur. Um den ihm damals entgangenen Titel selbst anzufragen, wäre dem promovierten Juristen nicht eingefallen, zumal er sich vor fünf Jahren vom Turnierschach verabschiedet hat. Die Initiative kam vom umtriebigen Präsidenten des Österreichischen Schachbunds. Auch die Lobbyarbeit für die Ernennung von Sultan Khan ist diesen Monat von Erfolg gekrönt worden. Dass der dreimalige Britische Meister und Bezwinger von Weltmeister Capablanca seit 58 Jahren tot ist, hinderte den russischen Weltschachpräsidenten Arkadi Dworkowitsch nicht, mit großer Entourage den pakistanischen Premierminister Anwarul Haq Kakar zu besuchen, um ihm in einer staatsaktähnlichen Zeremonie die Urkunde für Pakistans ersten Großmeister zu überreichen. Der Hintergedanke lautet, dass Sultan Khan nicht mehr als Inder bezeichnet werden soll. Pakistans großer Nachbar Indien ist mittlerweile mit 84 regulär qualifizierten, überwiegend jungen Großmeistern gesegnet und wird es verschmerzen.

Die Schachspalte der FAZ

Ziemlich genau ein Dutzend Jahre hatte der älteste lebende Großmeister Juri Awerbach geheißen. Er hat seinen 100.Geburtstag um ein paar Monate überlebt, war bis fast zuletzt Ehrengast zahlreicher Moskauer Schachveranstaltungen gewesen und hatte sich für Interviews zur Verfügung gestellt. Dagegen hat sich der älteste deutsche Großmeister – und fünftälteste der Welt - Klaus Darga schon lange aus dem Schachleben zurückgezogen. Am 24. Februar wird er neunzig. Mit 21 Jahren Gesamtdeutscher Meister versuchte sich der Berliner nach seinem Maschinenbaustudium zunächst als Profi, ergriff angesichts der prekären Perspektiven dann aber die Chance, Programmierer und Projektleiter bei IBM im württembergischen Ehningen zu werden, bis er für seine letzten Jahre im Beruf als Bundestrainer zum Schach zurückkehrte.

Als sein Lieblingsturnier bezeichnet Darga den Clare Benedict Cup, ein Länderturnier, das als Vorläufer des an kürzlich im thüringischen Apolda zu Ende gehenden Mitropa Cups gilt. Als 1963 in Luzern gespielt wurde, wo die namensgebende amerikanische Mäzenin zwei Jahre zuvor hoch betagt verstorben war, fand Darga gegen Dückstein einen Hammerzug, der sofort mit einem beglückwünschenden Handschlag belohnt wurde.

Partie zum Nachspielen

Und dann erreichte uns auch noch ein Leserbrief mit einer wichtigen Ergänzung:

Lieber Schachfreund Schulz,

zu Ihrem dankenswerten Artikel über einen der herausragenden Meister des deutschen Nachkriegsschachs habe ich eine kurze Anmerkung betreffend dessen Teilnahme am Amsterdamer Interzonenturnier 1964. Sie schreiben zwar richtig, dass er "nur" im Mittelfeld landen konnte, gleichwohl gibt diese Formulierung seinen dortigen Erfolg mit Blick auf den Turnierverlauf nicht ganz zutreffend wider. Schließlich erzielte er 13,5 Punkte und damit nur 1 Zähler weniger als die beiden Teilnehmer Portisch und Reshewsky, die, gemeinsam auf den Rängen 8 und 9 liegend, anschließend einen Stichkampf um den letzten verbliebenen Platz bei den Kandidatenwettkämpfen 1965 austragen durften. Und dieser am Ende fehlende Punkt wäre leicht zu erzielen gewesen, hatte der Jubilar doch in seiner Partie aus der 11. Runde gegen den Ungarn Lengyel nach einem Anfall beiderseitiger Schachblindheit in glatter Gewinnstellung aufgegeben!

Schwarz hatte hier zuvor mit 41. ... T6e2:+ einen Springer geschlagen und dabei ebensowenig wie Darga gesehen, dass der weiße König nach 42. Te2: Lh4:+ nach e3 entweichen kann. Aber der deutsche Großmeister glaubte seinem Gegner und gab auf.

Wer weiß schon, wie Dargas Schicksal verlaufen wäre, hätte er diese Gelegenheit genutzt, als WM-Kandidat in die Top-Elite des Weltschachs aufzusteigen. Die Anlagen dazu besaß er offensichtlich, immerhin hatte er im Turnier mit Portisch nicht nur einen der potenziellen Stichkampfgegner besiegt, sondern mit Spassky auch den späteren Sieger der Kandidatenausscheidung.

Mit freundlichem Schachgruß

Horst Rauer
Stuhr

Partie zum Nachspielen


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