Die indischen Talente in Gibraltar (2)

von Thorsten Cmiel
07.02.2018 – Indien erlebt einen Schachboom. Der erste Großmeister, den das Land hervorgebracht hat, war Vishy Anand. Er erhielt den Titel 1988, vor 30 Jahren. Mittlerweile hat Indien 50 Großmeister und eine ganze Reihe herausragender Talente. Drei der größten dieser Talente spielten auch beim Tradewise Open in Gibraltar mit. Thorsten Cmiel hat ihr Spiel beobachtet. (Foto: Gupta Pritha © John Saunders)

Vishy Anand gilt als eines der größten Schachtalente aller Zeiten. Er ist der 15. Weltmeister der Schachgeschichte und war auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn auch im Schnell- und Blitzschach kaum zu besiegen. Auf dieser DVD spricht er über seine Laufbahn und präsentiert und analysiert die besten Partien seiner Schachkarriere bis zum Gewinn des Weltmeistertitels 2007 (in englischer Sprache).

Wie es mit den drei indischen Talenten in Gibraltar weiterging

Der erste Teil dieser zweiteiligen Artikelreihe beschäftigte sich mit dem Spiel und dem Abschneiden der jungen indischen Talente Gupta Prithu, Nihal Sarin und Rameshbahu Praggnanandhaa beim Tradewise Open in Gibraltar. In Gibraltar wurden zehn Runden gespielt, der erste Artikel warf einen Blick auf die Situation nach fünf Runden. Mittlerweile ist das Open zu Ende gegangen (Levon Aronian gewann im Stichkampf) und es ist Zeit für eine Analyse des Spiels und der Ergebnisse der indischen Talente in den Runden sechs bis zehn.

Gupta Prithu, genannt "Prit"

"Prit" spielt erst seit vier Jahren Schach und ist nach dem Turnier in Gibraltar bereits Internationaler Meister. Nach fünf Runden war er mit (+2) bei vier Partien gegen starke Großmeister auf einem guten Weg in Richtung seiner ersten Großmeister-Norm, die ihm zugleich den Titel Internationaler Meister einbringen würde. In Runde 6 folgte dann ein recht ereignisarmes Unentschieden gegen Rasmus Svane (2595). In der siebten Runde spielte Prit mit Schwarz einen offenen Spanier, sein Gegner (GM mit 2553) griff zweimal fehl und Prit überspielte seinen Gegner im großen Stil, verpasste dann jedoch die Chance auf einen Sieg und die Partie endete Unentschieden. Ungenaues Spiel führte dazu, dass er gegen seinen nächsten Großmeister (wieder 2553) verlor. In Runde 9 kam es dann zu einer Begegnung mit einem Internationalen Meister (2492) aus Norwegen, den Prit besiegen konnte. Er hatte dadurch mit einer Performance von 2616 seine erste GM-Norm (mit +2) in der Tasche. In der letzten Runde musste er noch gegen seinen Landsmann Babu Lalith ran. Gegen eine Caro-Kann-Verteidigung holte er nichts aus der Eröffnung und verlor nach einem etwas gröberen Fehler. In der Februarliste hatte Prit eine Elo von 2373.

Partien

 
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1.e41,166,62354%2421---
1.d4947,29855%2434---
1.Nf3281,60256%2441---
1.c4182,10256%2442---
1.g319,70256%2427---
1.b314,26554%2427---
1.f45,89748%2377---
1.Nc33,80151%2384---
1.b41,75648%2380---
1.a31,20654%2404---
1.e31,06848%2408---
1.d395450%2378---
1.g466446%2360---
1.h444653%2374---
1.c343351%2426---
1.h328056%2418---
1.a411060%2466---
1.f39246%2436---
1.Nh38966%2508---
1.Na34262%2482---
1.Nf3 Prit strebt in dieser Partie im Blitztempo ein Remis an. Er ist erfolgreich mit dieser Strategie und gibt seinem stärkeren Gegner keine Ansatzpunkte für mehr. Sein Standarderöffnungszug ist 1.e2-e4. d5 2.c4 e6 3.e3 Nf6 4.b3 Be7 5.Bb2 0-0 6.Qc2 c5 7.cxd5 exd5 8.d4 cxd4 9.Nxd4 Bg4!? 9...Bd7 10.Bd3 Nc6 ergibt vielleicht eher eine Stellung, die Schwarz auf Gewinn spielen kann. 10.Be2 Bxe2 11.Qxe2 Bb4+ 12.Bc3 Qa5 13.Bxb4 Qxb4+ 14.Qd2 Qd6 15.Nc3 Nc6 16.Rc1 Rfd8 17.f3 Rac8 18.0-0 Qb4 19.Rfd1 Nxd4 20.Qxd4 Qxd4 21.exd4 Rc6 22.Ne2 Rdc8 23.Rxc6 Rxc6 24.Rc1 Rxc1+ 25.Nxc1 Kf8 26.Nd3 Ke7 27.Kf2 Nd7 28.Ke3 Kd6 29.Nb2 Nb8 30.Nd1 Nc6 Falls die Übertragungszeiten stimmen, hatte Weiß hier eine Restbedenkzeit von einer Stunde und 22 Minuten. Rasmus Svane hingegen hatte etwas weniger als sechs Minuten übrig. ½–½
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Prithu Gupta2373Svane,R2595½–½2018A13Tradewise Gibraltar Chess Festival 20186.24
Perez Ponsa,F2553Prithu,G2373½–½2018C83Tradewise Gibraltar Chess Festival 20187.32
Prithu,G2373Michalik,P25530–12018B11Tradewise Gibraltar Chess Festival 20188.35
Prithu,G2373Lalith,B25420–12018B12Tradewise Gibraltar Chess Festival 201810.39
Christiansen,J2492Prithu,G23730–12018B11Tradewise Gibraltar Chess Festival 20189.52

Der Gegnerschnitt von Gupta Prithu in Gibraltar betrug 2534. Er spielte in zehn Runden gegen sieben Großmeister, holte wie Pragg 5,5 Punkte und kam auf eine Performance von 2570. Das Turnier bringt ihm einen Ratingzuwachs von 50 Punkten.

Prithu Gupta nach seinem Sieg in Runde 9: "Die Luft ist raus."

Eröffnungen und was wir gesehen haben

Prit pflegt einen sehr aktiven Spielstil, bei dem er Risiken in Kauf nimmt. In der Regel spielt er 1.e2-e4 und greift danach gerne den gegnerischen König in komplexen Stellungen an – wie man das von einem Youngster erwarten kann. Allerdings wird er sich gegen die Caro-Kann-Verteidigung nach diesem Turnier vermutlich ein solideres Repertoire suchen müssen.

Mit Schwarz spielte Prit gegen 1.e4 in diesem Turnier vor allem den klassischen Zug e7-e5. Er ist jedoch jederzeit für einen Najdorf-Sizilianer gut, wie er gegen Anna Muzychuk zeigte. In der kleinen Datenbasis, die wir von dem Inder haben, finden sich zwei Versuche mit Französisch. Einmal kam 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 h6!? aufs Brett. Auch mit dem Paulsen-Sizilianer hat er schon experimentiert. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Spieler mit einer Erfahrung von gerade einmal vier Jahren noch kein festes Repertoire hat. Zurzeit ist das sicherlich noch ein Vorteil, weil die Gegner sich auch nicht vorbereiten können. Dauerhaft wird er vermutlich sein Repertoire weiter stabilisieren müssen.

Was sonst aufgefallen ist

Anders als Pragg und Nihal scheint Prit keine Probleme mit der Uhr zu haben. Bei ihm ist es eher andersrum. In der siebten Runde brachte er nicht die notwendige Ruhe und Disziplin auf, seine Partie durch einen relativ einfachen Schlag zu gewinnen. Er hat in seiner Entscheidungspartie in Runde 9 Nerven wie Drahtseile gezeigt. Es gab neben dem üblichen Glück, das jeder außer Magnus Carlsen in einem Turnier benötigt, bei Prit dramatische Momente, die seine außergewöhnliche Spielstärke zeigen.

Nihal Sarin

Nihal Sarin in Gibraltar (Foto: Sophie Triay)

Die erste Hälfte des Turniers war an Nihal komplett vorbei gelaufen. Einige seiner Gegner hatten viel zu niedrige Elo-Zahlen und so lag Nihal zur Mitte des Turniers bei der 50 Prozent-Marke. Doch in der sechsten Runde kam Nihal das Glück zur Hilfe und er gewann eine zeitweise verlorene Stellung gegen Dominik Horvath (2329) aus Österreich, Jahrgang 2003. Allerdings ist unklar, ob die Spieler diese Wende in Zeitnot überhaupt bemerkt haben. Dieser Sieg änderte alles. In der nächsten Partie gewann Nihal gegen das deutsche Jungtalent Vincent Keymer (2408), Jahrgang 2004, eine ordentliche Partie. Dann folgte Nihals erste Partie gegen einen Großmeister. Er gewann gegen Kiril Georgiev (2623) mit den weißen Steinen. Nach einem Remis gegen seinen Landsmann Chanda Sandipan (2579) kam in der letzten Runde ein Unentschieden gegen Rasmus Svane, Nihals dritter Großmeister (2595) in diesem Turnier. Durch seine erfolgreiche zweite Turnierhälfte konnte Nihal seinen Gegnerschnitt noch auf 2413 verbessern. Er erspielte fast genau seine Rating bei diesem Turnier (2523) und kam auf 6,5 Punkte (+3). In der Februarliste hatte Nihal 2532 – ohne Gibraltar.

Partien

 
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1.Nf3 Die beiden Youngster - beide Jahrgang 2004 - belauern sich zunächst. d5 2.d4 Nf6 3.c4 e6 4.Nc3 c6 5.e3 Nbd7 6.Qc2 Be7 7.b3 0-0 8.Bb2 b6 9.Bd3 Bb7 10.0-0 Rc8 11.Rfd1 Qc7 12.Rac1 Rfd8 Nihal spielt diesmal ein Halbslawisches Damengambit. 13.Qe2 dxc4 13...Qb8 14.e4 dxe4 15.Nxe4 c5 16.Neg5 cxd4 17.Nxf7 Kxf7 18.Ng5+ 1-0 (81) Fressinet,L (2687)-Le,Q (2718) Almaty 2016 14.bxc4 c5 15.d5 exd5 16.Nxd5 Nxd5 17.cxd5 Bxd5
Diese Stellung kann man auch in anderen Zugfolgen erreichen: Schwarz spielt direkt c5, statt c6-c5, und Weiß spielt De2 statt Dc2-e2. Die Stellungen findet man dann unter Damenindisch und E14. Es ist völlig unklar, wer hier wen ausgetrickst hat. Weiß kann insofern zufrieden sein als er Varianten mit einem Läufer auf d6 vermieden hat. Schwarz hat ebenfalls einige scharfe Abspiele umgangen. 18.Bxh7+! Kxh7 19.Rxd5 Nf6
20.Rf5N Diese Stellung kam in der Turnierpraxis laut Datenbank dreimal vor. Weiß spielte Tg5, was vermutlich besser ist, auch wenn der Gesamtscore der Praxis für Schwarz spricht: 20.Rg5 Die Stellung mit Tg5 kam erstmals 1968 vor. Qd7 20...Kg8 21.h3 Ne8 22.Rg4 0-1 (49) Kharlov,A (2538)-Sharafiev,A (2332) Kazan 2008 20...Qd6 21.Qc4 Kg8 22.h3 Ne8 Martin, Pedro - Zmetan, Jorge Arg ch 1972 Remis nach 23.Th5 Sf6 24.Tg5 Se8... 21.Qc4 Kg8 22.Rf1 Qe6 23.Qa4 c4 24.Bd4 Rd5 25.Qxa7 b5 26.Rc1 b4 27.h3 wurde 1968 bei einer Schacholympiade gespielt: Cobo Arteaga, Eldis - Ree, Hans, 0-1 (34). 20...Qd7 21.g4 Ambitioniert gespielt. 21.Rf4 21...Kg8 22.Ne5 Qd2 23.Qc4 Rd5 23...Qxb2? scheitert an 24.Qxf7+ Kh7 25.Rf3‼+- 24.Qc3 24.g5!? treibt die Stellung auf einen Höhepunkt der Abhängigkeiten. b5 ≤24...Qxb2 25.gxf6 Rxe5 26.Rxe5 Qxe5 27.Qg4! 25.Qxb5 Ne4 26.Nc4 Qe2 27.Rxd5 Qxf2+ 28.Kh1 Qf3+= 24...Qxc3 25.Bxc3 Bd6 Eine Ungenauigkeit, die den leichten Vorteil von Nihal kostet. 26.h3 Verpasst eine Chance zur taktischen Klärung der Stellung. 26.Nc4= Bc7 26...Rxf5? 27.Nxd6 27.Bxf6 Rxf5 28.gxf5 gxf6 29.Kg2
Computerbewertungen deuten eine ausgeglichene Stellung an. Aber: Schwarz hat ein schicke Majorität am Damenflügel. Leider ist diese nur schwer zu mobilisieren. Der weiße Freibauer auf der h-Linie ist noch kein Faktor. 29...b5 29...Rd8 30.a4 Rd5 31.Rc2 Rxf5 Das Aufgeben der d-Linie ist wichtiger als der Bauer. Weiß entwickelt danach Aktivität. 31...Kf8 32.Rd2 Rxd2 33.Nxd2 Jetzt wird der freie h-Bauer doch noch zum Faktor. Seine Existenz hindert den König des Nachziehenden zumindest am Damenflügel aktiv einzugreifen. 32.Rd2 Rg5+ 33.Kf3 Bxh2 34.Rd7
und eher Schwarz hätte Probleme.
30.Na3 b4 31.Nc4 ist es schon einmal nicht.
26...b5 27.Ba1 27.f3 bereitet e3-e4 vor, um den gegnerischen Turm in Probleme zu bringen. Re8 27...c4 28.e4 28.Nc6 ist ein Computervorschlag, der den Tausch von Material zum Ziel hat: Rxe3 29.Bxf6 Rxf5 30.gxf5 gxf6 31.Nxa7 b4 Schwarz steht klar besser, aber auch hier ist die Mobilität der schwarzen Bauern am Damenflügel das zu lösende Thema. Die weißen Bauern sind schwach. 27...c4 28.Kg2 a5 28...Rcc5 29.f4 Rd2+ 30.Kf3 Rxa2 29.Kf3 Besser ist 29.Bd4 Dem Turm wird der Zutritt zur zweiten Reihe verweigert. 29...Rcc5 30.Rxf6 Bxe5 Viel schwächer wäre 30...gxf6?! 31.Nd7= und die Qualität wird zurück gewonnen. Be5 32.Nxc5 Rxc5 33.Bd4 Rc8 34.Ke4!? 31.Bxe5 gxf6 32.Bxf6 b4 33.Bd4 Rc6 34.Ke2 a4 35.Kd2 Rb5 35...f5 36.Kc2 Rb5 36.h4 a3 37.Kc2
37.f4 37...Kh7! 38.f4
38...f5! Ein starker Zug, der die Beweglichkeit der gegnerischen Bauern einschränken soll. 39.g5 Kg6 40.h5+ Kxh5 41.Rh1+ Kg4 42.g6 b3+ Hier musste Nihal über mehrere Züge hinweg sehr genau kalkulieren. Und nicht 42...Rxg6 43.Rg1+ Kh5 44.Rh1+ Kg4 45.Rg1+ Kh5 46.Rh1+ Kg4= 43.Kb1 43.Kc3 b2 44.g7 Rg6 und jetzt funktioniert das Rennen wegen Zwischenmatt nicht: 45.Rg1+ Kf3 46.Rxg6 b1Q 47.g8Q Qd3# 43...c3 44.axb3 44.g7 c2+ 45.Kc1 b2+ 44...c2+ 45.Kc1 Rxb3 ( -> ...Tb1+) 46.g7 Rb1+ 47.Kd2 Rc8 48.Rc1 Rxc1 49.Kxc1 a2 50.Be5 Kf3 51.Bd4 Ke4 Houdini will jetzt mit Weiß den g-Bauern geben und verkündet danach Matt in 16 Zügen. Wer will dem schon widersprechen? Vincent jedenfalls nicht an diesem Tag.
0–1
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Keymer,V2408Nihal,S25240–12018D46Tradewise Gibraltar Chess Festival 20187.43
Nihal,S2524Georgiev,K26231–02018E34Tradewise Gibraltar Chess Festival 20188.24
Nihal,S2524Horvath,D23291–02018D02Tradewise Gibraltar Chess Festival 20186.59
Sandipan,C2579Nihal,S2524½–½2018E43Tradewise Gibraltar Chess festival 20189.18
Nihal,S2524Svane,R2595½–½2018E35Tradewise Gibraltar Chess Festival 201810.17

Nihal nach seinem Sieg gegen Kiril Georgiev

Eröffnungen

Nihal spielt meist den Damenbauernzug, ist aber auch bereit, sich auf ein offenes Spiel einzulassen. Bemerkenswert: Nihal scheint mit seinen Gegnern gerne psychologische Spielchen zu treiben. So begann Nihal gegen Rasmus Svane mit dem bei ihm seltenen 1.c4, aber kam dann doch zu seinem bevorzugten Aufbau gegen den Nimzoinder. Der Eindruck bleibt, dass Nihal sich konkret auf seine Gegner vorbereitet und versucht, seine gewünschte Stellung auf das Brett zu bekommen. Mit Schwarz strebt er eine solide Aufstellung an. In einem früheren Interview hatte Nihal erwähnt, dass er Königsindisch im Repertoire habe, wofür allerdings bislang Belege fehlten. Doch in diesem Turnier spielte er gegen einen starken Spieler aus Indien tatsächlich eine der Hauptvarianten im Königsinder.

Was sonst aufgefallen ist

Nihal hat im Vergleich zu dem Turnier in London Fortschritte bei seinem Bedenkzeitverbrauch gemacht. Allerdings fehlten ihm in der ersten Hälfte die deutlich stärkeren Gegner. Insgesamt wirkt Nihal auch wegen seines soliden Eröffnungsrepertoires am stabilsten von den drei Youngstern. Der Vater von Nihal Chessbase India Anfang des Jahres ein Interview. Darin wird deutlich, welche Probleme Eltern eines Jugendtalents im Schach zu meistern haben. Der Vater wirkt sehr positiv auf seinen Sohn ein, indem er ihn nicht pusht und nach Niederlagen in Ruhe lässt. Vielleicht ist es sein Vorteil, dass die Eltern von Nihal selbst nicht Schach spielen.

Chessbase India Video - der Vater von Nihal

Pragg

Rameshbabu Praggnanandhaa, genannt "Pragg", wurde am 10. August 2005 in Chennai geboren (Foto: Sophie Triay)

Pragg ist der jüngste der drei großen indischen Talente – er wird im August 13 Jahre alt. In Runde 6 gewann Pragg seine Partie gegen den Holländer Eric De Haan (2304), der auf eine IM-Norm hoffte. Danach folgte ein überzeugender Sieg gegen den indischen Großmeister Gopal (2593). Doch in Runde 8 verpasste ihm sein Landsmann Sethuraman (2646) einen Knockout und danach brauchte Pragg in den letzten zwei Runden zwei Siege gegen starke Großmeister, um eine Großmeisternorm zu machen. Doch nach einem Remis in Runde 9 gegen den Kroaten Marin Bosiocic (2628) waren die Normträume ausgeträumt. In der letzten Runde spielte Pragg dann gegen seinen fünften Großmeister: Benjamin Gledura aus Ungarn (2612). Pragg verlor recht schnell.

Partien

 
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1.e4 c5 2.Nf3 d6 3.d4 cxd4 4.Nxd4 Nf6 5.Nc3 a6 6.a3!?
Frech, so wie man es mag und von einem Youngster erwartet. Weiß vermeidet gegen seinen Landsmann lange Theorievarianten im Najdorf-Sizilianer. In meiner Datenbank fanden sich 267 Partien mit diesem Zug. Erinnert sei an die Partie von Magnus Carlsen gegen Wojtaszek beim Tatasteel-Turnier in Wijk 2017. 6.h4!? Diesen seltenen Zug spielten Nihal und Pragg 2017 jeweils einmal. Nc6 6...e5 7.Nb3 Be6 8.f4 exf4 9.Bxf4 Nc6 10.Qd2 Be7 11.0-0-0 Ne5 12.Nd4 0-0 13.Nf5 Bxf5 14.exf5 Nihal, Sarin (2483) - Thilakarathne (2053) IOM 2017. Weiß gewann. 7.h5 h6 8.Be3 Ng4 9.Nxc6 bxc6 10.Bd2 Rb8 11.Bc4 Nf6 12.Qf3 Bg4 13.Qe3 Praggnanandhaa, R - Liang, Awonder, St. Louis 2017. Die Partie endete nach 55 Zügen friedlich. 6...Nc6 Gopal baut sich eher klassisch auf und nicht im Sinne eines normalen Najdorf-Sizilianers. 6...e5 7.Nf5 d5 8.Bg5 d4 9.Bxf6 Qxf6 10.Nd5 Qd8 11.Qg4 wurde gespielt in der erwähnten Partie von Magnus Carlsen. Der Weltmeister gewann in der Partie indem er den weißfeldrigen Läufer und der Gegner einen schwarzfeldrigen Läufer überbehielt. 2018 in Wijk war das erneut ein beherrschendes Motiv in Carlsen-Partien. 7.Bc4 e6 8.Ba2!?
Sehr prophylaktisch. Der Läufer steht auf c4 oft anfällig und muss nach beispielsweise Dc7 ohnehin weichen. Wenn man so will ist dieser Zug eine Neuerung. 8...Be7 9.0-0 0-0 10.Be3 Qc7 11.f4 Nxd4 12.Bxd4 e5
Dieser Entlastungszug ist aus vielen Partien von Kasparov, der das Scheveninger-System gespielt hat, bekannt. Der Unterschied: der weißfeldrige Läufer ist auf e2 postiert und steht gelegentlich den eigenen Figuren im Weg. Hier ist der Läufer ziemlich stark und wirkt gegen f7. 13.Be3 b5 13...Be6 Alternativ zur Partiefortsetzung konnte Schwarz hier den Abtauch der weißfeldrigen Läufer anstreben. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Schwarz hier schlechtere Chancen haben sollte. Im Gegenteil viele Najdorf-Scheveningen-Spieler dürften die schwarze Stellung bereits bevorzugen. 14.f5!? Strategisch betrachtet ist dieser Zug für die weißfeldrige Spielweise hilfreich. Allerdings ist der weiße Aufbau hier taktisch anfällig, weshalb der Springerzug ins Zentrum eine sichere Alternative war. 14.Nd5 Nxd5 15.Bxd5 Bb7 16.c3 sieht wie eine gute Variante typischer Stellungen im Najdorf-Scheveningen-Komplex aus. Der Nachziehende hätte jetzt gerne noch einen Springer zur Verfügung, für den Kampf um das Feld d5. exf4 17.Bxf4 Bxd5 18.Qxd5 Qc5+ 19.Qxc5 19.Rf2!? 19...dxc5 20.Rad1
Erreicht ist eine etwa ausgeglichene Stellung. Weiß kann seine Stellung mit Td5 und Tfd1 verstärken und den König ins Zentrum führen. Schwarz wird es nicht einfach gelingen, beide Türme zu tauschen und nach Abtausch eines Turms auf d5 entsteht ein starker Freibauer. . Ein Remis ist das wahrscheinlichste Ergebnis.
14...Bb7 15.Qd3 15.Qe2!? Nxe4?! 16.Nxe4 Bxe4 17.Qg4 und f5-f6 ist ziemlich störend. d5 18.f6 Bxf6 19.Rxf6 Qxc2 20.Rf2 Schwarz hat drei Bauern für die Figur, aber der Anziehende läßt Taf1 oder Tc1 oder Td1 folgen und sollte danach die besseren Perspektiven haben 15...h6 15...Nxe4!?
16.Nxe4 Qc6 17.f6 gxf6 18.Nxf6+ Bxf6 19.Qd2 Bg7 Schwarz steht zumindest nicht schlechter hier. 20.Rf3 20.Rf5 20.Rad1 20...Qc7 21.Rg3 Kh8 22.Rxg7 Kxg7 23.Bh6+ Kh8 24.Bg7+ Kxg7 24...Kg8 25.Bf6+- 25.Qg5+= besitzt eine gewisse Logik.
16.h3 Rac8 17.Bf2 a5 18.Bb3!? Bc6 19.Bh4 Rfd8 Die Stellung ist ausgeglichen. Beide Seiten haben ihre Trümpfe. Aber der letzte Turmzug gefällt nicht, da es dem Anziehenden jetzt gelingt, seine weißfeldrige Strategie umzusetzen. 19...Nh5!? 20.Bxe7 Qxe7 21.g3 Die erhoffte Schwächung der weißen Königsstellung. Nf6 Und der Nachziehende hat nichts zu fürchten. 20.Bxf6! Die entstende Stellung mag noch annehmbar für Schwarz sein, aber nach dem Abtausch des Läufers gegen den Springer kommt man unweigerlich in das strategisch sehr unangenehme Mittelspiel von Carlsen. Bxf6 21.Kh1 Rb8 22.Nd5 Bxd5 23.Bxd5 Qb6 24.c3 Rdc8 25.Rfd1 Rc5 26.Bb3 Rd8 27.g3 Rc7 28.Kg2
Der jüngere der beiden Inder verstärkt in dieser Partie seine Stellung langsam aber sicher, Karpovian Style. 28...Qc5 29.h4 Qb6 30.Rd2 Qb7 31.Kh3!
Der König wird prohylaktisch aus der Diagonalen der gegnerischen Dame gezogen. Aber wichtiger ist, dass der Monarch die zweite Reihe verlässt und den h-Bauern deckt. 31...Rdc8 32.Rad1 Rc5 33.Qf3 Be7 34.Rf1 Dieser Zug ist nicht schlecht und ganz im bisherigen geduldigen Spielstil. Aber es gab eine taktische Möglichkeit die weißen Felder noch mehr zu betonen. 34.f6!?
34...Qd7+ 34...Bxf6 35.Rxd6± 34...gxf6 35.Qg4+ Kf8 36.Qh5+- 35.Kg2 Bxf6 36.Rxd6±
34...Qd7 35.Kg2 Qb7 36.Bd5 Qd7 37.Bb3 Qc7 38.Qh5 Auch Pragg hat einige Wartezüge gemacht in seiner Zeitarmut, aber anders als Prit, spielt er überzeugend auf Gewinn. Schlußendlich findet Weiß das richtige Feld für die eigene Dame. Weiß plant seinen g-Bauern vorzuschieben, nebenbei hängt der Bauer f7. Bf6 39.Rfd1 Rc6 40.Kh3 b4
Die Zeitnotphase ist überstanden und jetzt geht es an die Verwertungsphase. Schwarz versucht auf der c-Linie Gegenspiel zu entwickeln. es zeigt sich aber, dass der Läufer auf b3 in Kombination mit dem Bauern b2 sämtliche wichtigen Einbruchsfelder kontrolliert. 41.cxb4 axb4 42.a4 Rf8 43.g4 Qb6 44.Re2! Weiß hat alle Zeit der Welt, seine Figuren weiter besser zu stellen. Der Anziehende droht mit g4-g5-g6 fortzusetzen. d5 Schwarz sieht ein, dass er auf Verlust steht und fischt ein wenig im Trüben. 45.Bxd5 Rd6 46.g5 Bd8 47.g6 47.a5 Qa6 48.Rg2 wäre noch eine Spur härter gewesen. Schwarz muss in dieser Stellung bereits aufgeben. 47...Kh8 48.gxf7 Bf6 49.Kh2 Qd8 50.Rg2 Bxh4 51.Rdg1 Bf6 52.Rg6 Bh4 53.Rxg7
Eine strategische Meisterleistung von Pragg und das notwendige Ausrufezeichen mit dem er sich im Turnier zurückmeldet. Sein Gegner wird sich nach der Partie keine drei weiteren Runden mehr gewünscht haben. Vermutlich muss jetzt Nihal mit dem Zug 6.a2-a3 gegen Najdorf nachlegen.
1–0
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Praggnanandhaa,R2515Gopal,G25931–02018B90Tradewise Gibraltar Chess Festival 20187.23
Sethuraman,S2646Praggnanandhaa,R25151–02018C79Tradewise Gibraltar Chess Festival 20188.16
De Haan,E2304Praggnanandhaa,R25150–12018E54Tradewise Gibraltar Chess Festival 20186.51
Praggnanandhaa,R2515Bosiocic,M2628½–½2018A07Tradewise Gibraltar Chess Festival 20189.25
Gledura,B2612Praggnanandhaa R25151–02018D77Tradewise Gibraltar Chess Festival 201810.26

Pragg wirkte in Gibraltar überspielt. Man sollte beachten, dass Pragg nach Stockholm (27. Dezember bis 5. Januar) ein Rundenturnier in Charlotte, North Carolina, einschob. Das GM-Norm-Turnier mit neun Runden wurde an nur fünf Tagen, vom 11. bis zum 15. Januar, gespielt. Am 23. Januar ging es in Gibraltar weiter. Pragg ist zwölf Jahre alt und jettet derzeit von einem Turnier zum nächsten. Vielleicht war die derbe Niederlage am Schlusstag in Gibraltar ein Warnzeichen für alle Beteiligten, dass eine weitere Rekordjagd und Turnierhetze der schachlichen Entwicklung des Jungen nicht helfen wird, im Gegenteil. In manchen, allerdings nur wenigen Situationen, hatte Pragg in Gibraltar neben seinen dramatischen Niederlagen auch das Glück des Tüchtigen.

Zurück zum Turnier: Praggs Gegnerschnitt lag nach der erhofften Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte bei 2470. Für eine Großmeisternorm wäre ein Ergebnis von +4 notwendig gewesen. Pragg erspielte bei 5,5 Punkten (+1) eine Performance von 2506.

Eröffnungen

Der überzeugende Sieg gegen Gopal zeigt das bereits ausgeprägte Spielverständnis von Pragg. In der Eröffnung versucht er oft, einfach nur eine spielbare Stellung zu erhalten. Vermutlich sollte er an seinem Repertoire arbeiten, statt unsinnige Turniere zu spielen. Gegen 1.e2-e4 musste Pragg zuletzt empfindliche Niederlagen im Spanier einstecken, vielleicht tut ihm ein hier eine Erweiterung seines Repertoires gut. Nihal beispielsweise setzt seine Gegner schon in der Eröffnung gerne unter Druck, auch wenn er dabei manchmal nur blufft. Es wäre interessant zu sehen, wie Großmeister reagieren würden, wenn Pragg sie mit ihrem eigenen Repertoire konfrontieren würde.

Schlussbetrachtung

Insgesamt spielten die drei indischen Talente in Gibraltar sehr stark. Jeder von ihnen gewann mindestens eine Partie gegen einen Großmeister. Die letzte Runde von Prit sollte man getrost vergessen. Bei ihm war die Spannung seit der Vorschlussrunde raus. Nihal wirkt derzeit am stabilsten, auch wenn er durch den missglückten, zu vorsichtigen Turnierstart keine Chancen auf eine Norm hatte. Pragg wird an seinem Repertoire arbeiten müssen. Spielen die drei in diesem Jahr noch einige Turniere – und Pragg hoffentlich nicht zu viele -, dann werden vermutlich mindestens zwei von ihnen dieses Jahr noch Großmeister werden.


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.

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