Das erste WM-Match in London seit dem Jahr 2000
Bei einem öffentlichen Auftritt mit Weltmeister Magnus Carlsen hat World Chess, Organisator der Schachweltmeisterschaft, vor kurzem angekündigt, dass London den WM-Kampf 2018 ausrichten wird. Verkündet wurde das bei einem Empfang im Kensington Roof Gardens, zu dem George Osborne eingeladen hatte, ein ehemaliger Politiker und großer Schachfan. Unter Premierminister David Camerion, der England von 2010 bis 2016 regierte, war Osborne Finanzminister, jetzt arbeitet er als Herausgeber und Redakteur beim London Evening Standard.
Dass London Gastgeber der WM sein würde, war allerdings bereits vorher durchgesickert, und schon am 9. Oktober hatte der spanische Journalist und ChessBase-Mitarbeiter Leontxo Garcia darüber in der spanischen Zeitung El Pais berichtet. Diese Meldung wurde jetzt offiziell bestätigt.
Magnus Carlsen, der in London ist, weil er an den London Chess Classic teilnimmt, die am Freitag beginnen, verkündete die Entscheidung, die WM in London zu spielen, in einer kurzen Ansprache:
Der Preisfonds des Wettkampfs beträgt € 1.000.000, das ist das von der FIDE verlangte Minimum. Der offizielle Twitter-Hashtag des Wettkampfs lautet wahrscheinlich #LondonPlaysChess. Damit wird fortgeführt, was beim Kandidatenturnier begonnen hat. Der Hashtag für das Kandidatenturnier lautet #berlinplayschess, wie ein kürzlich von World Chess abgesetzter Tweet belegt, der bestätigt, dass Shakhriyar Mamedyarov und Alexander Grischuk die beiden letzten Teilnehmer des Kandidatenturniers sind:
Auch ein neues Logo gibt es, dessen Minimalismus im Einklang mit dem Stil steht, den Agon / World Chess seit Gründung des Unternehmens 2012 verwandt hat.
Das Logo des Weltmeisterschaftskampfes 2018 | Quelle: World Chess auf Facebook
Neuigkeiten
Die in der Presseerklärung erwähnten Sponsoren sind die gleichen wie beim WM-Match 2016 und beim Grand Prix, allerdings scheint der "offizielle Partner" PhosAgro, ein russisches Chemieunternehmen, einen langfristigen Vertrag mit World Chess unterzeichnet zu haben. Wie lang diese Zusammenarbeit dauern wird und wie hoch der Betrag ist, den PhosAgro investiert, wurde jedoch nicht erwähnt.
Die Erklärung zitiert Andrey Guryev, den CEO von PhosAgro:
Die langfristige Unterstützung der Schachweltmeisterschaften, die wir heute unterzeichnet haben, ist Teil von PhosAgros bewährtem Programm der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens, mit dem Ausbildung, Wissenschaft, Medizin und Sport unterstützt werden. Wir haben bereits das WM-Match 2014 in Sotschi und das WM-Match 2016 in New York gefördert und wir sind fest entschlossen, diese Unterstützung fortzuführen. Wir freuen uns über die Wahl des Austragungsortes: in London treffen sich Tradition und moderne Technologie, und genau das ist unsere Vision für die Zukunft des Schachs. Wir können es kaum erwarten, bis das Schachfieber in London ausbricht!
Auch andere Partner sind wieder dabei: Kaspersky Lab, deren Zentrale ebenfalls in Moskau ist, als "Offizieller Cybersecurity Partner von World Chess und FIDE"; S.T. Dupont als "Offizielles Schreibgerät"; und Isklar, die norwegische Firma, die auch Carlsen sponsort, als "Offizielles Mineralwasser".
Ilya Merenzon, der CEO von Agon, erklärte:
Schach ist heute eines der beliebtesten Computerspiele, aber hat zugleich eine lange Tradition, und wir glauben, dass London die perfekte Umgebung für den nächsten WM-Kampf ist. Wir verwandeln den Sport und machen ihn modern und hip, aber mit Rücksicht auf Jahrtausende alte Traditionen – und wir hoffen, diese Verwandlung würdevoll durchzuführen, wie es auch London macht.
Die Presseerklärung verspricht einen Wettkampf, "in dem jeder Zug von Hunderten Millionen von Schachfans in aller Welt verfolgt und analysiert werden wird", und verweist darauf, dass "mehr als 1,5 Milliarden Menschen" den Weltmeisterschaftskampf 2016 als Publikum verfolgt haben. Das ist vielleicht ein wenig übertrieben, denn selbst wenn man den Begriff "Publikum" großzügig auslegt, dann ist die Zahl von 1.500.000.000 Leuten, also ein Fünftel der heutigen Menschheit, beinahe unvorstellbar hoch.
Das Marktforschungsunternehmen YouGov wird einmal mehr als Quelle der zweifelhaften Behauptung angeführt, dass "es mehr Leute gibt, die regelmäßig Schach spielen, als Golf- und Tennisspieler zusammengenomen". Schach hat ein großes Publikum und kann so spannend präsentiert werden, dass Profis, Amateure und Gelegenheitsfans gleichermaßen angesprochen werden. Auf lange Sicht gesehen dient die ewige Wiederholung dieser albernen Statistiken aber niemandem.
Bemerkenswert ist auch das, was nicht erwähnt wurde, nämlich der genaue Spielort. Beim WM-Kampf 2016 wurde der genaue Spielort erst drei Monate vor Beginn des Wettkampfs bekannt gegeben. Für diese späte Festlegung auf einen Spielort wurde Agon stark kritisiert, unter anderem von den Spielern. Hoffen wir, dass der Wettkampf jetzt, da die Stadt, in der das Match stattfindet, bereits 345 Tage vor Wettkampfbeginn feststeht, eine solidere Basis hat.
Nicht ganz ein Jahr bis Wettkampfbeginn. Schon aufgeregt?!
London2018.worldchess.com
Die neue Subdomain von World Chess bietet Informationen über den Ticketverkauf und lockt mit "Personal Bundle" und "Referral Programm" Angeboten, die im Laufe der kommenden zwei Monate verfügbar sein sollen. Die Presseerklärung stellt auch fest:
World Chess stellt auf www.worldchess.com und den Seiten von Medienpartnern exklusiv eine freie Live-Übertragung der Züge des Wettkampfs zur Verfügung. Der "Premium Online Broadcast" kostet $15 für den Wettkampf oder $25 für das ganze Jahr und umfasst Videoübertragungen mit mehreren Kameras, einen Blick hinter die Kulissen, eine Studioshow mit Expertenkommentaren und prominenten Gästen sowie weitere Vorteile, die nur Abonnenten zuänglich sind, zum Beispiel Merchandise-Artikel mit begrenzter Auflage, die Möglichkeit, Großmeistern während der Pressekonferenzen Fragen zu stellen und vieles mehr. 10% aller digitalen Tickets werden zur Erhöhung des Preisfonds verwandt.
Es ist nicht das erste Mal, dass London einen Wettkampf um die Schachweltmeisterschaft ausrichtet. Im Jahr 2000 fand hier der Wettkampf statt, in dem Vladimir Kramnik gegen Garry Kasparov gewann und sein Nachfolger auf dem WM-Thron wurde. Ironischerweise gehört Kramnik 17 Jahre später wieder zu den Kandidaten! Die Entscheidung, dass Kramnik die Wild Card für das Kandidatenturnier erhalten würde — die vor einem Monat ungewöhnlich früh verkündet wurde — hat den russischen Sponsoren des WM-Zyklus sicherlich gefallen.
London war auch Ausrichter des Wettkampfs zwischen Kasparov und Nigel Short und Ausrichter der einen Hälfte des Weltmeisterschaftskampfs zwischen Kasparov und Anatoly Karpov 1986.
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Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer