06.12.2024 – Der Zeit-Schachreporter Ulrich Stock ist seit über zehn Jahren bei jeder Schach-Weltmeisterschaft und bei vielen anderen Turnieren dabei gewesen. Vor Ort. Für die Leser des Wochenmagazins Die Zeit berichtet er aus erster Hand so von den Geschehnissen dort, dass auch Nicht-Schachspieler einen guten Eindruck bekommen. Auch in Singapur steht er wieder in der ersten Reihe. | Foto: Thorsten Cmiel
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Das Schachspiel steht bei der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" immer ein Thema. Das mag vielleicht daran liegen, dass der frühere Herausgeber Helmut Schmidt selber ein passionierte Schachspieler war. Schreib-und Erzählkünstler wie Wolfram Runkel (+2019) oder Helmut Pfleger, mit seiner Schachspalte, die er gefühlt seit Erfindung des Buchdrucks betreut, oder Schachreporter wie Ulrich Stock sorgten und sorgen für eine sachgerechte und kompetente Darstellung der Geschehnisse auf den 64 Feldern und dem Drumherum. Nur wenn man selber gut Schach spielt, kann man so davon erzählen, dass auch die Nicht-Schachspieler verstehen, was passiert ist. Das konnte Wolfram Runkel, das kann besonders gut Schachgroßmeister Helmut Pfleger und das kann auch Ulrich Stock.
Ulrich Stock bei einem Schachvortrag in Hamburg | Foto: André Schulz
Zum 70sten Geburtstag der "Zeit" hatte Ulrich Stock Magnus Carlsen nach Hamburg geholt. Damals noch Weltmeister, gab Carlsen im Rahmen der Geburtstagsfeier ein Simultan gegen 70 Gegner. Dass Carlsen und Stock jetzt beide für die Schachabteilung von St. Pauli auf Punktejagd gehen, ist aber eher Zufall.
Die letzten Schachweltmeisterschaftskämpfe fanden in Sofia (2010, Anand gegen Topalov), Moskau (2012, Anand gegen Gelfand), Chennai (2013, Anand gegen Carlsen), Sotschi (2014, Carlsen gegen Anand), 2016 (New York, Anand gegen Karjakin), London (2018, Anand gegen Caruana), Dubai (2021, Anand gegen Nepomniachtchi) und Astana (2023, Ding gegen Nepomniachtchi) statt.
Ulrich Stock war bei allen Matches dabei, berichtete nicht nur über die Partien, sondern auch über das Drumherum, die Dinge am Rande der Weltmeisterschaften, über die Atmosphäre und über Land und Leute da, wo die Wettkämpfe geführt wurden. Aber auch viele andere Turniere hat der Schachreporter bereist, zum Beispiel das Kandidatenturnier in Toronto, wo Gukesh sich als Herausforderer des Weltmeisters qualifizierte. Ulrich Stock kommt gelegentlich per Klappfahrrad zum Turnierort. Er reist damit nicht an, aber er bringt es im Flieger mit und fährt dann von seinem Hotel zum Spielort. In Toronto sorgte er damit bei den Kollegen für großes Aufsehen und Sagar Shah erklärte für die indischen Zuschauer seiner Video-Blogs den Mechanismus.
Natürlich steht der Zeit-Rreporter in engem Austausch mit den Kollegen, auch mit Sagar Shah von ChessBase India, der auch immer und überall vor Ort ist, wenn dort Inder mitspielen, und bekommt auf diese Weise auch sonst viel mit. Begeistert war Ulrich Stock von der Gukesh Home Story, die ChessBase India schon vor ein paar Monaten veröffentlichte.
Für die Weltmeisterschaft ihres Spielers haben die indischen Schachaktivisten einen Saal in Mumbai gemietet und kommentieren dort mit mehreren Leuten und mit viel Enthusiasmus die WM-Partien für die Zuschauer im Internet und im Saal. Wenn Gukesh einen guten Zug macht, gibt es lautstarken Jubel - so wie einst in den 1950er und 1960er Jahren bei den Weltmeisterschaftskämpfen in den großen Sälen und Theatern in der Sowjetunion.
Auch in Singapur hat der Zeit-Reporter sein Klapprad wieder dabei. Aber es blieb bei einer einzigen Fahrt. Bei 30 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und häufig plötzlich einsetzendem Regen ist man auf dem Fahrrad meistens nass. So oder so.
Nicht nur das Wetter behandelt die unermüdlichen internationalen Schachberichterstatter schlecht. Bei Schachweltmeisterschaften oder Turnieren werden die Spieler auf Watte gebettet, erhalten in ihren Ruhezonen Snacks und Erfrischungen und ihre Wünsche werden ihnen von den Augen abgelesen. Und auch den beobachtenden Vertretern des Weltschachbundes FIDE geht es überall gut. Dass auch Journalisten bei der Betrachtung und Berichterstattung von fünf- oder sechsstündigen Partien irgendwann Hunger bekommen können, wissen die Organisatoren von Turnieren und Weltmeisterschaftskämpfen zumeist nicht. Selber schuld, wenn sie verhungern. Warum vergessen die Schreiber immer ihre EPAs, wenn sie zum Schach gehen? Beim Kandidatenturnier in Berlin vor ein paar Jahren organisierte Ulrich Stock mit anderen Journalisten einen Aufstand und schrieb einen Brandbrief an die Organisatoren der FIDE. Danach gab es immerhin ein paar Kekse und Kaffee.
In der aktuellen Printausgabe der Zeit vermittelt der Schachreporter wieder viel Atmosphäre von der Schach-WM, jetzt auf auf der Südhalbkugel, und den besonderen Momenten dort. Eine chinesische Journalisten zum Beispiel stellt auf den Pressekonferenzen ihre Fragen immer nur auf Mandarin. Das versteht sonst keiner im Saal und es wird auch nicht übersetzt. Wozu auch? Ding Liren antwortet der Journalistin, auch auf Mandarin. Die beiden verstehen sich, das reicht doch.
Auf der Webseite der Zeit füllen Ulrich Stocks Berichte einen langen Schach-Blog. Für die, die nicht eine Woche auf die Printausgabe warten wollen. Im Mai verlieh der Deutsche Schachbund Ulrich Stock seinen Schachpreis 2023.
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