In der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT wird an prominenter Stelle, auf Seite drei, das Thema "Transgender im Schach" beleuchtet. Nachdem bei der letzten Deutschen U18-Mädchenmeisterschaft mit Nora Heidemann eine Transgenderperson den Titel gewonnen hatte, wurde das Thema "Transgender im Schach" heiß und emotional aufgeheizt diskutiert.

Zur Erinnerung: Mit der von der SPD-Grüne-FDP-Koalition stark liberalisierten Gesetzgebung zur geschlechtlichen Selbstbestimmung )ab 1. November 2024in Kraft) ist der (juristische) Geschlechterwechsel nur noch ein einfacher Verwaltungsvorgang, der beim Standesamt beantragt wird.
Auf der Seite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz heißt es:
Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen haben seit dem 1. November 2024 die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von Gutachten in einem Gerichtsverfahren sind nicht länger erforderlich.
Das Gesetz ist am 1. November 2024 vollends in Kraft getreten. Bereits seit 1. August 2024 war die Anmeldung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei den Standesämtern möglich.
Das Selbstbestimmungsgesetz macht es einfacher für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Es löst das in wesentlichen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ab.
Der Antrag auf Geschlechterwechsel erfolgt durch eine Eigenerklärung, in der der Antragssteller versichert, dass "die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht." Der Gesetzgeber geht davon aus, das nur Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen einen Antrag auf Geschlechterwechsel stellen. Eine Überprüfung findet nicht mehr statt.
Zu den Personen, die von der neuen Gesetzgebung Gebrauch machten, gehörte auch Nora Heinemann. Sie wurde als Junge geboren, änderte aber kürzlich ihr Geschlecht auf weiblich und erhielt von der Deutschen Schachjugend auf Antrag einen Freiplatz zur Teilnahme an der Deutschen U18-Mädchenmeisterschaft. Sie gewann das Turnier, obwohl sie in der Startrangliste nach Wertungszahl nur auf dem zehnten Platz geführt wurde.
Die Teilnahme von Nora Heidemann bei der Mädchenmeisterschaft sorgte für einige Aufregung im Deutschen Schachbund, wobei Schach bei Weitem nicht der einzige Sport ist, bei dem das neue Selbstbestimmungsgesetz der letzten Bundesregierung Fragen aufwirft, für die die Sportverbände noch keine Antworten gefunden haben. Die Bundesregierung hatte auf Anfrage erklärt, dass das Gesetz keine Auswirkungen auf die Sportwettbewerbe habe, berichtet Ulrich Stock in seinem Zeit-Artikel. Die Verbände können das Thema also so handhaben, wie sie es für richtig halten. Der Weltschachbund FIDE hatte vorläufig festgelegt, dass Transgender bei FIDE-Veranstaltungen im Offenen Wettbewerb mitspielen sollen, nicht bei den Frauen, stellt den nationalem Verbänden aber eine andere Regelung frei.
Bei seiner Recherche wollte Ulrich Stock mit möglichst vielen Beteiligten sprechen, um sich ein umfassendes Meinungsbild zu verschaffen. Doch nicht alle waren bereit, dem Zeit-Reporter ihre Ansichten oder Argumente mitzuteilen. Besonders von den Befürwortern einer weniger liberalen Handhabung der Transgenderfrage im Schach wurde öffentliche Zurückhaltung geübt.
Wenn man mit den Gegebenheiten im Schach nicht so vertraut ist, könnte man zu der Auffassung kommen, dass das Geschlecht im Schach keine Rolle spielt, da Intelligenz bei Männern und Frauen ja gleich verteilt ist. Tatsächlich spielen aber die besten Männer deutliche besser als die besten Frauen. Der Unterschied in allen internationalen und nationalen Ranglisten beträgt mindestens 200 Elopunkte. Ulrich Stock spürte den möglichen Ursachen nach und erhielt von Elisabeth Pähtz, der besten deutschen Frau im Schach seit 25 Jahren mögliche Erklärungen: Männer haben ein kräftigeres Herz-Kreislauf-System und sie haben eine bessere räumliche Orientierung. Frauen sind hingegen durch ihren Menstruationszyklus in der Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
In Nora Heidemanns Heimatort Spenge freut man sich über den Erfolg. Ulrich Stock sprach auch mit Nora Heidemann, die von der Aufregung um ihrer Teilnahme gar nicht viel mitbekommen hat. Er besuchte auch die Drittplatzierte der Meisterschaft, Helena Neumann. Die kurzfristige Freiplatzvergabe sei seitens des Schachbundes bzw. der Deutschen Schachjugend nicht gut kommuniziert worden, meinst sie. Aber in der Teilnahme von Transgenderpersonen in Frauen-oder Mädchenpersonen sieht sie kein Problem. Die Probleme für Mädchen beim Schach lägen in Wirklichkeit ganz woanders...
Artikel in der aktuellen Ausgabe der ZEIT (online hinter Paywall)...
Bunt und inklusiv oder überhastete Symbolpolitik...