Ein kurzer Besuch einer kurzen Partie

von Maxim Dlugy
29.11.2016 – Maxim Dlugy war in Eile, aber wollte trotzdem bei Partie 12 des WM-Kampfs zwischen Magnus Carlsen vs Sergey Karjakin dabei sein. Die ging unerwartet schnell zu Ende: Nach einer halben Stunde schlossen Carlsen und Karjakin Frieden und vertagten die Entscheidung über den WM-Titel auf den Tie-Break am Mittwoch. Während der kurzen Partie plauderte Dlugy mit alten Bekannten, spielte Blitz und diskutierte religiöse Fragen mit Henrik Carlsen und Richard Conn. Mehr...

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Maxim Dlugy berichtet aus New York von der 12. Partie

Ich hatte nur 50 Minuten Zeit, um bei Partie 12 dabei zu sein, aber das war genug, um die ganze Partie zu verfolgen und auch noch zwei Blitzpartien gegen Fabiano zu spielen. Wie ist das möglich? Magnus wollte einfach, dass ich die ganze Partie sehen kann!! Aber ich kann verstehen, wie man einfach nur Feierabend machen will, wenn man müde wird. Ich glaube, das ist hier geschehen - und Magnus glaubt wahrscheinlich, dass seine Chancen im Tie-Break besser sind. Aber was geschah noch während der Partie?

Eine ganze Menge: So wurde ich in  eine interessante Unterhaltung mit Richard Conn und Henrik Carlsen verwickelt. Richard hat vor Kurzem ein Buch zum Abschluss gebracht, an dem er arbeitet, seit er 12 (?) ist. Das Buch beschäftigt sich mit der Frage, wie man Kinder ohne Religion erzieht. Nach einer Würdigung durch Richard Dawkins freut sich Richard jetzt darauf, sein Lebenswerk mit denen zu teilen, die so lange nach einer Antwort auf die zentrale Frage des Buches gesucht haben.

Henrik meinte dazu, Norwegen hätte dieses Problem gelöst und Religion durch Öl ersetzt. Aber das ist natürlich nur ein Land und ich glaube, die Antwort auf diese Frage braucht eine breitere Basis. Wie auch immer, ich freue mich auf das Buch und Richard hat mir ein Exemplar versprochen. Im Gegenzug bekommt er mein Buch 'Grandmaster Insides', das demnächst erscheinen wird.

Henrik Carlsen und Richard Conn

Dann sah ich zu meinem Erstaunen, wie der legendäre Organisator Jose Cuchi an mir vorbei lief. Ich rief seinen Namen und der brillante Organisator, der früher das New York Open und zahlreiche andere internationaler Turniere organisiert hatte, drehte sich tatsächlich um. Er erzählte, dass er im Jahr 2000 während der Arbeit an einer weiteren Auflage des unglaublich stark besetzten Turniers nach Schweizer System einen Schlaganfall erlitten hätte und danach vor der Wahl stand, sich auf Schach oder auf die Arbeit zu konzentrieren, mit der die Miete bezahlt wurde. Er entschied sich für das Wohl seiner Familie.

Ich erinnere diese Turniere gut: Sie waren ein wirklicher Leistungstest und verschafften jungen Talenten Gelegenheit, gegen die besten Spieler der Welt anzutreten. Smyslov, Tal, Spassky, Kortschnoi, Portisch und eine ganze Reihe anderer berühmter Spieler nahmen an diesen Turnieren teil. 1985 wurde ich sogar einmal geteilter Erster.

Kirill Zangalis, der Manager von Sergey, erzählte mir, dass ein Fernsehteam einer der größten russischen Fernsehanstalten nach New York gekommen war. Er hatte ihnen empfohlen, meine Akademie zu besuchen und ein paar gute Aufnahmen zu machen. Das waren gute Neuigkeiten, denn am Dienstag wird bei mir geblitzt und sie sind herzlich willkommen.

Mein Freund Andrey Minkov, der gerade Blitz mit einem anderen guten Freund von mir spielen wollte, kam zu uns, um sich die Schachuhr auszuleihen, die ich bei mir hatte. Ich gab sie ihm und er fragte, gegen wen er denn da eigentlich spielen würde. "Gegen den dreifachen US-Meister Lev Alburt", antwortete ich. "Also habe ich keine Chance?", fragte Andrey nach. "Keine", stimmte ich zu.

Gerade als wir uns darauf einstellten, dass Magnus ein Kaninchen aus dem Hut zaubern und eins dieser Endspiele mit kleinem, aber spürbaren Vorteil zelebrieren würde, wurde alles abgetauscht und 30 Minuten nach Beginn der Partie Remis gemacht. Ich entdeckte Fabiano und obwohl ich nicht mehr genug Zeit für ein wirkliches Match hatte, spielten wir dennoch ein paar Partien 2 gegen 2.

In der ersten Partie kam ich mit Schwarz gut aus der Eröffnung heraus, aber habe es dann verpatzt, weil ich zu aggressiv wurde. Ich schob die Figuren zusammen, um es in der zweiten Partie mit Weiß besser zu machen. Doch im frühen Mittelspiel unterlief mir ein schwerer Fehler, der mich Qualität und Bauern kostete. Aber ich bereitete Fabi doch einiges Kopfzerbrechen, was schließlich dazu führte, dass er die Zeit überschritt, allerdings hatte er mir vorher schon alle meine Figuren und Bauern weggenommen. 1,5:0,5 für ihn.

Die Zuschauer im ausverkauften Saal waren unzufrieden über das schnelle Remis, aber Ilya Merenzon von Organisator Agon kündigte an, dass die Tickets für Partie 12 auch beim Tie-Break am Mittwoch gültig sein würden. Beim Tie-Break kommt es darauf an, gut Blitz zu spielen. Und ist es nicht genau das, was ich in all meinen Berichten immer wieder betone?

Übersetzung: Johannes Fischer


Maxim Dlugy wurde 1966 in Moskau geboren, 1977 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA. 1985 wurde Dlugy Juniorenweltmeister, später arbeitete er an der Wall Street. Dlugy lebt in New York, hat Frau und Kinder und liebt das Blitzen.

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