30.06.2015 – Nach zwei turbulenten Auftaktrunden gönnte sich das Teilnehmerfeld des Dortmunder Sparkassen Chess-Meetings einen Ruhetag. Den nutzte Dagobert Kohlmeyer, um Gespräche mit den Teilnehmern und der Teilnehmerin des stärksten Turniers mit klassischer Bedenkzeit, das dieses Jahr in Deutschland gespielt wird, zu führen. Und zu fotografieren. Mehr...
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Sparkassen Chess-Meeting bietet interessantes Feld und große Überraschungen
Nach zwei gespielten Runden ist am ersten Ruhetag Gelegenheit zu einer kleinen Zwischenbilanz und auch für einen Blick hinter die Kulissen des stärksten Schachturniers in Deutschland. Wohl kaum einer hätte vorher gedacht, dass Seriensieger Wladimir Kramnik mit einer Weiß-Niederlage starten und dass der "Neuling" Liviu-Dieter Nisipeanu vor dem dritten Spieltag mit einem ganzen Zähler Vorsprung führen würde.
Was das Teilnehmerfeld angeht, hatten die Organisatoren des Sparkassen Chess-Meetings in diesem Jahr eine besonders gute Idee. Seit 1997 die Ungarin Judit Polgar das Herrenfeld im Hauptturnier aufmischte, war keine Schachamazone mehr dabei. Umso größer ist die Freude, dass nun mit Hou Yifan die beste aktive Schachspielerin der Gegenwart das Turnier nicht nur schmückt, sondern den männlichen Kollegen auch einen beherzten Kampf liefern will. Ein Grund mehr für den langjährigen Reporter und Chronisten der internationalen Schachtage, sich auf die Reise nach Dortmund zu machen.
Das Dortmunder Sparkassen-Chess Meeting 2015 hat
ein interessantes Teilnehmerfeld. Mit dabei: Hou Yifan.
Wenn man die Bahnstrecke von Berlin (ohne Streik und große Verspätung) zurückgelegt hat, trifft man beim Einchecken im Spielerhotel sogleich bekannte Gesichter. An der Rezeption des Spielerhotels stehen der Vorjahressieger Fabiano Caruana und sein Coach Wladimir Tschutschelow. Caruanas Wechsel zum amerikanischen Verband ist nun vollzogen und er ab diesem Event für die USA spielberechtigt. Wladimir Kramnik kommt hinzu. Ich gratuliere ihm zum 40. Geburtstag, den er tags zuvor gefeiert hat. Er ist damit Turniersenior in Dortmund. Zur Pressekonferenz frage ich ihn, wo der Unterschied zwischen dem 16-jährigen Jungen, der im Frühjahr 1992 in Dortmund seine große internationale Karriere begann und dem heutigen Wladimir Kramnik ist. Er überlegt kurz und sagt dann:
"Schachlich gesehen, ist er wohl nicht so groß. Ich habe dem Chess-Meeting viel zu verdanken. Nicht nur, weil ich durch meine zehn Siege ins Guinness-Buch der Rekorde kam. Vielleicht kann ich die Bestmarke noch ausbauen. Es ist sicher das wichtigste Turnier meiner Karriere." Auch wenn die Rechenfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlasse, wolle er immer noch versuchen, gutes Schach zu spielen. Manchmal gelinge das sehr gut, manchmal weniger. "Ich mag die Stadt. Wenn man über 20 Mal in Dortmund an den Start geht, sind einem natürlich viele Plätze der Stadt sehr vertraut." Kramnik fügt noch hinzu: "Sicher hat sich die Schachwelt inzwischen sehr verändert. Etliche Kontrahenten des diesjährigen Turniers waren, als ich zu Beginn der 1990er Jahre in Dortmund spielte, noch gar nicht geboren."
Arkadij Naiditsch, der in Dortmund groß wurde und das Turnier 2005 gewann, ist ebenfalls Stammgast im Revier. Seit knapp 15 Jahren setzt er bei den Großen die Figuren, wobei er Kramnik inzwischen schon dreimal schlagen konnte. Deutschlands Nr. 1 brachte seine junge Ehefrau Julia mit, die beiden sind seit vergangenem Herbst verheiratet.
Julia und Arkadij Naiditsch
Premiere in Dortmund feiern in diesem Jahr Hou Yifan und Wesley So. Der für die USA startende Großmeister mit philippinischen Wurzeln reiste mit seiner Stiefmutter Lotis Key an. Liviu-Dieter Nisipeanu ist auch das erste Mal dabei. Der seit dem Sommer 2014 für Deutschland spielende Großmeister sagte vor dem Start: "Früher habe ich das Dortmunder Turnier nur im Internet verfolgt und mit den dort gespielten Partien trainiert. Jetzt bekam ich die Chance, hier mitzuspielen. Wie das ausgehen wird, ist schwer zu sagen. Wenn ich in guter Form bin, traue ich mir einiges zu. Manchmal spiele ich aber auch schlecht - alles ist möglich." Wie toll er spielen kann, zeigte Dieter in den ersten beiden Runden. Man darf gespannt sein, wie seine Weißpartie am dritten Spieltag gegen Hou Yifan ausgeht. Legt Nisipeanu nach, kommt Yifan ins Turnier zurück, oder trennen sich beide am Ende friedlich? Alles ist möglich.
Nicoletta und Liviu-Dieter Nisipeanu
Vor und nach dem Pressegespräch gab es reichlich Gelegenheit zum Fotografieren. Einer fehlte noch im Achterfeld. Aeroflot-Sieger Jan Nepomniachtschi. Der russische Großmeister war noch bei der Anreise aus dem fernen Kuba vom Capablanca-Gedenkturnier. Zur Eröffnungsfeier am Abend war "Nepo" aber zur Stelle.
Die Teilnehmer des Dortmunder Sparkassen-Chess
Meetings 2015 - Jan Nepomniachtschi ist im Geist dabei.
Bei einem privaten Shooting mit Schachkönigin Hou Yifan gelang es der Chinesin unter anderem, die Dame standhaft auf der Schulter zu behalten - beredtes Zeichen ihrer Model-Qualitäten.
Verliert nicht so schnell das Gleichgewicht: Hou Yifan
Zum abendlichen Bankett brachte die Schachkönigin aus dem Reich der Mitte auch ihre Mutter mit, die sie stets auf ihren Wettkampfreisen begleitet. Da bleibt der Coach, wie auch bei diesem Event, schon mal zu Hause.
Hou Yifan mit ihrer Mutter
Die Sparkasse Dortmund, seit nunmehr 20 Jahren Titelsponsor des Turniers, hatte zur feierlichen Eröffnung geladen, und es kamen u.a. der DOSB-Vizepräsident für Leistungssport Ole Bischof, Olympiasieger 2008 im Judo sowie DSB-Präsident Herbert Bastian.
Uwe Samulewicz, Herbert Bastian, Ole Bischof
Der frühere Judoka Ole Bischof mag Schach sehr und spielt es seit seiner Kindheit: "Meine ältere Schwester regte sich immer tierisch auf, wenn ich ihr Figuren weggenommen habe."
Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen dem Leben als aktiver Sportler und dem als Sportfunktionär erwiderte er: "Der ist sehr groß. Ich weiß auch, dass Funktionäre nicht immer den besten Ruf haben. Aber wenn wir als Sportler anderen alles überlassen, dann ist das schlecht. Ich finde es wichtig, dass man, wenn man Athlet war, später auch etwas zurückgibt und sich für den Sport engagiert."
Im vergangenen Jahr wurden dem Deutschen Schachbund vom Innenministerium die Förderungsmittel drastisch gekürzt. Finden Sie nicht, dass unser Spiel förderungswürdig ist?
"Doch natürlich. Schach ist eine großartige Sportart. Es trainiert vor allem das strategische Denken sehr stark. Jeder sollte Schach spielen. Wir müssen schauen, was wir mit unserer Förderung erreichen wollen. Derzeit sind wir dabei, das Förderungssystem in Frage zu stellen. Es gibt Sportarten, die benötigen überhaupt keine Förderung, zum Beispiel Fußball oder die Formel 1. Diese haben genügend eigene Mittel, sich zu vermarkten. Wichtig ist die Frage, wie wir es fertigbringen, Vorbilder für unsere Kinder in jeder Sportart zu schaffen. Das ist das beste Mittel, um weiter voranzukommen."
Ole Bischof
Tags darauf ging es im Dortmunder Orchesterzentrum an die Bretter. Schon die ersten Runden zeigten, dass hier interessantes und kämpferisches Schach gespielt wird: Zwei Gewinnpartien am Eröffnungstag, in der zweiten Runde sogar drei - und diese sämtlich mit den schwarzen Figuren! So kann es gern weitergehen. Auch Schachlegende Vlastimil Hort war begeistert. Der 71-jährige Großmeister eröffnete den zweiten Spieltag auf der Bühne des NRW-Orchesterzentrums an Kramniks Brett und gab Hou Yifan vor dem Abgang noch galant einen Handkuss. Ein Kavalier der alten Schule eben.
Vlastimil Hort eröffnet Runde zwei.
Die viel beachtete Partie war eine Premiere der beiden dreifachen Weltmeister gegeneinander. Kramnik ließ seiner Kollegin keine Chance, zauberte am Ende wie in seinen besten Zeiten ein wunderbares Mattmotiv aufs Brett und war zurück im Turnier. Am Dienstag und Mittwoch werden beim Chess-Meeting die Runden 3 und 4 gespielt. Am Donnerstag ist in Dortmund der zweite Ruhetag. Dann gibt es um 15 Uhr die traditionelle Autogrammstunde der Schachstars im Kundenzentrum der Sparkasse Dortmund (Freistuhl 2-4) in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Stand nach zwei Runden
Partien der Runden 1 und 2
Alle Partien des Turniers werden auf dem Playchess.com Server übertragen und kommentiert.
Dagobert KohlmeyerDagobert Kohlmeyer gehört zu den bekanntesten deutschen Schachreportern. Über 35 Jahre berichtet der Berliner bereits in Wort und Bild von Schacholympiaden, Weltmeisterschaften und hochkarätigen Turnieren.
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