Dreev gewinnt beim Mokauer Freiluftblitz
Anna Dergachova
Das traditionelles Blitzturnier, gesponsert von einer der
populärsten Zeitungen, Vechernjaja Moskva, lockte auch in diesem Jahr wieder
viele starke Großmeister und Schachliebhaber an. 10 Großmeister bekamen eine
Einladung für das Finale, die anderen 10 Finalteilnehmer mussten für ihre Plätze
hart kämpfen. Im August fanden 3 Halbfinalturniere statt, an denen insgesamt
mehr als 500 Spieler teilgenommen haben. Doch natürlich konnten sich nicht alle
qualifizieren, z.B. die Vizeweltmeisterin im Frauenschach Alexandra Kostenjuk
oder der Gewinner von Dos Hermanas Alexander Rustemov haben es zweimal versucht,
aber leider nicht geschafft. Ehrlich gesagt, wollte ich mein Glück auch
versuchen, doch nach einem kleinen Match gegen Rustemov in meiner Küche, das er
mit 5 zu 1 gewonnen hatte, schätzte ich meine Chancen nicht mehr sehr hoch ein.
Balaschov, Bareev
Dreev gegen Bareev
Alexander Morozevich, Evgeny Bareev
Amanatov, Vasjukov
Natürlich wollte ich das Turnier trotzdem besuchen. Erstens,
weil es im Freien statt findet, was wenn es nicht gerade regnet, sehr angenehm
ist, im schönen Park Museon, in der Nähe des Zentralen Haus der Maler und
zweitens trifft man dort sowohl Freunde, als auch berühmte Schachspieler. Dieses
Mal freute ich mich sehr, den ungarischen Großmeister Lilienthal begrüßen zu
können. Er sprach mit mir Russisch, übrigens spricht er auch fließend Deutsch,
und erzählte mir, dass er in Moskau geboren wurde, diese Stadt besonders liebt
und jetzt sogar noch die russische Staatsangehörigkeit ehrenhalber vom
russischen Präsidenten verliehen bekam.
Andor Lilienthal (92)
Ihm wurde ein persönlicher Sitzplatz direkt neben dem 1. Brett,
an dem die interessanteste Begegnungen stattfanden, eingerichtet. Ansonsten war
es sehr schwer etwas zu sehen. 30-40 Leute standen immer dicht gedrängt um das
spielende Paar.
Viele Zuschauer, rechts: Glek gegen Grischuk
Auch David Bronstein kam als Besucher um sich das heutige Schach anzuschauen. Er
selbst bekam auch eine Einladung, folgte ihr aber nicht. „Genau vor 50 Jahren
gewann ich diesen Samowar, den Preis für den ersten Platz bei diesem Turnier.“
„Damals“, sagte mir David Ionovich, „habe ich meinen Titel, den ich bei der
Moskauer Stadtmeisterschaft im normalem Schach gewonnen hatte, sozusagen hier,
beim Blitzen, aufs Spiel gesetzt.“
Zusammen 171 Jahre alt: Lilienthal und Bronstein
Auch Anatoli Karpov war als Gast bei diesem Turnier. Die Antwort
auf meine Frage, warum er hier nicht mitspielen, war sehr einfach, „ich möchte
nicht.“
Plötzlich fragte mich ein Zuschauer, ob ich Anna Dergatschova bin, und ob ich
mich noch an einen meiner Schüler erinnern könne. „Ich bin sein Vater, wissen
Sie noch, vor 11 Jahren, sie haben ihn mit 4,5 Jahren aufgenommen und trainiert,
und als Sie nach Deutschland gingen, haben Sie mir einen anderen Trainer
vorgeschlagen, und gesagt, dass mein Sohn sehr talentiert sei. Ich habe Sie
sofort wieder erkannt und bin sehr dankbar.“ Ich fühlte mich zwar sehr
geschmeichelt, aber doch ein wenig befangen. Ich konnte mich beim besten Willen
nicht an sein Gesicht erinnern. „Wo ist er denn, fragte ich etwas hilflos.“ „Sie
werden ihn nicht mehr erkennen, er ist hier, er spielt mit“, und sein Vater
zeigte mir Boris Grachov, der wirklich nicht nur körperlich, sondern auch
schachlich sehr gewachsen ist.
Grachov (li.) gegen Dragomarezki
Diese Story erzählte ich sofort weiter und meinte zu guten
Freunden, den Schachredakteuren von Schachmatnaja Nedelja Maxim Notkin, Vladimir
Barsky und Ilja Odesskij, dass es vielleicht ein Glück für den jungen Borja
Grachov war, dass ich sein schachliches Talent zwar erkannt hatte, aber keine
Zeit hatte, es zu verderben.
Maxim Notkin und lja Odesskij im Garten
Sie zerstreuten meine Befürchtungen. „Anna, du fischt ja nur
nach Komplimenten, als Trainerin bist du doch auch Spitze.“ Da hatten sie nicht
Unrecht, jeder von uns braucht mal ein Lob.
Das Turnier verlief bis zur Pause sehr kämpferisch. Dreev und Kobalia führten
die Tabelle an, Morosevich lag einen halben Punkt zurück. Das Rest des Feldes
war nicht zu sehen. Nach der Pause gewann Alexej seine Partien weiterhin sicher,
doch die anderen Beiden machten schlapp. Michail Kobalia, der Sekundant vom
Garry Kasparov, verlor 5 Partien in Folge, Alexander Morosevich derer 3. Damit
stand schon 3 Runden vor Schluss der Sieger fest.
Kobalia ging die Luft aus
Alexander Morozevich (mit Biel-T-Shirt) mit Freundin Marina
Mit riesigem Abstand, mit 4 Punkten Vorsprung, gewann Alexej
Dreev wie im letzten Jahr das Turnier und nahm den Samowar, sowie ein gutes
Preisgeld mit nach Hause. Vladimir Malachov sagte in seiner Schlussrede, dass
ihm im letzten Jahr mit mehr Punkten nur der dritte Platz gelang, diesmal mit
nur 12,5 der Zweite. Scherzhaft meinte er, wenn es so weiter geht, dann belegt
er im nächsten Jahr mit nur 11,5 Punkten den ersten Platz.
Alexander Grischuk mit bestem Endspurt
Den besten Endspurt legte Alexander Grischuk hin, der anfangs
etwas müde wirkte. „Ich bin schrecklich erkältet“, erklärte er mir und träume
nur davon endlich nach Hause zu kommen. Dafür bekam er einen Extrapreis, für den
Willen zum Sieg.
Alexej Dreev mit dem traditionellen Samowar
Die Schiedsrichter
Auch Farud Amanatov bekam einen Preis für das kompromissloseste
Spiel, da es bei ihm nur 2 Remis gab. Viorel Bologan bemerkte nachher, dass er
selbst nur eine Remis gespielt hatte. Aber das macht ja nichts.
Bologan (l.): Preis für das kämpferischste Schach um -1 Remis verpasst
Auch Vadim Zvjaginzev bekam einen Preis für die schnellste
Partie, sie dauerte nur 16 Züge. Wirklich, teilweise wurden die Blitzpartien von
Schiedsrichtern und Journalisten notiert. Vielleicht gibt es sie irgendwann
irgendwo kommentiert? Wer weis wofür das gut ist. Kann ja sein, dass sich manche
Spieler gleichzeitig für die russische Meisterschaft, die ab dem 3. September in
Krasnogorsk stattfindet, vorbereitet haben. Und da ist es natürlich wichtig,
welche Eröffnungen und was sich potenzielle Gegner überhaupt so erarbeitet haben
und vielleicht gerade hier im Blitzen prüfen.
Historische Aufnahme einer Schachtorte, die es jetzt schon nicht mehr gibt.
Die große Torte aus Schokolade und Marzipan ging als Preis an
den Ausrichter, das 64 Schachmagazin, und wurde vermutlich sofort nach der
Siegerzeremonie verspeist, leider in einem kleinem Kreis.