Deutsche Erfolge in Dresden
Von André Schulz
Die heutige letzte Runde bei der Europameisterschaft bot noch
einiges an Spannung und Dramatik und brachte dem Deutschen Schachbund und seinen
Spielern eine Reihe von schönen Erfolgen. Zuerst eines der dramatischsten
Ereignisse: Der lange Zeit mit einem halben Punkt Vorsprung führende Andrej
Volokitin verlor heute gegen Dmitry Jakovenko und büßte damit seine Hoffnungen
auf den Titel ein.
Spitzenpartie
Dmitry Jakovenko
Pechvogel Andrej Volokitin
Jakovenko überholte den bisherigen Spitzenreiter ebenso wie
Vladimir Tkachiev, Ivan Cheparinov, Emil Sutovsky, Konstantin Sakaev, Dusko
Pavasovic und Artem Iljin. Morgen werden die Medaillenränge in Stichkämpfen
ermittelt.
Auch Arkadij Naiditsch hätte fast noch in den Kampf um den Titel
eingegriffen. In seiner Partie gegen Kurnosov schien er Gewinnmöglichkeiten zu
haben, doch schließlich reichte es nur zum Remis. Seine 7,5 Punkte sind
dennoch eine schöne Leistung, besonders, da die deutsche Nummer Eins sich nach zwei
Niederlagen wieder nach oben gekämpft hatte.
Auf die gleiche Punktzahl wie Naiditsch kam Jan Gustafsson, dem heute gegen
Sergey Tiviakov ein schnellen Remis gelang. Die offizielle Partie dauerte nur 9
Zügen, aber als die beiden sich im Café trafen, wurde sie fortgesetzt.
Tiviakov und Gustafsson
Für den Hamburger bedeutet dies Sibirien, denn die 29 besten
Spieler qualifizieren sich für den Worldcup in Khanty-Mansyisk, der nach
heutigen Regeln, die Vorstufe zur WM ist. Natürlich kann das in ein paar Monaten
schon anders sein, denn die FIDE ist bekanntlich sehr agil im Verfassen von
Regeln.
Der Hamburger Mannschaftskollege von Gustafsson Lubomir Ftacnik verlor heute
gegen Konstantin Sakaev und ist damit aus den Qualifikationsrängen gerutscht.
Einige weitere Hamburger waren am Start, darunter Niclas Huschenbeth mit seinem
Trainer Wolfgang Pajeken.
Niclas Huschenbeth, das Bild seines Trainers Wolfgang Pajeken fiel leider der
missglückten Schärfeeinstellung zum Opfer
Bundestrainer Uwe Bönsch betreute die Nationalteams und verfolgte
die Erfolge bzw, Misserfolge live im Turniersaal.
Uwe Bönsch (li.)
In seinen Gedanken ist der Hallenser schon bei der
Schacholympiade 2008, wo der Deutsche Schachbund als Gastgeber mindestens vier
Teams, je zwei im Männer- und Frauenturnier stellen darf. Besonders freute er
sich über die GM-Doppelnorm von Falko Bindrich. Da der 16-jährige schon in der
Bundesliga eine Norm machte, wird er nun zum jüngsten deutschen Großmeister
aller Zeiten. Auch Jung-Nationalspieler Georg Meier erreichte eine GM-Norm.
Georg Meier
Alexander Graf
Rainer Buhmann
Tschechiens Nachwuchsstar Viktor Laznicka machte 7,5 P.
Sergei Movsesian
Sergey Volkov
Starautor Dorian Rogozenko
Mit 5 Punkten kam Dorian Rogozenko auf Platz 244. Bei diesem Feld bedeutet das
einen Mittelplatz.
Alexander Beliavsky
Vladimir Chuchelov
Francisco Vallejo-Pons
Alexey Dreev
Während das Männerturnier erst morgen entschieden wird, war die
Europameisterin der Frauen schon gestern bekannt. Da machte Tatiana Kosintseeva
ihren entscheidenden Punkt und war schon nicht mehr einzuholen. Heute hätte sie
sich auf die faule Haut legen können. Stattdessen besiegte sie in einer langen
Partie Maia Lomineishvili. Der Grund war keineswegs eine Animosität gegen die
Georgierin. Die Europameisterin spielte für ihre Schwester Nadezhda und
beseitigte eine der Kandidatinnen für Platz Zwei in den morgigen Stichkämpfen.
Tatiana Kosintseva
Durch Tatianas Sieg hat Schwester Nadeshda es morgen nur mit zwei
Spielerinnen im Kampf um Platz zwei zu tun, nämlich Antoaneta Stefanova und
Hoang Thanh Trang.
Für den Bundestrainer erfreulich gewann Ketino Kachiani-Gersinska ihre heutige
Partie und ist damit in den Stichkämpfen für die WM-Qualifikation. Auch Vera
Jürgens kam zu einem Sieg, während Jessica Nill leider verlor.
Vera Jürgens
Jessica Nill
Melanie Ohme
Anna Rudolph (GER)
Die 5 Punkte, die Anna Rudolph am Ende auf dem Konto hatte, hatte sie schon drei
Runden vor Schluss eingesammelt. Doch dann verlor die Schwester von Alexander
Onischuk dreimal in Folge. Ihre Namensvetterin Anna Rudolf machte 1,5 Punkte
mehr und ist Ungarin.
Marta Michna
Marta Michna wäre nach Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft ebenfalls für
Deutschland spielberechtigt
Elena Winkelmann
Die Berlinerin Brigitte von Herman
Ingrid Lauterbach spielt für England
Corinne Roelli aus der Schweiz
Regina Pokorna (Slowakei)
Carmen Voicu
Anna Sharevich
Natalia Pogonina aus Saratov (RUS)
Svetlana Cherednichenko
Natalia Vovonkina (ISR)
Vor der Runde überreichte Dresdens Bürgermeister Winfried Lehmann
einen Schönheitspreis an Andrea Hafenstein. Die Plauenerin hat ihr schweres persönliches Schicksal in einem Buch verarbeitet (www.andrea-hafenstein.de).
Die obige Anzahl Bilder ist groß, aber im Vergleich zur Anzahl
der Personen, die an diesem Turnier beteiligt sind gering. Neben den 550 Spielern
gibt es zahlreiche Organisatoren, Helfer und bekannte Besucher.
Klaus Bischoff unterhielt das Publikum mit schlauen Kommentaren zu den laufenden
Partien und entpuppte sich als virtuoser Computeranwender. Einige
Bundesligavertreter wurden ebenfalls gesichtet, denn der Bundesligaausschuss
hatte sich hier zu einer Sitzung getroffen.
Sven Noppes (Baden-Baden)
Schwer zu erkennen: Christian Zickelbein ohne roten Pullover
Das Turnier zog natürlich auch viele Schachfreunde von der Straße
und aus der Umgebung an.
Rainer Knaak mit Adrian Mihalschischin...
...und jetzt mit Anna Srebenic alias "Lady Malshun"
Außerdem gibt es Stammpersonal eines jeden Turniers wie Yuri
Vasiliev, vom russischen Sportexpress.
Das allein sind Bilder, die nur das Turniers bieten. Aber auch
die Stadt ist voller Bilder.Einige Tausend bietet die Gemäldegalerie im Zwinger.
Das obige Bild zeigt nicht Dresden, auch nicht so, wie es früher einmal aussah,
sondern ist eines der zahlreichen Gemälde, die im Zwinger zu sehen sind.
Leider muss man aber feststellen, dass die Maler des 15. und
16.Jh. nicht davor zurück schrecken, selbst religiösen Themen dafür zu nutzen,
um mehr oder minder unbekleidete Weiblichkeit zur Schau zu stellen.
So heißt das folgende Bild...
.. musizierende Frauen. Aber es scheint doch dem Maler hier
weniger um Malerei und schon gar nicht um Musik zu gehen.
Sehr viel ernsthafter sind die Bilder von Otto Dix aus den 20er
Jahren des letzten Jahrhunderts, die in einer Sonderausstellung zu sehen sind:
Bildnis einer Frau im braunen Mantel (Otto Dix)
Besonders eindrucksvoll ist das Triptychon "Krieg", das seine Erlebnisse des
Ersten Weltkrieges verarbeitet.
Gegenüber der Gemäldegalerie ist die Rüstkammer untergebracht, in
der zahlreiche Werkzeuge ausgestellt sind, die wenig wohlwollende Absichten
ihrer Besitzer offenbaren.
Heavy Metal
Der gezeigte Bogen ist türkische Bauart und zeugt von frühen Versuchen des
Orients mit dem Okzident zum Kulturaustausch zu kommen. Die Türken schickten
ihre Grüße per Holzkurier, wurden aber von den Empfängern, so sie noch dazu in
der Lage war, meist missverstanden. Heute hilft der türkische Schachverband den
Dresdnern bei der Übertragung der Partien. So haben sich die Zeiten geändert.