„Das Match kostet mindestens fünf Millionen Dollar“
Interview mit Andrej Filatow
Von Dagobert Kohlmeyer
Ohne ihn hätte das WM-Match in Moskau nicht
stattgefunden: Andrej Filatow ist Hauptsponsor des Ereignisses, das die
Schachwelt noch bis morgen mit Spannung in die Tretjakow-Galerie schauen lässt.
Mit sechs Jahren erlernte er das Schachspiel von Freunden. Seither lässt der
Denksport den 40-jährigen Unternehmer und Gelfand-Freund nicht mehr los. In
Moskau hatte Dagobert Kohlmeyer Gelegenheit, mit dem solventen Schachmäzen
Filatow zu sprechen.

Andrej, hatten Sie das Talent, ein
großer Spieler zu werden?
Ich weiß nicht. Dann würde ich jetzt hier um
die Krone spielen (lacht). Im Kinder- und Jugendbereich habe ich Wettbewerbe
gewonnen und brachte es bis zum Meisteranwärter. Daraufhin kam ich in ein
Sportinternat, wo ich Schach studierte.
Stimmt es, dass Sie schon als
Jugendlicher bei einem WM-Match der beiden großen K aktiv waren?
Ich hatte damals die Ehre, beim WM-Kampf
Karpow-Kasparow 1985 in Moskau am Demonstrationsbrett die Züge vorzuführen. Das
war eine große Freude für mich.
Wer sind Ihre schachlichen Vorbilder?
Die früheren Weltmeister Alexander Aljechin
und Michail Botwinnik. Vom Schachstil her hat mir auch Jefim Geller sehr
gefallen.
Und wie lange kennen Sie Boris Gelfand
schon?
Seit dem Jahre 1990. Wir studierten
gemeinsam am Sportinstitut in Minsk. Auch Großmeister Ilja Smirin war dort.
Seither sind wir alle drei miteinander befreundet.
Wann sind Sie in die Wirtschaft
gegangen?
Schon während der Studentenzeit. Als ich im
dritten Studienjahr war, fiel die Sowjetunion auseinander. Es war ein großer
Umbruch und die wirtschaftlichen Verhältnisse sehr schwierig. Auch als Student
musste man irgendwie überleben.
Was taten Sie?
Mich interessierten schon immer die Logistik
und der internationale Handel. Gemeinsam mit Freunden überlegte ich, was man tun
könne. Wir kauften Waren ein, zum Beispiel Bügeleisen oder Kaffeemaschinen,
fuhren nach Polen und versetzten sie dort. Das war der Einstieg ins
Geschäftsleben.

Andrej Filatow und FIDE-Chef Kirsan Iljumschinow
Heute leiten Sie den Konzern N-Trans.
Was ist das für eine Firma?
Das größte private Transportunternehmen in
Russland. Es verfügt über eine Eisenbahn- und eine Schifffahrts-Gesellschaft.
Beide versorgen die russische Wirtschaft. Wir haben 60 000 Waggons, die Erdöl,
Metalle und andere Rohstoffe transportieren. Die zweite Richtung sind unsere
Hafen-Aktivitäten in verschiedenen Regionen. Unsere Containerschiffe versorgen
nicht nur die eigene Wirtschaft. Sie werden auch im Import und Export
eingesetzt.
Wie viele Mitarbeiter hat Ihr
Unternehmen?
Eine genaue Zahl kann ich beim besten Willen
nicht nennen, denn wir wachsen ständig. Gerade haben wir wieder ein
Eisenbahnunternehmen gekauft.
Die Forbes-Liste führt Sie als
Milliardär. Wie viel Geld verdienen Sie im Jahr?
Unser Unternehmen ist transparent. Schauen
Sie ins Internet. Dort werden die Geschäftszahlen veröffentlicht. Ich verdiene
wie alle anderen Aktionäre nur etwas, wenn wir eine Dividende erwirtschaften.
Jedes Jahr auf der Aktionärsversammlung wird sie verkündet, und danach erhalte
ich meinen Gewinnanteil.

Mammutfiguren für die Galerie
Was für ein Gefühl war das, als Sie
ihre erste Million auf dem Konto hatten?
Solche Zahlen wecken in mir keine besonderen
Emotionen. Mehr Gefühl entwickle ich Menschen gegenüber, zum Beispiel den
engagierten Mitarbeitern unseres Unternehmens. Gemeinsam erbringen wir eine
Leistung und schaffen Werte. Das zählt mehr als jede Geldsumme.
Wie kam es, dass Sie Sponsor der Schach-WM wurden?
Gleich nach seinem
Sieg im WM-Kandidatenturnier besuchte mich Boris Gelfand zu Hause in Moskau. Wir
unterhielten uns intensiv, und ich fragte: „Wo wird das Finale sein?“ Boris
sagte, dass noch kein Ort feststehen würde. Ich war der Meinung, dass Moskau
sich unbedingt bewerben sollte.
Warum die russische Hauptstadt? Beide Spieler kommen aus anderen
Ländern.
In Russland gibt
es eine große Schachtradition. Ich sah es als sehr wichtig an, nach so langer
Zeit wieder ein WM-Match in Moskau zu veranstalten. Und mit der
Tretjakow-Galerie fanden wir ein großartiges Ambiente, das die Verbindung von
Schach und Kunst deutlich macht. Beides gehört meiner Meinung nach zusammen.

Filatow mit Tochter und Mutter
Wie viel kostet das Match insgesamt?
Noch ist es nicht
zu Ende, aber mindestens fünf Millionen US-Dollar. Neben dem Preisgeld gibt es
ja auch jede Menge Organisationskosten.
Zahlen Sie das alles allein?
Nein, es gibt noch
einen zweiten großen Sponsor, den Unternehmer Gennadi Timtschenko. Nachdem
Moskau den Zuschlag als WM-Ort erhalten hatte, rief er mich an und sagte: „Ich
beteilige mich, warum sollst du alle Kosten allein tragen.“ Ein feiner Zug von
ihm.

Gennadi Timtschenko
Auch im Rahmenprogramm wurde sehr viel geboten. Von der
Eröffnung, über Live-Kommentierungen von Supergroßmeistern bis zu
Simultanspielen von Karpow und Kasparow.
Alle haben für
kleines Geld oder sogar umsonst gespielt. Zum Beispiel verzichtete der
Weltklassepianist Denis Mazujew, der zur WM-Eröffnung auftrat, auf sein Honorar.
Werden Sie den Schachsport auch weiter unterstützen?
Ja, das habe ich
vor. Ich tue es doch schon seit einiger Zeit. Jedes Jahr veranstalte ich in der
Ukraine ein Kinderturnier zum Gedenken an meinen früheren Trainer. Dieses
Memorial findet in Dnepopetrowsk statt.
Sie haben auch die Grabstätte von
Alexander Aljechin in Paris restaurieren lassen. Wie kam es dazu?
Ich sah damals eine Reportage im Fernsehen,
wo über den großen Sturm in Paris berichtet wurde. Ein Baum stürzte auf den
Grabstein des russischen Schachweltmeisters, worauf dieser völlig zerstört
wurde.
Ein reiner Zufall…
Ja. Dank eines Moskauer Journalisten, der
darüber berichtete, erfuhr ich zufällig davon, dass die Aljechin-Gedenkstätte so
sehr beschädigt wurde. Weil die Schachszene keine Mittel für die Restaurierung
aufbringen konnte, habe ich die Kosten übernommen.