„Sebastian Vettel wird wieder Weltmeister"
Aufgezeichnet von Axel Eger
DAS JAHR
Im persönlichen Leben denke ich eigentlich gar nicht groß voraus. Da lasse ich
alles auf mich zukommen. Das entspricht ein bisschen meinem Schachstil - lieber
taktisch als strategisch. Sportlich habe ich bis März geplant. Ende Januar spiele
ich bei einem Open in Gibraltar und danach bei einem Turnier in Indien. Dazu
kommen vielleicht die griechische Liga im Sommer und die Einzel-Europameisterschaften
im Juni in Belgrad.
Den Großmeistertitel der Männer zu schaffen, ist ein Ziel. Das Turnier in Gibraltar
bietet eine gute Chance, die zweite Norm zu erfüllen. Aber wichtiger wäre es
mir, unter die Top Ten in der Weltrangliste zu kommen. Derzeit bin ich Nummer
22. Heutzutage wird man eher nach dem Weltranglistenplatz eingeladen als nach
einem Titel. Rein statistisch hätte ich sicherlich eine bessere Chance auf einen
Weltmeister-Titel als unsere Nr. 1 bei den Männern, Arkadij Naiditsch.
Arkadij Naiditsch
Der Weg zum Thron ist dort ungleich schwerer. Anna Ushenina, jüngst überraschend
Weltmeisterin geworden, liegt ja in der Weltrangliste noch hinter mir. Aber
das ist alles Spekulation. Glück gehört auch immer dazu. In absehbarer Zeit
wird es im Erwachsenenbereich jedenfalls keinen Weltmeister aus Deutschland
geben.
Führende Schachnation bleibt sicher Russland. Bei den Frauen ist China jedoch
insgesamt stärker und wird wohl demnächst vorbeiziehen. In diesem Jahr noch
nicht, aber bald.
LEISTUNGSSPORT
Dem Fußball wird‘s auch in diesem Jahr sehr gut gehen, den Tennisspielern wohl
auch immer noch. Bei einem, der Volleyball spielt oder Basketball - wenn er
nicht gerade Nowitzki heißt - sieht das schon anders aus. Es kommt auch künftig
auf die Sportart an und darauf, ob man Leistungssport als Hobby betreibt oder
wirklich als Beruf. Sportarten, die im Blickpunkt des Fernsehens stehen, bekommen
halt mehr vom Kuchen ab.
DOPING
Es wird leider auch 2013 wieder genügend Fälle geben, dafür sind offenbar die
Verlockungen zu hoch und die Hemmschwellen einiger Sportler zu niedrig. Schach
wird mit elektronischem Doping - also Betrügereien mit Computerprogrammen auf
dem Handy - stärker in die Schlagzeilen rücken. Ich denke aber, mit der Verschärfung
einiger Regeln kann man das wirkungsvoll unterbinden. Das kostet freilich -
man bräuchte eine Art Flughafenschleuse, um mit einem 'Piep" mutmaßliche Betrüger
zu entlarven. Eine andere Möglichkeit wäre es, dem Schiedsrichter Kontrollen
zu erlauben. Wer ein Handy dabei hat, hat die Partie verloren. Aber was wäre
in diesem Fall mit jemandem, der unterm Haar versteckt einen Knopf im Ohr trägt?
Allerdings habe ich im Frauenschach noch nie etwas von Betrugsversuchen gehört.
Es scheint dann doch eine Männerdomäne zu sein . . .
SCHACH BEI OLYMPIA
Ich weiß nicht, ob das sein muss. Schach ist deutlich attraktiver geworden -
gerade auch für Frauen. Es gibt mehr Turniere, das zweite Großmeisterturnier,
das jetzt Ende Dezember in Erfurt stattfand, ist auch ein Beleg. Deshalb ist
es für die Profis wohl nicht so wichtig, ob es nun olympisch wird oder nicht.
Natürlich hätte man als olympische Sportart den Vorteil, dass man mehr Förderung
bekäme. Ich habe einst für meinen WM-Titel einen Gutschein für eine Fahrschule
von 500 Euro bekommen. In anderen Ländern ist für Schach mehr da: Die Inderin
Koneru etwa, die vier Jahre vor mir Junioren-Weltmeisterin wurde, hat ein Haus
und 50 000 Euro von ihrem Bundesstaat bekommen.
TRAINERJOB
Ich habe fast ein Jahr lang in der Türkei als Trainerin der B-Nationalmannschaft
der Frauen gearbeitet. Das ist eine Option für die Zukunft. Gut möglich, dass
ich in diesem Jahr wieder in irgendwelchen Ländern Lehrgänge gebe. Befristet
allerdings, vielleicht zwei, drei Mal. Das wird wohl auch das sein, was ich
in naher Zukunft beruflich mache. Allerdings nicht in Deutschland, weil es hier
ein solches Konzept für Mädchen und Frauen nicht gibt. In arabischen Ländern,
den Emiraten etwa, werden Train-rinnen gesucht, weil Männer nicht mit Frauen
arbeiten dürfen. In drei, vier, fünf Jahren könnte ich mir vorstellen, so eine
Aufgabe langfristig zu übernehmen und dann auch in einem solchen Land für eine
bestimmte Zeit zu leben.
Elisabeth Pähtz im Trikot einer türkischen Mannschaft
SPONSOREN
Die Türken haben mit der Isbank einen Sponsor, der hat einen Millionenbetrag
investiert. Schach wurde Unterrichtsfach, da ist die Türkei inzwischen eines
der Vorzeigeländer. Und das zahlt sich im Nachwuchsbereich aus. Die andere Seite
ist die, wie sich ein Verband aufstellt. Gibt es einen Präsidenten, der das
alleinige Sagen hat, so wie es dort der Fall ist?
Ich habe das Gefühl, in Deutschland wird vieles oft zerredet. Manchmal braucht
es diese klare Entscheidungsgewalt. Aber wir haben auch in Deutschland durchaus
Potenzial - wenn es Leute gibt, die sich engagieren. Da gab es zwei wunderbare
Schach-Events im Potsdamer Kaiserbahnhof. Da steckt der Finanzvorstand der Deutschen
Bahn, Dr. Richard Lutz, dahinter. Der war früher selbst ein passabler Schachspieler.
Und das Erfurter Frauenturnier haben wir vor allem dem Engagement des Thüringer
Justizministers Holger Poppenhäger (SPD) zu verdanken.
FORMEL 1
Ich traue Sebastian Vettel zu, auch in diesem Jahr den Titel zu holen. Obwohl
mich die Formel 1 nicht unbedingt interessiert. Das ist ja ein Sport, bei dem
alles wunderbar ist, solange es gut geht. Wenn nicht . . .
FUSSBALL
Was die Bayern angeht, schließe ich mich der landläufigen These an: Die sind
in der Bundesliga nicht mehr einzuholen. Rot-Weiß wird die 3. Liga halten, das
neue Stadion wird dafür wohl noch seine Zeit brauchen. Bei Jenas Wiederaufstieg
bin ich mir nicht so ganz sicher. Dafür aber, dass eine deutsche Mannschaft
die Champions League gewinnt. Schließlich sind noch drei dabei. Weil die Bayern
national vorn sind, setze ich international auf Dortmund.
LEICHTATHLETIK
Ich mag die Leichtathletik. Deshalb werde ich auch die Weltmeisterschaften im
August in Moskau verfolgen - mal sehen, vielleicht sogar vor Ort, wenn es in
meinen Zeitplan passt. Ein paar Medaillen wird Deutschland bestimmt holen. Das
Schöne bei der Leichtathletik ist, dass man immer sieht, wer führt. Und es geht
schnell. Die springen, dann ist das in zwei Sekunden vorbei, die laufen, dann
ist es in zehn Sekunden oder zehn Minuten vorbei. Das gefällt mir.
LAUFEN
Vor ein paar Jahren habe ich mit dem Laufen als Ausgleich zum Schach begonnen.
Ich finde es beachtlich, was da für den Volksläufer auch in diesem Jahr landauf,
landab für Wettkämpfe auf die Beine gestellt werden. Ob ich selbst mal bei einem
solchen Lauf, eventuell sogar dem Rennsteiglauf-Halbmarathon dabei bin? Oh,
ich glaube, da müsste ich erst wieder intensiver üben.
Vlastimil Hort, Elisabeth Pähtz, Nigel Short