Eröffnungsübersichten in CBM 128

von ChessBase
23.02.2009 – Laszlo Hazai und Peter Lukacs sind ausgesprochene Eröffnungsspezialisten. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen sind nicht für den Eigengebrauch bestimmt. Ihren Beitrag über eine Nebenvariante der Caro-Kann-Verteidigung präsentieren wir hier in voller Länge. Es geht um die Zugfolge 1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.exd5 cxd5 4.Se5 – Weiß zieht seinen Springer ein zweites Mal, verhindert dafür jedoch eine einfache Entwicklung des Lc8. Die Autoren meinen, „dass dieses Abspiel extrem leicht anzuwenden ist“. Wer als Schwarzer ein variables Repertoires besitzt, wird sich nicht schwertun, eine akzeptable Stellung zu erreichen, z.B. mit einem g6-Aufbau, die „nur-Caro-Kann-Spieler“ haben es etwas schwerer. Mehr Eröffnungsübersichten in CBM 128, im Shop kaufen Beschreibung des Beitrages in CBM 128 Hazai/Lukacs: Caro-Kann 4.Se5

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Ein Colle-Aufbau gegen Caro-Kann?

Von Peter Lukacs und Laszlo Hazai


In unserer theoretischen Arbeit befassen wir uns diesmal mit den Varianten 1.e4 c6 2.Sf3 d5 3.exd5 cxd5 4.Se5 und 4.d4 Sf6 5.Se5, die üblicherweise durch Zugumstellung ineinander übergehen.

Auf den ersten Blick verstößt dieser Zug gegen sämtliche Regeln. Es steht geschrieben, dass man mit einer bereits entwickelten Figur nicht zum zweiten Mal zieht, statt die Mobilisierung fortzusetzen. Zudem kann der Springer leicht angegriffen werden, also was soll das Ganze? Spitzenspieler wie Carlsen, Anand und andere haben heutzutage diese Idee übernommen; warum brechen sie nun so früh die Regeln? Tatsächlich ist der Zug nicht so dumm, wie er aussieht. Weiß umgeht die Hauptidee von Caro-Kann, die Entwicklung des Läufer nach g4 oder f5, gefolgt von ...e6 mit einer verbesserten Französischstellung. Nach dem unvermeidlichen d2-d4 ähnelt die Bauernformaten der Karlsbader Struktur aus dem Damengambit mit vertauschen Farben; im Fall von ...e6 kann Weiß mittels c3, f4 und Sd3 den so genannten Colle-Angriff aufbauen, mit Angriffschancen am Königsflügel. 


A) In Mueller,K - Dautov,R 1-0 attackierte Schwarz den hyperaktiven Springer mit 4...Sd7. Damit wollte er eindeutig die Fesselung nach 4...Sc6 5.Lb5 vermeiden, mehr dazu später. Nach 5.d4 wählte er nun 5...e6 , was die Diagonale des weißfeldrigen Läufers schließt (stattdessen führt 5...Sf6 durch Zugumstellung zu den ...Sf6-Partien; eine spielbare Alternative ist aber auch 5...g6 mit Fianchetto des Läufers, wie wir nachher sehen werden). Weiter ging es wie folgt: 6.Ld3 Se7?!, was zu einem Französisch-Stellungstyp führte: 7.0-0 Sxe5 8.dxe5 Sc6

mit etwas besseren Chancen für Weiß angesichts des passiven Läufers c8. Statt des gekünstelten 6...Se7?! hätte 6...Sf6 wieder zu den ...Sf6-Abspielen geführt.


B) 4...Sc6 ist sicherlich eine natürlichere Methode zur Bekämpfung des zentralisierten Springers. Nun ist 5.d4 erforderlich, und in Carlsen - Dreev ½-½ wählte Schwarz erneut das leicht passive 5...e6. Die Fortsetzung von Weiß war nicht die allerlogischste; das bescheidene 6.c3 hätte Schwarz gute Chancen gegeben nach 6...Ld6! 7.Lb5 Sge7 mit harmonischer Entwicklung der Figuren. Hier ist der Colle-Aufbau harmlos wegen 8.f4 0-0, gefolgt von späterem ...f6. Der e5-Springer ist nur wirksam bei einem schwarzen Kollegen auf f6. Doch stattdessen steuerte Dreev einen leicht schlechteren Franzosen an mittels 6...Sxe5?! 7.dxe5 Se7 8.Sd2 Sc6 9.Sf3.

Aggressiver sieht 6.Lb5 aus, zum Beispiel wirkt nach 6...Ld7 7.Lxc6 Lxc6 8.0-0

zumindest der e5-Springer wie eine ausgezeichnete Figur.

6...Db6 7.c4 Lb4+ 8.Sc3 Sge7 9.0-0 0-0 10.Lxc6 bxc6 führte zu einer komplizierten, zweischneidigen Stellung in Morozevich-Bareev, Monte Carlo 2005. Sämtliche Analysen dazu in Carlsen,M - Dreev,A ½-½.

Wie bereits erwähnt, sind 5...Sf6 und 5...g6 hier gangbare Alternativen.


In manchen Fällen ist Weiß nicht gezwungen, sofort Se5 zu spielen. Bei der Zugfolge 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Sf3 Sc6 kann er auch mit der Fesselung 5.Lb5 beginnen, wie in Carlsen,M - Topalov,V ½-½ demonstriert wurde.

In dieser Partie wählte Schwarz erneut 5...e6, und nun setzte Weiß statt 6.Se5 mit Übergang zur vorigen Partie mit 6.0-0 Ld6 7.c4 fort, mit einem ziemlich originellen Plan: 7...Sge7 8.Sc3 0-0 9.Te1.

Siehe Carlsen,M - Topalov,V ½-½.


C) Betrachten wir nun den Aufbau mit ...Sf6. Nach 4.Se5 Sc6 5.d4 Sf6 sieht der Läuferausfall 6.Lb5

logisch aus, und in Sebag,M - Xu Yuanyuan 1-0 zog Schwarz das schwächere 6...Db6?!, was der Anziehenden einmal mehr erlaubte, die Stellung für ihre besseren Figuren zu öffnen, und zwar mittels 7.c4!.

6...Ld7 ist die natürliche Verteidigung. In Kayumov,S - Gareev,T ½-½ griff Weiß nun zu 7.Lxc6 bxc6 8.0-0 e6, und hier verdiente 9.Sd2 Ld6 10.Sb3 Aufmerksamkeit, mit einigem Druck auf den schwarzen Feldern.

7.Sxd7 wirkt nicht sonderlich vielversprechend; der Abtausch des starken Springers für den Läufer verstößt gegen die Hauptidee des Systems. In Navara,D - Izoria,Z 0-1 hatte Schwarz schönes Spiel nach 7...Dxd7 8.c3 e6 9.Sd2 Ld6 10.Sf3 0-0.

Statt 6.Lb5 wählte Weiß in Petrosian,T - Macieja,B 1-0 wilde Komplikationen nach 6.c3 Lf5 7.g4!?. Hier lautet unser Vorschlag 7...Sxe5 8.gxf5 Sc6 mit unklaren Konsequenzen.


In Anand,V - Vallejo Pons,F 1-0 sehen wir die Hauptidee des Systems nach 2.d4 d5 3.exd5 cxd5 4.Sf3 Sf6 5.Se5 e6 6.Sd2 Sc6 7.c3 Ld6 8.f4.

Weiß hat einen ausgezeichneten Springer auf e5 und hält die dunklen Felder unter Kontrolle. Später mag er einen Angriff am Königsflügel organisieren. Doch auch Schwarz hat Gegenchancen, wenn er den Springer aus seiner Zentralstellung vertreiben kann.


D) Kommen wir zum Schluss zu dem schwarzen Aufbau mit ...g6 nebst Läuferfianchetto. Hier steht der weißfeldrige Läufer nicht so passiv, und die weißen Chancen auf Angriff am Königsflügel sind minimal. In Carlsen,M - Morozevich,A ½-½ folgte 5...g6, und nach 6.Lb5+ Sbd7 7.0-0 Lg7 war der Rückzug 8.Sf3 ein Indiz für die strategischen Probleme des Anziehenden. Nach 8...0-0

kann Schwarz einfach nicht schlechter stehen.


In Carlsen,M - Leko,P 1-0 wollte Weiß seinen Vorposten auf e5 behaupten, und nach 6.Ld3 Lg7 7.0-0 0-0 8.c3 Sc6 9.De2 nötigte Schwarz seinen Gegner sogar zu f4 mittels 9...Sd7! 10.f4 Sf6. Im Vergleich zu den ...e6-Abspielen wirkt die Schwäche der weißen Felder hier gefährlicher.

Schwarz kann seinen "schlechten" Läufer durch ...Lf5 loswerden, mit komplexem Mittelspiel.


Unsere Meinung zusammenfassend ist vor allem zu sagen, dass dieses Abspiel extrem leicht anzuwenden ist. Es erfordert keine langen forcierten Varianten, in denen Computerzüge wichtig sind. Hier geht es um strategisches Grundwissen, und dieser Typ von Mittelspielstellung kann sich auch aus diversen anderen Eröffnungen ergeben. Doch gibt es noch Platz für eigene Analysen, und manchmal kann das Geschehen auch scharfen Charakter annehmen. Es ist also für beide Seiten absolut spielbar!


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