Eure Majestät – Jan Markos weiß alles über den König

von Stefan Liebig
28.07.2024 – Faszinierend, welche Aspekte zur Stärke und Schwäche von Königen der slowakische Trainer Jan Markos zum krönenden Abschluss seiner Videokursreihe erklärt und was für fesselnde Beispiele er zur Illustration gefunden hat.

Middlegame Secrets Vol.5 - The Inner Strength of Kings Middlegame Secrets Vol.5 - The Inner Strength of Kings

In diesem Videokurs werden Könige die Hauptrolle als starke und aktive Figuren spielen. Wir werden untersuchen, wie Könige bei der Verteidigung und Prophylaxe oder sogar beim Angriff hilfreich sein können!

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Die wichtigste Figur im Schach ist keineswegs immer nur schutzbedürftig. Wie faszinierend der König im Schach aktiv eingesetzt werden kann, zeigte der junge Inder Praggnanandhaa Rameshbabu mit seinem Königsmarsch gegen Anish Giri beim GCT-Superbet-Turnier in Bukarest. Diese Partie fand natürlich weit nach dem Redaktionsschluss für die neue Folge „The inner strength of kings“ aus der Jan-Markos-Videoreihe „Middlegame Secrets“ statt. Doch der slowakische Trainer hat genügend gleichwertige und lehrreiche Muster zur Hand. So liefert er für Spieler jeder Spielstärke neue Aspekte, wie der König vorteilhaft einzusetzen und auf oft erstaunliche Weise zu schützen ist.

Auf Wanderschaft

Markos räumt zu Beginn des Kapitels „King March“ ein, als junger aufstrebender Spieler noch keine wirkliche Ahnung von der Bedeutung der Königsmärsche gehabt zu haben. Später hat er erkannt, dass sie weit häufiger in der Praxis vorkommen, als man das erwarten würde. Grund genug für den Trainer, dies unter die Lupe zu nehmen. Aus seiner Trainererfahrung berichtet er von vielen Schülern, die in den vorgestellten Stellungen sofort Angriffsversuche unternehmen – selten kommt jemand auf die richtige Lösung, nämlich den Königsmarsch. Prominente Beispiele von Karjakin, Kamsky und Topalov verdeutlichen, wie effektiv eine solche Wanderung in sicherere Gefilde sein kann – insbesondere in Stellungen, in denen es dem Gegner an Dynamik mangelt. Oft geschieht dies, wenn die Könige zur selben Seite rochiert haben. Wenn dann der andere Flügel und das Zentrum weitgehend festgelegt sind, kann es für den am Königsflügel aktiveren Spieler von Vorteil sein, mehrere Züge zu investieren, um den König auf der anderen Brettseite in Sicherheit zu stellen, bevor sich die Schleusen zum Königsangriff öffnen. Genügend Raum und Zeit sind die entscheidenden Voraussetzungen für eine gelingende Evakuierung des Monarchen.

Hierzu ein kostenloses Videobeispiel vom WM-Finale zwischen Magnus Carlsen und Sergey Karjakin 2016 in New York. Bei diesem Beispiel nutzte der Russe den Königsmarsch zunächst zur Verteidigung, erhielt so und mit einem anschließenden feinen Bauernopfer Gegenspiel. Er rettete sich auf diese Weise nicht nur in ein wichtiges Remis, sondern hatte sogar zeitweise eine bessere Stellung.

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Der König hilft

Im anschließenden Kapitel „The helper King“ beeindruckt Shirov mit einem waghalsigen Königsmarsch ins weiße Lager, der ihm in Verbindung mit der Aktivierung seines Springers das Remis gegen Kramnik sicherte – das alles traute sich Shirov trotz eines aktiven Turmes und des prächtigen Läuferpaars seines weltmeisterlichen Gegners. Markos erklärt, wann und warum eine solche Aktion gelingen kann.

Der König startete von g6!

Nicht minder kreativ geht Anish Giri bei seinem Sieg gegen Aryan Tari vor: Sein König umkreist nach der Rochade und einem gegnerischen Figurenopfer den eigenen Bauern auf f2, um die Bauernmehrheit von Schwarz zu blockieren. Was für eine alles andere als alltägliche Idee!

Weitere beeindruckende Beispiele folgen, wie etwa der Königsmarsch von Loek van Wely auf fast vollem Brett:

Der König wird auf g3 in Sicherheit gebracht, nachdem die Bauern die schwarzen Figuren zur Untätigkeit verdammt haben.

Das Kapitel gipfelt aber in einem schier unfassbaren, kaum zu erahnenden Königszug des Ex-Weltmeisters Tigran Petrosian gegen den jungen Garry Kasparov, bevor er zum Nachfolger des Armeniers wurde. Hier konnte sich die Erfahrung nochmal gegen die Jugend durchsetzen. Markos räumt allerdings auch ein, dass ein solches Manöver für kaum einen Spieler am Brett zu finden ist. Wenn man so etwas aber schon mal gesehen hat …

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Kunstvolle Rochade

„The Art of Castling“ – vielmehr geht es in diesem Kapitel um die Kunst, zu erkennen, wann und wohin man rochieren sollte. Der Ratschlag hört sich so einfach an: „Rochiere, um Deinen König in Sicherheit zu bringen.“ Doch manchmal gibt es einfach keinen sicheren Platz für die wichtigste Figur. Dennoch kann die Rochade ratsam sein. Dazu ein kostenloses Videobeispiel von einem der großen Dauerduelle der jüngeren Schachgeschichte: Mit Shirov und Kasparov trafen zwei brillante Angriffsspieler aufeinander – in diesem Falle zeigte der langjährige Weltmeister, wie gut er Stellungen einschätzen konnte.

Aronian spielte hier sehr kreativ: Mit der Aufgabe der Rochade durch …Sd3+ und Ke2 zwang er So mehr oder weniger, seinen Springer gegen den unentwickelten Läufer auf c1 zu tauschen. Der König lief dann nach g1 und der Turm kam nach h4 über h3 nach g3. In dieser Stellung stellt sich die wichtige Frage für Schwarz: Wohin mit dem eigenen König? Jan Markos zeigt auf, welche Argumente So abzuwägen hatte.

Und was lernen wir in dem Kapitel? Im Zusammenhang mit der Rochade spielt besonders die Aktivität und Verbindung der Türme eine wichtige Rolle und das richtige Timing ist außerordentlich wichtig.

König in Gefahr

In „The Uncastled King“ werden zwei stets wichtige Fragen zum unrochierte König als entscheidend betrachtet: Ist der König in der Mitte verwundbar? Stört der zentrale König bei der Harmonisierung der Figuren?

Am Beispiel Kamsky gegen Karpov erklärt Markos im Laufe der sich ändernden Stellung dieser instruktiven Partie mehrfach, welche der beiden Fragen gerade die entscheidende ist – sehr lehrreich und einmal mehr beeindruckend, wie Karpov seine Figuren aus einer schwieriger Stellung in eine harmonische überführt.

Am Ende einer langen Phase der Umgruppierung gewinnt Karpov mit einer hübschen Schlusskombi (Auflösung am Ende des Textes).

Markos schließt dieses spannende Kapitel mit einer eigenen Gewinnpartie und einem frühen und überraschenden Zug seines Königs nach e2 sowie einer in Erinnerung bleibenden Partie der beiden Ex-Weltmeister Mihail Tal und Mihail Botvinnik ab. Der junge Tal brannte mit seinem König auf d1 und seinen Turmmanövern ein wahres Feuerwerk ab. Ohne sich um die Sicherheit seines Monarchen zu viel zu sorgen. So errang er einen bedeutenden und originellen Sieg zum Auftakt des WM-Finalkampfs gegen den Titelverteidiger. Interessanterweise spielte Botvinnik diese Französisch-Variante später nochmal und zog dabei den eigenen König früh nach d8.

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Wundersame Wege der Könige

In „Miracles with the King“ schließlich zeigt Jan Markos nochmal alles, was die Könige können: Für Freunde von Klassikern dürfte die Partie Teichmann gegen „Berater“ aus dem Jahr 1902 eine immer wieder gern gesehene sein. Nicht minder beeindruckend, weil bei Weltklasseturnieren gespielt, sind die mindestens „modernen Klassiker“ Short gegen Timman (Tilburg, 1991) und Navara gegen Wojtaszek (Biel, 2015). Letztere Partie erhielt den Titel „Spiel des Jahres 2015“ und selbst das Wort „unfassbar“ wird ihr nicht gerecht. Zwar sind all diese drei Partien nicht ohne Fehler, aber vielleicht macht sie dies nur noch besonderer. Dieses Kapitel „Wunder mit dem König“ zu benennen, ist sicher nicht zu hoch gegriffen – so schön kann Schach sein …

Fazit:

Jan Markos hat einen sensationellen Mix aus Partiefragmenten und immer wieder auch kompletten Partien zusammengestellt. Diese zeigen auf die dem erfahrenen, slowakischen Trainer eigene Art, was der König alles kann. Seine Didaktik führt sicher dazu, dass der Betrachter bei den angefügten Aufgaben und gegen Fritz online auszuspielenden Stellungen mehr richtige Züge findet, als er sich zu Beginn des Kurses selbst zugetraut hat. Nach der Betrachtung von Dame, Turm, Läufer und Springer ist die Königsfolge die letzte dieser Videoserie. Wer etwas über die strategische und taktische Einsetzbarkeit der Figuren erfahren und sein Mittelspiel verbessern möchte, der kommt um diese Serie nicht herum. Wohl noch nie hat Strategietraining so viel Spaß bereitet und so häufig Staunen verursacht. Jan Markos hat in diesem Bereich neue Maßstäbe gesetzt.

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Auflösung der Kombination in Kamsky-Karpov:
29…Txd2 gewinnt die Partie wegen …Df3+ nebst …Lh3 und Dg2++.

Titelbild: Image by Tung Thanh from Pixabay


Stefan Liebig, geboren 1974, ist Journalist und Mitinhaber einer Marketingagentur. Er lebt heute in Barterode bei Göttingen. Im Alter von fünf Jahren machten ihn seltsame Figuren im Regal der Nachbarn neugierig. Seitdem hat in das Schachspiel fest in seinen Bann gezogen. Höhenflüge in die NRW-Jugendliga mit seinem Heimatverein SV Bad Laasphe und einige Einsätze in der Zweitligamannschaft von Tempo Göttingen waren Highlights für den ehemaligen Jugendsüdwestfalenmeister.
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