Fair Play im Schach

von ChessBase
09.03.2007 – Die deutsche Schachjugend bemüht sich seit längerem mit ihrer "Fair Play" -Aktion um einen respektvollen und fairen Umgang im Schach und ist in ihrem Bereich, dem Jugendschach in Deutschland, sehr erfolgreich. In einem Interview erläutert der Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend Jörg Schulz (Bild) die Ziele der Aktion. Im Schulschach, Kinder- und Jugendschach zählt laut Schulz nicht nur der sportliche Erfolg. Die Initiatoren, vor allem die Deutsche Schachjugend, haben auch einen Bildungsauftrag zu erfüllen, der pädagogische Ziele über den reinen Schachwettbewerb hinaus verfolgt. Leider gibt es jedoch innerhalb des Deutschen Schachbundes nicht die ungeteilte Unterstützung. Und bei manchen Wettbewerben kommt es leider gelegentlich auch zum groben Foulspiel, wie Schulz zu berichten weiß. Interview...

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Fairplay im Schach
Interview mit Jörg Schulz, dem Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend

In diesen Tagen ist das Thema Fair Play im Schach sehr aktuell. Die deutsche Schachjugend beschäftigt sich mit diesem Thema schon seit längerem und hat in einer Aktion die Initiative ergriffen. Was ist mit der Aktion gemeint?

Für die Deutsche Schachjugend (DSJ) ist das Thema Fair Play ganz wichtig. Seit einigen Jahren beschäftigen wir uns mit dem Thema und hoffen immer noch, dass wir den DSB mit nehmen können, was sehr schwer ist.

Warum ist dies schwer?

Weil für viele Schiedsrichter, Trainer, Betreuer und Funktionäre Fair Play im Schach schwer zu greifen ist. Immer noch steht das Wort eines Präsidiumsmitgliedes im Raum: „Im Schach gibt es kein Fair Play, da gibt es nur die Frage, werden die Regeln eingehalten oder nicht, und wenn nicht, greift der Strafenkatalog.“

Bei der DSJ ist das anders?

Wir haben es mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Unsere Aufgabe ist nicht nur die schachliche Entwicklung im Auge zu haben. Wir haben auch einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Und eigentlich ist die Frage nach dem Fair Play ganz einfach. Ich halte zum Beispiel auch als Delegationsleiter bei EM und WM jeden Spieler dazu an, fünf Minuten vor der Partie am Brett zu sein. Das ist Höflichkeit, Achtung vor dem Gegner, eben Fair Play. Es gibt nun aber genügend Betreuer und Trainer, die greifen den oben zitierten Satz auf und halten mir das Regelwerk vor die Nase: „Wieso, es ist doch erlaubt irgendwann innerhalb der ersten 60 Minuten ans Brett zu kommen und die Partie aufzunehmen.“ Beim Fair Play geht es aber eben nur zum Teil um die Regeln, deren Einhaltung auch für die DSJ an oberster Stelle steht, es geht vor allem darum, ob ich sie ausreizen muss, ob ich sie für mich gegen den Gegner ausnutzen darf? Regelkonform ist noch lange nicht faires Verhalten!


Jörg Schulz (li.) mit Gerd Blankenburg

Es ist bestimmt ein dorniger Weg, dieses zu vermitteln?

Ja und nein. Bei den Kindern und Jugendlichen ist es weniger schwer. Die Problemfälle sind die Betreuer, Trainer, die überehrgeizigen Eltern, da liegt oft die Anstiftung zum unfairen Verhalten. Auch hier gibt es einen bösen Satz eines Trainers vom DSB: „Die Trainer lachen sich kaputt über eure Fair Play Aktionen!“ Da liegt das Problem. Und das kann man nur gemeinsam lösen. Es dürfen im Kinder- und Jugendbereich nur Trainer eingesetzt werden, die das Fair Play in ihrer Lehre eingebaut haben. Diejenigen, die lehren, es geht nur um den Erfolg, egal mit welchen Mitteln, müssen wir draußen lassen.

Mit welchen Aktionen arbeitet denn die DSJ?

An erster Stelle steht ein Plakat zum Fair Play und ein Flyer, in dem das DSJ-Maskottchen Chessy Fair Play erklärt und zum fairen Spiel aufruft. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften thematisieren wir Fair Play rund um die Uhr. Und dafür haben wir die roten, gelben und grünen Karten eingeführt. Diese Karten werden gezogen von allen Leitern der DEM und eben nicht nur im Turniersaal, denn faires Verhalten ist auch außerhalb des Spielsaales wichtig. Mit den grünen Karten wird gelobt, mit den gelben verwarnt und die roten ziehen auch eine Strafe nach sich. Zudem gibt es eine Länderwertung. Die fairste Schachjugend auf der DEM erhält bei der Siegerehrung einen Geldpreis.

Bei der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft 2006 wurden mehrere Spieler und Betreuer verwarnt. Wie werden die Maßnahmen begründet?

Das ist pauschal nicht zu beantworten. Es hängt jedes Mal vom einzelnen Vorfall ab. Der schlimmste Fall war ein massives Eingreifen eines Vaters im Kinderbereich. Dieser Eingriff hatte zur Folge, dass der Gegner seines Kindes durch das Eingreifen auf Gewinn stehend so aus der Fassung gebracht wurde, dass er nicht mehr in der Lage war, die Partie konzentriert zu Ende zu spielen. Da wird dann gegen den Erwachsenen vorgegangen. Dies ist eine rote Karte und hat einen Ausschluss aus dem Spielsaal zur Folge, entweder für eine Runde oder für mehrere. Wir haben aber auch eine abgesprochenen Remispartie bei der offenen U25 Meisterschaft geahndet. Hier liegt das unfaire Verhalten gegenüber den übrigen Spielern im Turnier vor, denn jede Partie geht ja in die Wertung ein auch in die Gegnerfeinwertung. Es sind also von diesen unsäglichen abgesprochenen Remispartien immer auch unbeteiligte Dritte betroffen.

Im Jugendschachbereich sind zumeist die Trainer sehr viel spielstärker als ihre Schützlinge. Gibt es regelmäßige Versuche der Kontaktaufnahme und/oder sind sogar schon systematische Fernsteuerungen durch Trainer beobachtet worden?

Leider ja. Wobei zu beobachten ist, dass die echten auch sehr spielstarken Trainer sich so etwas nicht zu schulden kommen lassen. Sie machen zu Rundenbeginn ihre Runde, machen sich ein Bild vom Zustand des Schützlings, überprüfen, ob die Vorbereitung aufs Brett gekommen ist und lassen die Spieler spielen. Höchsten ab und an, schauen sie mal vorbei aus Interesse an der Partie. Die weniger spielstarken Betreuer und Trainer und leider auch schachspielende Eltern versuchen viel öfter einzugreifen und vorzusagen.

Auf welche Weise erfolgten die Kontaktaufnahmen der Trainer mit den Schützlingen? Gibt es richtige Zeichensprachen, mit denen Trainer ihren Spielern Züge übermitteln?

Dies gibt es auch, ja. Es gibt Fälle, in denen mit einstudierten Zeichensprachen gearbeitet wird.

Welches Ausmaß hat dieses Phänomen. Sind solche Vorgänge auch schon bei Weltmeisterschaften beobachtet worden?

Es ist schwer zu sagen, welche Ausmaße dies annimmt. Ich will mal sagen, es ist eindeutig die Minderheit, die so vorgeht. Aber auch international kann man dies beobachten. Und Weltmeister wurden so auch schon gemacht. Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Georgien kam es sogar deswegen zu einem Polizeieinsatz. Und oftmals hat dies zur Folge, dass die Veranstalter die Zuschauer komplett aussperren. Dann spielen sich absurde Situation an den Saalein- und –ausgängen ab. Die kurze Strecke von der Saaltür bis zur Toilette wird zur schnellen Kontaktaufnahme mit dem Spieler genutzt. Vor allem bei Spielsälen, bei denen man die Chance hat von außen durch Fenster in den Saal zu schauen. Erlebt bei Weltmeisterschaften in Spanien, wo dann am Ende die Fenster abgeklebt wurden.


"Fair Play" -Stand der Deutschen Schachjugend

Was unternimmt die Deutsche Schachjugend, um bei ihren Jugendtrainer Fair Play durchzusetzen?

Wir haben die Möglichkeit, Betreuer, Trainer auszuschließen vom Turnier. Die Schachjugenden sind verpflichtet, offizielle Betreuer zu melden und die DSJ hat das Recht – festgehalten in der Spielordnung – offizielle Betreuer abzulehnen. Ein Grund dafür ist, wenn Betreuer, Trainer sich bewusst unfairer Mittel bedienen und ihren erzieherischen Aufgaben nicht gewachsen sind. Im letzten Jahr hat es einen solchen Fall gegeben. Die Wahl zum Trainer des Jahres könnte man auch nutzen, um die Vorbilder zu belohnen und in den Mittelpunkt zu stellen. Aber wir haben da nur eine Stimme und leider auch nur einen geringen Einfluss bei der Auswahl von Trainern, wenn es um den internationalen Bereich geht.

In einem aktuellen Fall wurde beschrieben, wie Topalovs Manager Silvio Danailov sich beim Corusturnier in Wijk aan Zee merkwürdig verhalten haben soll. Ungeachtet einer Beurteilung dieser Beschuldigung in irgendeiner Richtung: Wäre es theoretisch und allein vom technischen Standpunkt gesehen denkbar, dass ein Trainer von außen einem Spieler Züge übermitteln kann? Viele Schachfreunde können sich gar nicht vorstellen, wie das möglich sein soll.

Das ist ohne weiteres bei den vielen technischen Möglichkeiten, die wir haben, machbar. Man denke nur an den Fall vor einigen Jahren, bei dem die Kriminalpolizei eingeschaltet wurde und nachweisen konnte, dass sich ein Spieler in einem Open technische Gerätschaften gekauft hatte mit Sender und Empfänger, wie sie im Spionagebereich genutzt werden.

Bei einem allerdings lange zurück liegenden Vorfall bei einem Mannschaftskampf habe ich einmal miterlebt, wie ein Spieler deshalb vom Schiedsrichter genullt wurde, nur weil er das Gebäude verlassen hatte. Der Spieler hatte seinen vierzigsten Zuge gemacht und war dann außerhalb in einem Imbiss essen, während die Partie noch lief. Als Begründung für die rechtmäßige Entscheidung wurde bemerkt, dass sich ein Spieler nicht einmal den Anschein geben darf, unrechtmäßige Hilfsmittel zu benutzen. Hat sich an dieser Regellage etwas geändert und gilt sie auch international?

Generell gilt, dass während einer laufenden Partie ein Spieler mit keinem anderen Kontakt aufnehmen darf, er den Spielsaal nicht verlassen darf, außer er sucht die Toilette auf, die zumeist außerhalb des Spielsaales liegt. Und auch wenn der vierzigste Zug ausgeführt ist, läuft die Partie ja noch. Da aber die Turnierverpflegung und die Raucherecke zumeist außerhalb des Spielsaales liegt, gibt es natürlich von dieser Regelung erlaubte Ausnahmen. Aber ein Fall, wie der geschilderte, ist auf jeden Fall ein Verstoß gegen die Regeln und auch gegen das Fair Play. Man darf sich nicht den Anschein geben, schummeln zu können. Bei den internationalen Jugendmeisterschaften wird streng auf die Einhaltung solcher Regeln geachtet, aus bekannten Gründen.

In einem Artikel über den nicht lange zurück liegenden Bundesligawettkampf in Berlin beklagt sich der Mannschaftsführer des SV Werder Bremen Till Schelz-Brandenburg darüber, dass im Turniersaal ein Schachprogramm die Partien mit analysiert. Auch Spieler beschwerten sich, dass Mannschaftsführer mit Notebooks im Turniersaal sitzen und die Partien im Internet verfolgen und mit analysieren. Wie ist das aus Regelsicht zu bewerten?

Bei Mannschaftswettkämpfen darf der Mannschaftsführer ja als einziger mit den Spielern der eigenen Mannschaft Kontakt aufnehmen, daher darf er natürlich nicht parallel die Partien des Wettkampfes analysieren, vor allem nicht mit technischen Geräten. Dass er dies im Kopf tut, wie die Zuschauer ja auch, das ist etwas anderes. Da in der Bundesliga aber neuerdings mit Lifetickern direkt vom Spielgeschehen ins Internet berichtet wird, geschieht dies ab und an auch direkt aus dem Turniersaal. Das sollte man erlauben, wenn sichergestellt ist, dass dies in einem Bereich geschieht, zu dem die Spieler und die Betreuer keinen Zugang haben. Da muss man zwischen der Wettkampfsituation und dem Interesse an einer guten, aktuellen Öffentlichkeitsarbeit abwägen.

In einer aktuellen Stellungsnahme zur Beschuldigung von Veselin Topalov hat sich FIDE-Präsident Kirsan Ilyumzhinov so geäußert, dass die FIDE eine Untersuchung anordnen würde, wenn Spieler oder Organisatoren eine solche beantragen würden. Müsste es aber nicht so sein, dass die FIDE von sich aus eine solche Untersuchung durchführen sollte, um Schaden vom Schach fern zu halten und vor allem auch, um Spieler vor ungerechtfertigten Anschuldigungen zu schützen? Wie ist hier der Standpunkt des Deutschen Schachbundes?

Hier antworte ich lieber als Privatperson. Aber eine Frage über die FIDE, die mit „müsste man“ beginnt, sollte man bei der FIDE gar nicht erst stellen. Natürlich muss die FIDE von sich aus aktiv werden, will sie für Schach als einen international geachteten Sport eintreten. Aber will die FIDE das? Man hat doch eher den Eindruck, dass dort private Interessen im Vordergrund stehen, Machtspiele etc, um nicht tiefer einzusteigen. Aber ob es denen um Schach geht ...   ?

 

Das Interview führte André Schulz.

 

Links:

Deutsche Schachjugend...
Fair Play -Kampagne der DSJ...
Fair Play auf der DEM 2006...

 

 


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