Freestyle vs. FIDE: Fronten verhärtet

von André Schulz
28.01.2025 – Die Kontroverse zwischen Freestyle Chess und der FIDE weitet sich zu einem großen Konflikt aus. Beide Seiten haben in verschiedenen Medien ihre erneut Standpunkte dargelegt. Das norwegische NRK zitiert Jan Henrric Buettner und die FIDE. Emil Sutovsky hat auf X reagiert. Im Hintergrund steht eine größere Geldsumme, die die FIDE gerne erhalten möchte. | Foto: sharkolot auf Pixapy

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Die Fronten zwischen dem Freestyle Chess Projekt und der FIDE haben sich weiter verhärtet. Der Norwegische Rundfunk (Norsk rikskringkasting, kurz NRK) veröffentlichte auf seiner Webseite einen Artikel über den Stand der Dinge und zitiert Jan Henric Buettner, der auf eine Stellungname der FIDE, letzte Woche in allen Sozialen Medien veröffentlicht, reagiert. Die FIDE hatte dort unter anderem mit rechtlichen Schritten gedroht.

"Ich finde es unglaublich dumm. Ich habe es kommen sehen, daher war es nicht überraschend, aber dennoch dumm," habe Jan Henric Buettner das Statement der FIDE laut NRK kommentiert: "Man kann eine marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen und Menschen erpressen," so Buettner. Das sei nicht legal, sagte Buettner gegenüber NRK. Der Hamburger Unternehmer ist der Ansicht, dass die FIDE, deren Hauptsitz sich in Lausanne in der Schweiz befindet, unter Schweizer Recht steht, und versucht eine Monopolstellung durchzusetzen.

Zum Freestyle Spielerzirkel gehören neben anderen auch Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura. Beide haben sich zum FIDE-Statement ablehnend geäußert. Carlsen hatte die FIDE-Aktion in einem Interview auf einer Spielmesse in Barcelona kurz kommentiert. Hikaru Nakamura hatte sich in einem Stream zum FIDE-Statement so geäußert: "Das ist eine Bedrohung. Eine direkte Bedrohung. Es ist schlecht. Wirklich schlecht. Das ist reine Erpressung, es gibt kein besseres Wort dafür," so zitiert NRK den Amerikaner.

Auf Anfrage von NRK wies die FIDE nun die Behauptungen von Nakamura und Büttner in einem längeren Schreiben zurück.

Die FIDE stelle keine neuen Anforderungen an die Spieler, heißt es. Die besagte Klausel, die eine vierjährige Nichtteilnahme an alternativen Weltmeisterschaften erwähnt, sei seit der Wiedervereinigung (nach der Spaltung in den 1990er Jahren) in allen Verträgen für FIDE-Großveranstaltungen enthalten, zitiert NRK den Weltschachbund. Die FIDE weiter: "Die Behauptung, es handele sich um „Erpressung“, sind irreführend, da diese Vereinbarungen von den Spielern unterzeichnet wurden und gängige Praxis im Sportmanagement sind, um die Integrität und Glaubwürdigkeit des Meisterschaftssystems zu wahren." Gemäß FIDE haben sowohl Carlsen als auch Nakamura noch gültige Verträge mit der FIDE.

Der springende Punkt bei der ganzen Kontroverse ist der Status der Freestyle Chess Tour. Die Tour heißt Freestyle Chess Grand Slam. Der Sieger soll aber der "Freestyle Chess Weltmeister" sein. Für diesen Titel und für die Rücksichtsname der Freestyle Chess Turniertermine im FIDE-Turnierkalender habe die FIDE laut Buettner 500.000 USD als "Gebühr" verlangt. Freestyle Chess sei bereit gewesen 100.000 USD als Sponsorship für FIDE-Turniere zu zahlen, aber das sei der FIDE zu wenig gewesen. Kritiker der FIDE meinen, es gehe der FIDE vor allem auch um Kontrolle.

Artikel bei bei NRK..


Reaktion von Emil Sutovsky auf X in deutscher Übersetzung:

Wenn man die öffentliche Rhetorik der Verantwortlichen von Freestyle Chess sieht, wird klar, dass das Projekt zum Scheitern verurteilt ist.

“ F U “, ‚Die sind so dumm‘, ‚Pferdescheiße‘ usw.

Und warum das alles? Weil Sie wollen, dass Ihr privates Projekt Weltmeisterschaft genannt wird? Anstatt einen Weg zu finden, wie wir mit mehreren großen Veranstaltern zusammenarbeiten, um den Kalender so auszurichten, wie wir es zum Nutzen der Spieler und Fans vorgeschlagen haben.

Um die Sache aufzupeppen, starten Sie also eine Kampagne, in der Sie das klassische/reguläre Schach herabsetzen, Medienveröffentlichungen orchestrieren und das Ganze mit persönlichen Angriffen würzen?

So gewinnt man weder Herzen noch Geld. Und Geld ist bei weitem das Hauptziel für dieses kommerzielle Projekt. 

Das ist auch nicht der Weg, um die Schachgemeinschaft anzusprechen: Sie können Anwälte engagieren und versuchen, einige Spieler davon zu überzeugen, ihre Verpflichtungen zu verletzen. Aber im Großen und Ganzen wird das nicht funktionieren - vor allem, wenn man nichts Nachhaltiges zu bieten hat. Und Schachspieler wissen, dass die FIDE liefert und weiterhin liefern wird.

Und Sie vernachlässigen die gesamte Schachgesellschaft und konzentrieren sich auf die Interessen einiger weniger - und ziehen dafür in den Krieg und fordern, dass Ihr Projekt Weltmeisterschaft genannt wird?

All das (und noch viel mehr) sind Anzeichen für eine Haltung, die zum Scheitern führen wird.

Die FIDE ist bekannt für ihre Bereitschaft, achtsam und flexibel zu sein und auf Partner und vor allem Spieler zuzugehen - und das wurde als Schwäche missverstanden.

Das „Ich bin größer als die FIDE“-Konzept hat nicht einmal bei Fischer und Kasparow funktioniert - die es als amtierende Weltmeister versuchten, während sie zu dieser Zeit eine echte Dominanz über ihre Rivalen hatten. Natürlich kann die Öffentlichkeit anfangs einen Superstar gegen den Dachverband unterstützen. Und man kann ein paar naive Investoren anlocken. Aber das ist unhaltbar - und wir haben viele Beispiele dieser Art gesehen.

Heute ist die FIDE wahrscheinlich in der besten Position, die es je gab - und die Schachgemeinschaft sieht das - wir führen eine noch nie dagewesene Anzahl von Projekten in der ganzen Welt durch, wir erhöhen ständig die Preisgelder für Spitzenspieler und die Unterstützung für Bildungs- und Sozialprogramme, und wir können dank unserer Partnerschaften in Ost und West weit vorausplanen.

Wir würden gerne mit jedem privaten Projekt zusammenarbeiten - vor allem mit ehrgeizigen Projekten.

Aber wenn Sie einen Krieg wollen - versuchen Sie es mit uns.

Original X-Post


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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