Frühgeschichte der Schachspalten

von Peter Muender
13.05.2014 – Die erste deutschsprachige Zeitung mit einer Schachspalte war 1828 die "Berliner Staffette". Größere Bedeutung erreichte die Schachspalte in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ (ab 1843). Bald gehörte eine Schachspalte zu jeder guten Tageszeitung. Die Hamburger Künstlerin Elke Rehder hat dieser Tradition ein künstlerisches Denkmal gesetzt und ein Buch veröffentlicht. Mehr...

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Schachspalten in Zeitungen, internationale Schachmagazine und Schachprobleme im 19. Jahrhundert:

Elke Rehders faszinierende Studie zur Anfangsphase medienwirksamer Schach-Präsentation

Die extrem vielseitige Hamburger Künstlerin Elke Rehder ist ChessBase-Lesern längst bekannt: Sie hat schon viele Schachbücher illustriert, einen Grafik-Zyklus zu Stefan Zweigs „Schachnovelle“ angefertigt, Skulpturen fabriziert und Drucke zu Slawomir Mrozeks Erzählung „Schach“ produziert, in der sich die Figuren selbständig machen und ein kurioses Eigenleben entfalten. Ihre erste beeindruckende Begegnung mit dem Schach, sozusagen ihr „Erweckungserlebnis“, hatte sie als junge Künstlerin in London, als sie Spieler beim Rasenschach beobachtete, die auf den 64 großen Feldern herumstolzierten und dabei mit den überdimensionierten Figuren hantierten. Deren leicht ritualisierte Bewegungsabläufe wirkten so faszinierend, dass sich Elke Rehder intensiver mit dem Thema Schach beschäftigte. Sie kennt sich also bestens aus mit historischen Schachlegenden wie Kieseritzky, Anderssen, Steinitz , Paul Morphy und Howard Staunton oder mit der Schach-Affinität von Marcel Duchamp, dessen Zitat „Mit dem Schach kreiert man schöne Probleme und seine Schönheit wird mit dem Kopf und den Händen gemacht“ sie gern bemüht, um die ästhetischen Aspekte neben dem agonalen Prinzip wirkungsvoll in Szene zu setzen.

Elke Rehder

Auch die Ursprünge medienwirksamer Schachberichte, vor allem die ersten Schachkolumnen in Zeitungen und Magazinen, aber auch die faszinierende, lebendige Clubszene in London, Paris, Wien und Berlin haben sie interessiert. Überhaupt ist es sehr erfrischend und informativ, dass die Autorin bei allen angeschnittenen Themen über den engen deutschen Horizont hinaus geht und Zeitschriften, Magazine, Schachmeister und Clubs aus England, der Schweiz, Frankreich, Italien, den Niederlanden und USA beschreibt. So ergibt sich eine absolut betörende kleine Kulturgeschichte rund ums Schach, die sehr liebevoll mit Porträts, Skizzen, Turnierszenen und Diagrammen illustriert ist. So ist die Autorin ihrem Credo treu geblieben, Schach sei nicht nur ein anspruchsvolles Spiel, sondern auch ein Spiegel der Gesellschaft.

Ursprünglich hatte sich die vom Thema Schach und Schachliteratur fast obsessiv begeisterte bibliophile Künstlerin zu einem doppelt so umfangreichen Manuskript (600 Seiten) hinreißen lassen; das jetzt veröffentlichte Buch ist immerhin noch 340 Seiten stark, nachdem der Verleger Karl-Otto Jung die Reißleine gezogen hatte. „Ich weiß ja, dass die meisten Schachspieler am liebsten Schachbücher lesen, mit deren Hilfe sie ihre Spielstärke verbessern können“, meint Elke Rehder daher etwas skeptisch über ihr auf historische Rückblicke fokussiertes Buch. Aber die vielen abgebildeten Problemstellungen und Aufgaben mit den dazu gelieferten Lösungen dürften auch die ehrgeizigen Turnierspieler erfreuen, die auf höhere ELO-Zahlen fixiert sind.

Die erste Schachspalte in einer deutschsprachigen Zeitung war 1828 in der „Berliner Staffette“ erschienen, aber das Blatt wurde 1929 umbenannt in „Allgemeines Oppositionsblatt“ und schon im Dezember wieder eingestellt. Von größerer Bedeutung war zweifellos die Leipziger „Illustrirte Zeitung“, deren erste Ausgabe am 1. Juli 1843 erschien. Eine Schachspalte gab es ab dem 12. August. Anfangs übernahm man noch Schachaufgaben ausländischer Zeitungen wie etwa der vier Monate zuvor gegründeten französischen „L´ Illustration“, die gleich in der ersten Ausgabe eine Schachspalte enthielt.

Deutsche Schachkomponisten wollten übrigens in der Anfangsphase veröffentlichter Schachspalten ihre Namen in der Öffentlichkeit nicht gedruckt sehen- offenbar hielten sie ihre Tätigkeit für anrüchig. Außerdem war Schach damals noch eine eher seltene Freizeitbeschäftigung. Erst mit der Londoner Weltausstellung 1851, als Howard Staunton das erste internationale Schachturnier organisierte, wurde Schach populär. Im gläsernen Crystal Palace hatte der Deutsche Adolf Anderssen im KO-System das Turnier gewonnen und außerhalb des Turnierzyklus gegen den in der ersten Runde ausgeschiedenen Mathematik-und Schachlehrer Lionel Kieseritzky die berühmte „Unsterbliche Partie“ gespielt. Das erwies sich als gelungener PR-Coup und trug wohl genauso viel zur Verbreitung des Schachspiels bei wie die in Zeitungen und Magazinen veröffentlichten Schachspalten.

Elke Rehder im "Atelier"

Manche Erläuterungen wie etwa die zu speziellen Drucktechniken sind vielleicht zu detailliert, aber die herrlichen Karikaturen, Stiche und Photos, auch die historischen Abbildungen mit den ersten Notationen, die damals noch jedes Feld völlig anders gekennzeichnet hatten als heute üblich (das Feld a8 war damals 1, h1 war 64) ergänzen sich mit den Informationen zu historisch-politischen Ereignissen zu einem umfassenden, faszinierenden Kompendium. Wunderbar und sehr hilfreich auch das ausführliche Namensregister und die Kurzbiographien bekannter Schachspieler der behandelten Epoche.


Elke Rehder: Schach in Zeitungen des 19. Jahrhunderts- 210 Schachaufgaben und 200 Bilder. Edition Jung, Homburg, 340 S., 29, 80,- Euro


 

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Peter Münder, Anglist, Pinter-Biograph und begeisterter Schachfreund spielt beim Hamburger SK.

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