Gedanken zum Weltfrauentag: Erinnerung an Vera Menchik

von André Schulz
08.03.2022 – Heute ist der Weltfrauentag, auch im Schach. Die erste spielstarke Vorkämpferin der Schachspielerinnen war Vera Menchik. Sie hatte unter anderem die Anerkennung von Raul Capablanca, der heute vor 80 Jahren starb. Vera Menchik kam zwei Jahre später bei einem Raketenangriff ums Leben. Jetzt ist wieder Krieg. "Love is more important than victory", sagt der Musiker Jason Kouchak und schreibt derzeit ein Musical über Vera Menschik.

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Der 8. März ist der Internationale Frauentag, oder auch Weltfrauentag genannt. Die Idee zu diesem Gedenktag entstand aus einer Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg beim Ringen um die Gleichberechtigung der Frauen, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen. Zum ersten Mal wurde der Frauentag am 19. März 1911 gefeiert. Auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen, 1921 in Moskau, wurde der Weltfrauentag dann auf den 8. März eines Jahres gelegt. 1975 schlossen sich die Vereinten Nationen (UN) an und richteten am 8. März 1975 eine Feier zum "Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden" aus. Im Sommer 1975 folgte in Mexiko-City die erste UN-Weltfrauenkonferenz. Die folgenden zehn Jahre (1975-1985) wurden zur Dekade der Frau erklärt.

Der Weltschachbund hat sich dieser Initiative angeschlossen und feiert am 8. März die Frauen im Schach. Das Jahr 2022 wurde sogar zum "Jahr der Frau" erklärt. Frauen sollen im Jahr 2022 im Schach besonders gefördert und unterstützt werden, so lautete die Idee. Inzwischen hat die Politik auf schrecklich Weise mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine eingegriffen und alle friedlichen Bemühungen um eine bessere Gleichstellung der Frau zunächst in den Hintergrund. Trotzdem gibt es aber einige Bemühungen.

Der 8. März im Jahr 1942 war der Todestag von Raul Capablanca, einem der stärksten Schachspieler seiner Zeit, Weltmeister von 1921 bis 1927. Er starb an diesem Tag in New York an einem Schlaganfall. Zehn Jahre zuvor hatte Capablanca der spanischen Zeitung ABC ein aufschlussreiches Interview gegeben, in dem er über seine Karriere und besondere Ereignisse in seinem Schachleben befragt wurde. Eine der Fragen galt den Frauen im Schach:

Frage: Gibt es Frauen, die gut Schach spielen?

Capablanca: "Eine. Sie heißt Vera Menchik und ist Tschechoslowakin und Slawin und wurde in England ausgebildet, wo sie auch lebt. Sie hat gegen mich gespielt und sie ist sehr stark."

Vera Menchik

Vera Menchik war die erste und einzige Frau, die auf Augenhöhe mit den Meistern vor dem Zweiten Weltkrieg mitspielen konnte. Sie wurde 1906 in Moskau geboren, hatte einen tschechischen Vater und eine englische Mutter. Nach der russischen Revolution ging sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Olga, die ebenfalls gut Schach spielte, 1921 nach England. Vera Menchik hatte Schach von ihrem Vater gelernt, als sie neun Jahre alt war. In England trat sie 1923 in den Schachklub von Hastings ein und erzielte bald beachtliche Erfolge.
 

 

1927 gewann Vera Menchik die erste offizielle Schachweltmeisterschaft der Frauen, die als Turnier am Rande der Schacholympiade ausgetragen wurde, mit zehn Siegen und einem Remis. Vera Menchik verteidigte ihren Weltmeistertitel bis 1939 bei sechs Weltmeisterschaftsturnieren. In allen diesen Turnieren verlor sie nur eine einzige Partie, spielte vier Partien remis und gewann 78 Partien. Außerdem gewann Vera Menchik noch einen Weltmeisterschaftskampf gegen Sonja Graf.

Vera Menchik spielt gegen 20 Gegner gleichzeitig im Empire Social Chess Club in London 1931.

Schach war vor dem Zweiten Weltkrieg fast eine reine Männerangelegenheit und auf Vera Menchik als einzige Frau in dieser Männerwelt wurde von den Meistern jener Zeit etwas spöttisch herabgeschaut. Albert Becker schlug vor, dass jeder der gegen Menchik verlöre, automatisch in einen Vera Menchik Klub aufgenommen werden sollte. Er wurde einer der ersten Klubmitglieder. Gegen Capablanca, gegen den sie siebenmal spielte und siebenmal verlor, blieb Menchik ohne Chance. Aber manchen anderen erwischte es schon.
 

 

Vera Menchiks Karriere hätte in friedlichen Zeiten noch lange andauern können, doch der Zweite Weltkrieg bereitete ihrem Leben ein vorzeitiges Ende. Am 26. Juni 1944 starb sie zusammen mit ihrer Schwester und ihrer Mutter bei einem deutschen Raketenangriff auf London. Vera Menvchik wurde nur 38 Jahre alt. Tragisch: Vera Menschik war vor den Bolschewiki aus Russland nach England geflüchtet und kam dort durch eine Bombe der Nazis ums Leben.

Nachruf im British Chess Magazine:

Fast fühlt man sich jetzt um 100 Jahr zurückversetzt. Am 8. März 2022 herrscht wieder Krieg und in der Ukraine sterben Menschen. Viele bekannte Schachspieler und Schachspielerinnen leben in der Ukraine.

Man kann einige weitere Parallelen zwischen der Zeit vor 100 Jahren und jetzt. Am Anfang des vorigen Jahrhunderts stand ein vier Jahre dauernder Weltkrieg. Jetzt hat ein Krieg in der Ukraine begonnen, von dem wir nicht wissen, wie er sich entwickeln wird. Von 2018 bis zu Beginn der 1920er wütete die Spanische Grippe, mit Millionen von Toten. Seit zwei Jahren kämpfen die Menschen mit dem Covid-19-Virus.

Jetzt und vor hundert Jahren war Schach populär und "in Mode". Vera Menschik verkörperte als erste Frau im internationalen Spitzenschach in den 1920er Jahren ein feministisches Ideal auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Sie inspirierte die Modezeitschrift "Vogue" 1929 sogar zu einem Titelbild mit Schachmotiven. Vera Menschik war die reale Beth Harmon des vorigen Jahrhunderts.

Das Schicksal von Vera Menchik hat den Musiker Jason Kouchak dazu inspiriert, ein Musical über die damals weltbeste Schachspielerin zu schreiben, unter dem Motto "Love is more important than victory." (Jason Kouchak).

Jason Kouchak

Vera Menchik kam als Flüchtling aus Russland nach England. Die neue Sprache beherrschte sie kaum, aber im Schach konnte sie sich ausdrücken. "Schach ist ein ruhiges Spiel und daher das beste Hobby für eine Person, die die Sprache nicht richtig sprechen kann" (Vera Menschik). 

Das Musical über Vera Menchik "Eine Königin vor ihrer Zeit" soll im Mai im Holland Park und beim diesjährigen Chessfest im Juli in London aufgeführt werden.

Remembering Vera Menchik:

 

Remenbering Vera Menchik (British Chess News)...

Happy International Women's day (FIDE)...

Interview Capablanca...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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