Alekseev gewinnt der Russischen
Meisterschaft
Von Misha Savinov
Das Superfinale der 59. Russischen
Meisterschaft sah einen neuen Champion – Evgeny Alekseev. Es war das erste Mal,
dass der Meister durch Schnellschach-Tiebreak ermittelt wurde. Es war
wahrscheinlich auch die erste Meisterschaft, die in einem Rundenturnier
ausgetragen wurde und in der Schwarz mehr Partien gewann als Weiß! Letzteres ist
jedoch recht leicht zu erklären, wenn man das Durchschnittsalter des Turniers
bedenkt (etwas über 22 Jahre). Junge Spieler, deren Eröffnungsrepertoire sich
noch im Aufbau befindet, räumen bei ihrem Eröffnungsstudium den schwarzen
Steinen Priorität ein.
Denis Khismatullin (links): 1.c4 mit Weiß, sizilianische Hauptvarianten mit
Schwarz
So konnte man in dieser Meisterschaft oft
beobachten, wie Topvorbereitung von Schwarz auf allgemeine Kenntnisse des Weißen
traf – und die Ergebnisse spiegeln das wider.
Von den drei erfahrendsten Teilnehmern kann
nur Peter Svidler mit seinem Ergebnis mehr oder weniger zufrieden sein. Es ist
nicht leicht, sich daran zu erinnern, wann Peter im Winter je in Topform war.
Auch dieses Mal war seine Form nicht allzu gut, aber dennoch konnte er
Niederlagen vermeiden und beendete das Turnier als Vierter mit +2. Dem
vierfachen russischen Meister fehlten Energie und Durchschlagskraft. Svidlers
zwei Weißpartien gegen Najer (-6) und Vitiugov (-4) endeten mit zwei Remis und
in keiner der beiden Partien war Peter in der Nähe eines Vorteils.
Peter Svidler wird diese Partie gegen Vitiugov Remis spielen
Der Beobachter des Sport Express,
Yury Vassilyev, schrieb, dass Svidler der einzige Spitzenmann Russlands bei dem
Turnier war. Aufgrund dessen erklärte er, dass die Meisterschaft wertlos wäre.
Vielleicht war dies der Grund, warum Mr. Vassilyev nie bei dem Turnier zu sehen
war. Meine Definition von ‘Top’ ist nicht so 2700-orientiert, weshalb ich dazu
neige, den Meister von 2005, Sergey Rublevsky, ebenfalls in diese Liste
aufzunehmen.
Der entthronte Sergey Rublevsky
Obwohl er mit einem Sieg gegen Alekseev ins
Turnier startete, konzentrierte Rublevsky sich nicht darauf, das bestmögliche
Ergebnis zu erzielen. Einmal mehr sahen wir ein Beispiel eines aktiv spielenden
Großmeisters, der eins der wichtigen Turniere ziemlich ausgelaugt anging.
Was ist besser – eine Meisterschaft zu gewinnen (Rublevsky) oder zwei Mal
Zweiter zu werden (Jakovenko)?
Darüber hinaus steht Sergey kurz vor dem
Abschluss eines Buches mit seiner Biographie und verbrachte während des
Superfinales doch viel Zeit damit, zusammen mit Evgeny Atarov daran zu arbeiten.
Der, was Erfahrung angeht, drittplatzierte
Spieler, Evgeny Najer, landete mit fürchterlichen ‘minus 6’ auf dem letzten
Platz. Es scheint schwer zu erklären, wie ein solch talentierter und
beschlagener Spieler so tief fallen konnte, aber mir fallen mindestens zwei
mögliche Erklärungen für diesen Rückschlag ein.
Evgeny mit seinem Schwager, Großmeister Vladimir Potkin
Zunächst einmal ist da seine Ehe. Evgeny hat
vor ungefähr einem halben Jahr geheiratet, und viele Schachprofis glauben, dass
ein solcher Schritt der Schachkarriere für mindestens ein Jahr großen Schaden
zufügt! Und diese Regel gilt nicht nur im Schach! Vor kurzem las ich einen
Artikel über den Go-Spieler Lee Sedol, in dem der Autor behauptete, Sedols
Heirat würde seine Ergebnisse negativ beeinflussen, weil der Status eines
verheirateten Mannes feste und regelmäßige Einkünfte verlangt, was seinem
kühnen, energischen und exzessiv-kreativem Stil zuwiderlaufen würde.
Allerdings kann man nicht sagen, dass Najer
im Superfinale seinem Stil untreu geworden ist. Die zweite Erklärung lautet,
dass er einfach erschöpft war. Seit seinem Sieg im allrussischen
Schulmannschaftsturnier, wurde Evgeny stets als ein aufstrebender Star des
russischen Schachs betrachtet. Doch irgendwann machte er nur noch langsam
Fortschritte und trotz gelegentlicher Glanzpartien und deutlich zu erkennendem
Potenzial, schaffte er den Sprung von den Open-Turnieren zu prestigeträchtigen
Einladungsturnieren nicht. 2005 qualifizierte er sich schließlich für das
Superfinale, aber wurde krank und musste zurücktreten. So waren die Erwartungen
für das Superfinale in diesem Jahr einfach zu hoch. Evgeny versuchte seine Art
Schach zu spielen, kämpferisch und zweischneidig, und weigerte sich, kurze Remis
zu machen, um sich so einen oder zwei zusätzliche Ruhetage zu sichern, aber das
führte zu einem Ergebnis von 2,5 aus 11 Partien.
‘Ich hatte Najer unter den ersten drei
erwartet’, – erklärte Ernesto Inarkiev und dies zeigt, welche Autorität Najer
unter seinen Kollegen genießt.
Inarkiev schlug Najer in der Schlussrunde
So zeigte keiner der erfahrenen Spieler auch
nur die Hälfte seiner Stärke, alle aus unterschiedlichen Gründen. Deshalb wurde
das Superfinale-2006 tatsächlich zu einer Meisterschaft der Jugend. Und wenn man
hinnimmt, dass weder Svidler noch Rublevsky oder Najer in den Kampf um die
ersten drei Plätze eingreifen konnten, dann ist das Endergebnis alles andere als
überraschend.
Ernesto Inarkiev, der früher in Elista
wohnte und vor kurzem in einen Moskauer Vorort gezogen ist, Sieger der Hohen
Liga in Tomsk und offizieller Schüler von Mark Dvoretsky, wurde Dritter. Klingt
nachvollziehbar, aber Ernesto war von seinem Ergebnis selbst sehr überrascht.
Inarkiev zertrümmert Nepomniachtchis Franzosen
‘Ich bin schrecklich müde! Ich hatte ein so
anstrengendes Programm, dass ich die Figuren kaum noch sehen kann!’ – klagte er.
Außerdem fing er sich irgendeinen Virus ein und fühlte sich nicht in Bestform.
Doch nach seiner Geburtstagsfeier wurde alles anders. Die letzten drei Runden
brachten Ernesto drei klare Siege.
Ein weiterer Punkt, der aus einem Turmendspiel gepresst wurde
‘Inarkiev besitzt kein subtiles
Positionsgefühl, aber er verfügt über eine Unmenge an Energie und gute
Angriffseigenschaften’, – erklärt Yury Razuvaev. Klingt wie Kritik, aber wurden
über Kasparov nicht ähnliche Dinge gesagt?
Razuvaev erzählt Khairullin, dass man vor Inarkiev keine Angst haben muss
Dmitry Jakovenko landete nach dem Tie-Break
schließlich nur auf dem zweiten Platz. Eine hübsche Technik, gutes positionelles
Verständnis und ein starker Charakter brachte zum zweiten Mal hintereinander die
Silbermedaille. Ohne Brille (er trägt jetzt Kontaktlinsen) sorgen die Narben um
sein rechtes Auge (er lief bei einem Schachturnier in eine Glastür) dafür, dass
er noch entschlossener aussieht.
Mr. Silber
Bin ich am Zug?
Dmitry trat während des gesamten Turniers
wie ein Champion auf, aber es gab einen Spieler, den das völlig kalt ließ.
Evgeny Alekseev akzeptiert keine Autoritäten und hat Nerven aus rostfreiem
Stahl. Anders als die meisten anderen Jugendspieler hat sich Alekseev immer
langsam und beständig entwickelt, ohne größere Sprünge oder gelegentliche
Einbrüche. Sein Spielstil ist ziemlich unauffällig, aber sehr gesund, und man
hatte das Gefühl, je länger das Superfinale dauerte, desto stärker wurde er.
Ein Schlüsselsieg über Tomashevsky in der vorletzten Runde
Nikitin, Trainer von Jakovenko, und Dvoretsky, Trainer von Inarkiev, kommen zur
Schlussrunde
Alekseev und Jakovenko machten ihre Partien
in der letzten Runde beide Remis,
Nach seinem Remis mit Grigoriants ist Jakovenko neugierig, was sein Konkurrent
macht
.. womit sie den ersten und zweiten Platz
teilten und zwei Tiebreak-Partien angesetzt wurden, um den letztendlichen Sieger
zu ermitteln.
Den Tiebreak zu verfolgen war spannend. Das
Schachbrett wurde in den Presseklub gebracht, da der große Saal für die
Abschlussfeier hergerichtet werden musste. Etwa 15 Zuschauer aus der Gruppe der
Organisatoren und Presseleute zogen es vor, die Tiebreak-Partien live zu
verfolgen,
Der Tiebreak hat begonnen
... während der größte Teil der Zuschauer
sich um Sergey Dolmatov scharte, der die Partien kommentierte, während sie noch
gespielt wurden.
Dolmatov, der augenblickliche Trainer von Alekseev, beobachtet die Partie
aufmerksam
In der ersten Partie, einem
Scheveninger-Sizilianer, stand Jakovenko mit Weiß irgendwann einmal auf Gewinn,
aber beschloss zu opfern, und musste dann erleben, wie sein Angriff abgewehrt
wurde. Zum Glück für ihn wickelte Alekseev in ein besseres Endspiel ab, anstatt
die Mehrfigur zu behalten und Jakovenko konnte das Gleichgewicht halten.
Der weiße Bauer steht bereits auf g5
Evgeny mauert sich ein
Jakovenko rettet geschickt ein schlechteres Endspiel
In der zweiten Partie setzten die Spieler
ihre Diskussion von Eröffnungen aus den Kasparov-Karpov Wettkämpfen weiter fort.
Eine ultra-scharfe Zaitsev-Variante gab Jakovenko eine angenehme Stellung, aber
er behandelte sie nicht optimal. Alekseev nutzte die Fehler seines Gegners
geschickt aus, gewann eine Qualität und bald musste Schwarz aufgeben. 1,5-0,5,
und der Großmeister aus St. Petersburg gewinnt die russische Meisterschaft 2006.
Partie Zwei: Weiß greift brutal an
… und hat schließlich Materialvorteil
Das Ende ist in Sicht
Schwarz bleibt nichts anderes übrig als aufzugeben
Alexander Roshals Schlusswort war sehr lang
Alexander Bakh überreicht Evgeny Alekseev die Goldmedaille
Schau her, Dmitry, der Pokal gehört mir!
Die stolzen Sieger