Grand Swiss: Führungsgruppe erweitert, deutsche Spieler halten weiter gut mit

von André Schulz
02.11.2021 – Nach der sechsten Runde des Grand Swiss liegen fünf Spieler punktgleich vorne. Das Spitzenspiel der Runde zwischen dem Youngster Alireza Firouzja und dem Routinier Alexey Shirov endete remis, ebenso die Partie Evgeny Najer gegen Fabiano Caruana. So konnten Maxime Vachier-Lagrave und Sasikiran mit vollen Punktgewinnen gleichziehen. Elisabeth Pähtz schaffte ein glückliches Remis gegen Zhu Jiner. | Fotos: Anna Shtourman (FIDE)

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Der Überraschungsmann der ersten Turnierhälfte des Grand Swiss ist nicht etwa Alireza Firouzja. Es ist Alexey Shirov.

Firouzja ist für jedermann sichtbar auf dem Weg nach ganz oben. Der Sieg oder ein zweiter Platz hier beim Grand Swiss wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Wettkampf um die Weltmeisterschaft. Firouzja ist hochmotiviert und er hat alle Fähigkeiten, seinen Siegeswillen am Brett umzusetzen. Seine bisherige Leistung beim Grand Swiss kommt also wenig überraschend.

Bei Alexey Shirov sieht das etwas anders aus. Der "Fire on the Board"-Spezialist, geboren 1972, gehörte einst zur absoluten Weltspitze, doch das ist schon etwas her. Im Januar 2000 war Shirov die Nummer zwei in der Welt. Ein geplanter WM-Kampf gegen Kasparov war wegen Geldmangel 1998 nicht zustande gekommen.

How to crack the Berlin Wall with 5.Re1

Alexei Shirov zeigt auf dieser DVD mit 5.Te1 gegen die Berliner Mauer eine Alternative zu 5.d4, in der Weiß Druck entwickeln und die Initiative an sich reißen kann.

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Shirov pflegt einen sehr aufwändigen hochtaktischen Stil. Mit zunehmendem Alter schleichen sich allerdings bei dieser Spielanlage immer öfter Rechenfehler ein und so führen die taktischen Überfälle in Shirovs Partien heute nicht mehr so oft zum Erfolg wie früher. Mit 2659 ist Shirov "nur" Nummer 32 der Setzliste beim Grand Swiss in seiner Heimatstadt Riga. Aber trotz sinkender Elozahl bleibt Shirov natürlich für jedermann ein sehr gefährlicher Gegner.

In den ersten fünf Runden holte Shirov, unter spanischer Flagge spielend, vier Punkte und teilte so nach fünf Runden mit Alireza Firouzja und Evgeniy Najer den ersten Platz, wobei Firouzja aber auf seiner "Tanzkarte" die deutlich besseren Gegner hatte.

Shirov und Firouzja spielten die Toppartie des Tages auf dem Gebiet der Caro-Kann Verteidigung, dort in einem aktuellen Abspiel der Vorstoßvariante. Firouzja erhielt die bessere Stellung, doch dann entglitt ihm die Partie ins Remis.

 

[Im fortgeschrittenen Mittelspiel entstand diese Stellung. Mit der halboffenen f-Linie hat Schwarz die besseren Chancen.]

30.c4 dxc4 31.Dc3 [Vorsicht! Es droht Dxc4 und Txb7. Der König kann nicht nehmen wegen Matt. Dxb7 kostet die Dame gegen zwei Türme, hier günstig für Weiß.]

31...Tdf8 [Aktive Verteidigung. Vorsichtiger war 31...Kb8 32.Dxc4 Tc8]

32.Dxc4+ Kb8 33.Tb2 [33.Txb7+ geht nicht: 33...Dxb7 34.Tb3 Txf2+ 35.Ke1 Tf1+ 36.Kd2 T8f2+ 37.Ke3 Tf3+–+]

33...Df7 34.De2 [Deckt einfach die Schwäche.]

34...Dc7 35.Dc2 Dd7 36.Thb3 b6

 

37.Dc5 [Droht Txb6, aber mit Gewinn. Möglich war auch gleich 37.Txb6+ axb6 38.Txb6+ Ka7 39.Dc5 Und die Mattdrohung Da5 erzwingt 39...Txf2+ 40.Ke1 Tf1+ 41.Ke2 T1f2+ 42.Ke1= (42.Kd3?? T8f3+ 43.Kc4 Tc2+–+) ]

37...Db7 38.Txb6 axb6 39.Txb6 Txf2+ 40.Ke1 Tf1+ 41.Ke2 T1f2+ 42.Ke1 Tf1+ 43.Ke2 ½–½


Auch Najers Platzierung in der Spitzengruppe ist nicht selbstverständlich. Der russische Großmeister spielte an Tisch zwei mit den weißen Steinen gegen Fabiano Caruana und setzte seinen Gegner im Sizilianischen Vierspringerspiel ordentlich unter Druck. Nach zäher Verteidigung kam Fabiano Caruana mit einem Remis davon.

Anschluss an die Spitze hält Maxime Vachier-Lagrave. Die französische Nummer zwei (?) hinter Firouzja machte mit der Französischen Verteidigung von Pavel Ponkratov sehr kurzen Prozess.

Vachier-Lagrave,Maxime (2763) - Ponkratov,Pavel (2659) [C02]

FIDE Grand Swiss 2021 Riga LAT (6.3), 01.11.2021

1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 c5 4.c3 Sc6 5.Sf3 Db6 6.Ld3 cxd4 7.0–0 [Der aktuelle Modezug im Millner-Barry-Gambit.]

7...Ld7 8.Te1 [8.Sbd2 Tc8 9.Sb3 dxc3 10.bxc3 Dc7 11.Te1 Sge7 12.h4 1–0 (47) Carlsen,M (2863)-Harikrishna,P (2732) Lichess.org INT 2020]

8...Sge7 9.h4 h6 10.a3 [In einigen Vorgängerpartien geschah 10.h5]

10...Tc8 11.b4 a6 12.Lb2 g5 13.Sh2 Lg7 14.Sg4 gxh4 15.cxd4 h5?!

 

[Zwingt Weiß zu dem Zug, den er sowieso machen wollte. 15...Sxd4!?]

16.Sf6+ Lxf6 17.exf6 Sg8 18.Df3 [Der nächste Weiß Zug ist schwer zu verhindern.]

18...Th6 [18...Sxd4? 19.De3+–]

19.Dxd5 Sxf6 20.Dg5 Sg4 [Der einzige Zug, der noch geht. Kleine Materialbilanz: Schwarz hat einen Bauern mehr auf dem Brett. Der ist aber so wertlos, dass Weiß sich nicht die Mühe macht ihn einzustreichen.]

21.Sc3 [Nun auch mal an die Entwicklung denken. Nicht etwa 21.f3?? Sxd4]

21...Dd8 22.Dxd8+ Kxd8 23.Se4 [Es droht f3 mit Figurengewinn. Die schwarze Stellung fällt nun auseinander.]

 

23...e5 [23...Th8 24.f3 Sh6 25.d5+–; 23...Th7 24.f3 Sh6 25.d5 exd5 26.Sg5+–]

24.f3 Sxd4 25.fxg4 hxg4 26.Sg5 [Schwarz hat genug gesehen.] 1–0

Kiebitz Caruana

Aus deutscher Sicht sind die beiden Grand Swiss Turniere und die Leistung der deutschen Spieler dort sehr erfreulich. Nach fünf Runden standen die vier deutschen Großmeister im offenen Turnier alle mit drei Punkten, lagen damit über Par und befanden sich in der erweiterten Verfolgergruppe. Von 20 Partien gingen nur zwei verloren. Dmitrij Kollars hat dabei die wertvollsten Skalps gesammelt. In Runde eins schlug er mit Boris Gelfand den Vizeweltmeister von 2012 und in Runde fünf mit Alexander Demchenko den amtierenden Europameister.

Alle vier deutschen Spieler erhielte in Runde sechs schwere Aufgaben. Kollars spielte gegen Radoslaw Wojtaszek. Matthias Blübaum hatte es mit den weißen Steinen mit Pentala Harikrishna zu tun. Vincent Keymer musste sich mit der gleichen Farbe mit Grigoryi Oparin auseinandersetzen. Die schwierigste Aufgabe hatte Alexander Donchenko zu bewältigen. Er saß Levon Aronian gegenüber. Am Ende Tages durften sich die vier deutschen Spieler über zwei Punkte freuen, gerecht geteilt. Jeder erhielt einen halben Punkt.

Schwierige Aufgabe gemeistert, Alexander Donchenko

Das Duell der Jungstars zwischen Andrey Esipenko und Nodirbek Abdusattorov entschied Ersterer mit einem Kraftzug für sich.

 

27.Le5 und Aufgabe.

An der Spitze der Tabelle ist es nun zum Schulterschluss von fünf Spielern gekommen: Neben Firouzja, Shirov und Najer schloss nicht nur Vachier-Lagrave, sondern auch noch Sasikiran auf. Der Inder gewann gegen Alexandr Predke. In den Runden zuvor hat er sich gegen starke Gegner wie  Maghsoodloo, Artemiev und Fedoseev nach oben gekämpft.
 

Tabelle

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Firouzja Alireza 4,5 20,0
2 Vachier-Lagrave Maxime 4,5 18,0
3 Najer Evgeniy 4,5 16,5
4 Sasikiran Krishnan 4,5 16,0
5 Shirov Alexei 4,5 14,5
6 Yu Yangyi 4,0 19,5
7 Caruana Fabiano 4,0 19,0
8 Petrosyan Manuel 4,0 18,5
9 Nihal Sarin 4,0 18,0
10 Korobov Anton 4,0 17,0
11 Tari Aryan 4,0 17,0
12 Sargissian Gabriel 4,0 16,5
13 Navara David 4,0 16,5
14 Sjugirov Sanan 4,0 16,0
15 Sevian Samuel 4,0 16,0
16 Anton Guijarro David 4,0 16,0
17 Deac Bogdan-Daniel 4,0 15,0
18 Esipenko Andrey 4,0 14,5
19 Sarana Alexey 4,0 14,5
20 Dubov Daniil 4,0 14,5
21 Ponkratov Pavel 3,5 20,0
22 Hovhannisyan Robert 3,5 19,5
23 Ponomariov Ruslan 3,5 18,5
  Keymer Vincent 3,5 18,5
25 Donchenko Alexander 3,5 18,5

114 Spieler

Partien

 

 

Grand Swiss der Frauen

Beim Grand Swiss der Frauen durften sich die deutschen Schachfans ebenfalls freuen, denn die einzige deutsche Teilnehmerin Elisabeth Pähtz befand sich nach guten Ergebnissen nach Runde fünf in der Spitzengruppe. Nach gutem Start mit zwei Siegen überstand die Erfurterin mit Lei Tingje und Nana Dzagnidze unbeschadet zwei starke Gegnerinnen und besiegte in Runde fünf mit Lela Javakishvili eine weitere gute Spielerin. In Runde sechs wartete an Tisch zwei mit Zhu Jiner eine weitere Chinesin.

Der Torre-Angriff nach 1.d4 Sf6 2.Sf3 g6 3.Lg5

Auf der vorliegenden DVD widme ich mich dem Torre-Angriff nach 1.d4 Sf6 2.Sf3 g6 3.Lg5. Im ersten Teil stelle ich die wichtigsten Varianten vor, wobei nach 3…Lg7 4.Sbd2 hauptsächlich zwischen dem Königsindisch-Aufbau (d7-d6) bzw. dem Grünfeld-Aufbau (d7-d

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Elisabeth Pähtz erhielt hatte eine schwierige Partie, geriet in eine Verluststellung und konnte sich im Endspiel dann noch in ein Remis retten.

 

[Weiß steht mit seinen aktiven Figuren und dem Freibauern auf der d-Linie auf Gewinn.]

32.Lg5 

[Mit 32.d6 konnte Weiß eine Figur gewinnen, z.B.: 32...Tc6 (Oder 32...Kg8 33.Tc7 Td8 34.d7 Kf7 35.Lb6 Ke7 36.Tc8+–) 33.Td8 Kg7 34.d7 Le7 35.Te8 Kf7 36.d8D Lxd8 37.Txd8; Weniger klar ist 32.Txb7 Tc4]

32...Kg8 33.Lf6 Tc4 34.d6 Td4 35.Lxe5 Txe4 36.Lg3 Td4 [36...h5!? 37.Txb7 (37.h3 h4 38.Lh2 Te2 39.Txb7 Txa2 40.d7 Td2=) 37...h4 38.Lf2 Lxd6]

37.Kf2 b5 [37...Td3!?] 38.Ke3 Td1 39.Ke4 Td2? [39...Lg7!? mit der Idee Td4.]

40.Lf4 Txa2

 

41.Tb7? [Stärker war 41.Kd5 z.B.: 41...Tc2 42.Ke6 Te2+ 43.Le5 mit Bauernumwandlung.]

41...Ta4+ 42.Ke3 Txf4!? [Schwarz spielt anscheinend auf Gewinn. 42...Ta3+ 43.Ke2 (43.Kd4 Ta4+ 44.Ke5? Lxd6+–+) 43...Ta2+= und Weiß kann dem Dauerschach nicht entkommen.]

43.Kxf4 Lxd6+ 44.Kg5 b4 [Materiell ist alles OK für Schwarz, aber der schwarze König ist abgeklemmt und kommt jetzt unter Druck.]

45.Kf6 Lf8 46.g4 a5 47.Ta7 b3 48.Txa5 Lg7+ 49.Ke6 Lc3 50.Tb5 b2 51.Tb7 Ld4 52.h4

 

52... Lc3? [52...Kf8 53.Tb8+ Kg7 54.g5 (54.h5 gxh5 55.gxh5 Kh6=) 54...Lc3 55.Tb7+ Kf8=]

53.h5 gxh5 54.gxh5 [Nun droht entscheidend h6 und Matt.]

54...b1D [Um aus dem Mattnetzt zu kommen. 54...h6 55.Kf5 -- und 56.Kg6+–]

55.Txb1 Kg7 [Das Endspiel hat nun studienartigen Charakter angenommen.]

 

56.Kf5? [Lässt den schwarzen Läufer auf die Diagonale c1–h6, wonach die Partie remis ist.]

[56.Td1 gewinnt, z.B.: 56...Kh6 57.Kf5 Lb4 (57...Kxh5 58.Th1#; 57...Lb2 58.Td6+ Kxh5 59.Td2+–) 58.Td7 La3 59.Tc7 Lb4 60.Tc2 La3 61.Tc6+ Kxh5 62.Tc3]

56...Ld2 [Der einzige Zug. Jeder andere Zug verliert.]

57.Td1 [57.Tb7+ Kh6 mit Remisstellung.]

57...Le3 58.Ke4 Lg5 59.Td7+ Kh6 60.Kf5 Lc1 61.Td6+ Kg7 [61...Kxh5 62.Td1 Lg5 63.Th1+ Lh4 64.Kf4 h6 65.Th2+–]

62.Tf6 Ld2 63.Ke6 Lc1 64.Tf1 Ld2 65.Tf2 Le3 66.Te2 Lc1 67.Kf5 Kh6 68.Kg4 Kg7 69.Tg2 Kh6 70.Tc2 Le3 71.Tc3 [71.Tc6+ Kg7 72.Kf5 Ld2 73.Tc7+ Kh6=]

71...Ld2 72.Td3 Lc1 73.Tc3 Ld2 74.Td3 ½–½

Lei Tingie gewann gegen Jolanta Zawadzka und hat sich damit an die Spitze des Feldes gesetzt.

Tabelle

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Lei Tingjie 5,0 18,0
2 Batsiashvili Nino 4,5 20,0
  Paehtz Elisabeth 4,5 20,0
4 Zhu Jiner 4,5 20,0
5 Pogonina Natalija 4,5 18,0
6 Harika Dronavalli 4,0 19,0
7 Javakhishvili Lela 4,0 18,0
8 Kosteniuk Alexandra 4,0 18,0
9 Muzychuk Mariya 4,0 17,5
10 Zawadzka Jolanta 4,0 16,0
11 Munguntuul Batkhuyag 4,0 14,5
12 Kashlinskaya Alina 4,0 14,0
13 Dzagnidze Nana 3,5 21,5
14 Assaubayeva Bibisara 3,5 18,0
15 Osmak Iulija 3,5 17,5
16 Abdumalik Zhansaya 3,5 16,5
17 Badelka Olga 3,5 16,5
18 Rogule Laura 3,5 15,0
19 Maltsevskaya Aleksandra 3,5 14,0
20 Gunina Valentina 3,0 18,5

Partien

 

 

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Ergebnisse bei Chess-results...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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