Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..
"Altgriechische Texte machen hundert Mal mehr Spaß als Schach"
Robert Hübner begeistert Senioren bei einem mit Bonmots gespickten Vortrag
Die hochwertigste Partie bei der Deutschen Senioren-Einzelmeisterschaft (DSEM) in Bad Wildungen zeigte unzweifelhaft eine Legende: Robert Hübner. Leider aber nicht als Teilnehmer, auch wenn dann in der Altersklasse Ü65 der Sieger schon vorab festgestanden hätte! Der 74-jährige Kölner, der am 6. November seinen 75. Geburtstag feiert, verkürzte den Spielern einen Abend mit einem kurzweiligen Vortrag, der mit Bonmots gespickt war – und den Zuhörern die letzte Hoffnung raubte, dass der beste deutsche Großmeister nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal am Turnierbrett zu bewundern ist.
Der ehemalige Weltranglistendritte gab dank Gerhard Köhler ein Gastspiel bei der DSEM. Der Mäzen aus Leipzig, der bundesweit mit seiner Initiative Kinderschach fördert, warb fleißig vor Ort für sein Herzensprojekt und gewann so einige weitere Mitglieder. Hübner zeigte am Demobrett eine eigene Partie aus seinem Werk "Twenty-five annotated Games" (Edition Marco). Auf 416 Seiten beleuchtete er darin 25 Partien aus seinem Schaffen. Das präsentierte Duell gegen Ljubomir Ljubojevic aus Tilburg 1985, das letzte in dem erschienenen Buch von 1996, besticht durch seine Feinheiten, die der langjährige Bundesligaspieler des FC Bayern München tiefschürfend analysiert hat, zuweilen zum eigenen Erstaunen des Autors selbst: "Huch, hier habe ich jetzt drei Seiten geschrieben!", entfuhr es dem einstigen WM-Kandidaten-Finalisten einmal bei einer Variante zu einem Zug. Dass er hierbei keinen Computer benutzte, dürfte für den Denker Ehrensache gewesen sein. "Heute spielen durch die Computer alle gleichförmig", meint Hübner zur nachdrängenden Generation und hat sich sein eigenes Denken jedoch bewahrt – genauso wie seine übertriebene Bescheidenheit, die allerdings auch viel Heiterkeit im Publikum auslöste. So riet er auf die Bitte eines Zuschauers, das Demobrett nicht zu verdecken: "Wenn ich das Brett verdunkele, ist das vernünftig! Aber Sie müssen trotzdem protestieren!"
Robert Hübner "verdunkelt das Brett", weil es bei seinen Partien "vernünftig ist", wie der übertrieben bescheidene Großmeister befindet.
Als Köhler empfahl, "in Richtung des Publikums zu sprechen", um den Vortrag "besser zu hören", scherzte Hübner: "Na ja, es ist auch nicht wesentlich, was ich sage!" Ein Vorläufer der Spanischen Partie gegen Ljubojevic wurde gegen Vlastimil Hort einst "merkwürdigerweise Remis gegeben. Es war eine gewisse Feigheit", wertete der 74-Jährige den schnellen Friedensschluss. Zu einer gleichsam auftauchenden Begegnung gegen den US-Amerikaner Nick de Firmian meinte der einstige Weltklassespieler: "Ich habe das Gott sei Dank alles vergessen!" So habe de Firmian gegen "einen unbekannten Spieler namens Hübner" gespielt.
Als die Zuschauer einen Zug vorschlugen, hielt der Vortragende wenig davon und äußerte zu den dadurch entstehenden "zwei Randfiguren auf der a-Linie: Turm und Läufer bewegen sich zu sehr aus dem Brett heraus". Eine Analyse vor der Neuerung 20.Dxc7 brach er auch kurzerhand ab mit den Worten: "Wir müssen die Stellung jetzt verlassen, weil die Partie noch gar nicht begonnen hat." Später waren im Duell des sich fintenreich verteidigenden Ljubojevics "ein paar kleine taktische Witze, die es beim Schach gibt" zu sehen. Im 32. Zug hatte Hübner in Tilburg den erfragten Vorschlag der Senioren auch selbst gezogen und meinte jetzt in Bad Wildungen trocken dazu: "De8 ist auch gespielt worden, weil Weiß nicht spielen kann!"
Statt seiner pries das deutsche Ass lieber den unterlegenen Gegner. "Ljubojevic spielte sehr schöne Angriffspartien und immer nach vorne." Hübner bedauerte deshalb, "leider hat es von ihm nie eine Monographie gegeben, obwohl er ein sehr starker Spieler war". Seiner Meinung nach brachte es der Serbe nie zu einem ernsthaften WM-Kandidaten, weil der heute 72-Jährige "offenbar schlechte Nerven hatte", befand der Großmeister, der zwei Kandidaten-Zweikämpfe nach Niederlagen vorzeitig aufgab. Bezüglich der Einschätzung von Josef Steinmacher im Publikum, der Hübner als "unheimlich fleißig" und als "Weltklasse" einordnen wollte, schüttelte der Angesprochene den Kopf und sagte allzu bescheiden, obwohl er von 1971 bis 1988 ununterbrochen in den Top 20 der Weltrangliste stand: "Ich weiß nicht." Kam man zu Glanzzeiten des Deutschen "Mitte 30 an die Spitze, da hätte ich heute meine Zweifel", keimte inzwischen bei dem gebürtigen Porzer der Verdacht von Computer-Betrug auf. Denn "mit 23 Jahren ist man heutzutage ein altes Eisen", stellte der Altmeister angesichts all der Wunderkinder fest.
Auf die Frage, ob er das aktuelle Schach noch regelmäßig verfolge, antwortete der promovierte Papyrologe, der an die 20 Sprachen beherrschen soll: "Mich interessiert das Schach nicht!" Er habe ein "ambivalentes Verhältnis dazu". Schon früher "hatte ich gar keine Lust. Der Schachbetrieb hat mich gestört. Die Analyse daheim interessierte mich", zeigt sich der Kölner auch hier lieber als forschender Wissenschaftler. Konträr dazu bezeichnete er in der Partie gegen Ljubojevic die Hängepartie, als "unangenehmen Zwischenfall, von dem gerade die Rede war: Die Partie wurde abgebrochen". Aber auch nicht mehr aufgenommen. "Ljubo" streckte nach 42 Zügen die Waffen.
Köhler als einer der stärksten deutschen Ü65-Spieler wollte von dem Ausnahmekönner einen Ratschlag einholen: "Wenn man eine Idee hat, ist man nicht flexibel beim Nachdenken. Was kann man dagegen tun?" Hübner wies darauf hin, dass dies "auch sein Gutes hat, denn man spart Kraft und Energie." Seine letzten Titel gewann der bald 75-Jährige laut Wikipedia 2018 und 2019 in Luxemburg mit De Sprenger Echternach Mannschaftsmeister, 2018 hatte er überdies mit dem SK Luzern in der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft die Nase vorne.
Kinderschach-Förderer Gerhard Köhler (rechts) beschert den Senioren mit der Verpflichtung von Schach-Legende Robert Hübner einen Höhepunkt des Turniers.
Gerhard Köhler versuchte heuer vergebens ihn zusätzlich für sein Senioren-Team mit Rainer Knaak und Klaus Bischoff als Aushängeschild für die Mannschafts-WM der Ü65 zu verpflichten. "Es klappte leider nicht. Er will nicht mehr spielen", bedauert der rührige Schach-Sponsor die Absage, die Köhler wie den deutschen Schach-Fans ein Highlight versprochen hätte. Dass der geniale Sprachforscher und Schachspieler nicht noch einmal ans Turnierbrett zurückkehrt, lassen nicht nur seine Bemerkungen während des Vortrags erahnen. Sein Schlusssatz in Bad Wildungen zerstörte jede Hoffnung darauf: "Altgriechische Texte zu übersetzen, macht mir 100 Mal mehr Spaß als Schach!"
Ein letzter Höhepunkt mit Robert Hübner?
Gesundheitlich angeschlagene deutsche Legende begeistert erneut bei Senioren-Meisterschaften
Der Höhepunkt abseits der deutschen Seniorenmeisterschaften in Bad Wildungen war wie im Vorjahr unzweifelhaft: Robert Hübner trug wieder ein Duell aus einem seiner beiden berühmten Partiensammlungen vor. Wie schon 2023 kam nicht etwa "Fünfundfünfzig feiste Fehler" zu Ehren, sondern erneut der 1996 bei Edition Marco erschienene Klassiker "Twenty-five annotated Games". Auf 416 Seiten beleuchtete er darin 25 Partien aus seinem Schaffen. Zeigte der Großmeister bei seinem Debüt bei den Senioren die letzte Partie des Werks gegen Ljubomir Ljubojevic aus Tilburg 1985, verriet der langjährige Bundesligaspieler des FC Bayern München zunächst nicht die beiden Protagonisten. Natürlich bezeichnete sich der ehemalige Weltranglistendritte wie gewohnt als unbedeutender Spieler – und "der Gegner aus der Partie in meinen Jugendjahren ist nie Großmeister geworden", tat Hübner einmal mehr mit seinem demütigen Humor so, als präsentiere er das Duell zweier Patzer. In der inhaltsreichen wie spannenden Begegnung von Jungmeistern im Ivan Parcetic Memorial, die 1970 in Sombor im damaligen Jugoslawien ausgefochten wurde, saß ihm Michail Podgaets gegenüber. Der Ukrainer wurde tatsächlich "nur" Internationaler Meister – aber dass er später Trainer von Weltmeister Anatoli Karpow wurde, spricht für seine Klasse.
Kinderschach-Stiftung ermöglicht Hübner-Vortrag nicht nur finanziell
Den Vortrag ermöglichte erneut Gerhard Köhler. Der Mäzen aus Leipzig, der bundesweit mit seiner Initiative Kinderschach fördert, warb damit einmal mehr für sein Herzensprojekt. Damit die rund 70 Zuhörer im Spielsaal der Seniorenmeisterschaften in den Genuss kamen, musste Köhler diesmal noch mehr als Geld investieren: Der bei den Über-65-Jährigen zum erweiterten Favoritenkreis zählende Senior holte Robert Hübner mit dem Auto aus Köln ab, obwohl ihm die Turnierpartien in den Knochen steckten. Später übernahm Gerhard Meiwald für "das Idol unserer Jugend", wie der umtriebige Öffentlichkeitsarbeiter bei den Senioren das Ass treffend begrüßte, die zweite fünfstündige Auto-Tortur.
Schon immer schlanker Hübner erschreckend abgemagert
Der Grund für das kurze Gastspiel ist ein trauriger: Der schon immer sehr schlanke Hübner war erschreckend abgemagert. Die gesundheitlichen Nöte erfordern angeblich tägliche Infusionen, weshalb sich der bald 76-Jährige nicht wie im Vorjahr länger in Bad Wildungen aufhalten konnte. Auf die Frage, ob er sich eine Teilnahme an den Senioren-Meisterschaften 2025 vorstellen könnte, gewährte der promovierte Papyrologe kurz einen Einblick in seine Verfassung: "Nein, das geht gesundheitlich nicht!"
In seinem Vortrag wirkte das Sprachgenie, das angeblich 22 Sprachen beherrscht, nicht mehr so fröhlich wie bei seinem Debüt. Der Vortrag war mit weniger Bonmots gespickt als 2023. Vor Jahresfrist hatte Hübner vor allem noch voller Tatendrang gewirkt. Das bezog sich zwar nicht auf das königliche Spiel, wenn man Sätze hört wie: "Mich interessiert das Schach nicht!" Er habe ein "ambivalentes Verhältnis dazu". Schon früher "hatte ich gar keine Lust. Der Schachbetrieb hat mich gestört. Die Analyse daheim interessierte mich", zeigte sich der Kölner auch hier lieber als forschender Wissenschaftler. Immerhin ergötzte sich der Papyrologe an anderen Aufgaben: "Altgriechische Texte zu übersetzen, macht mir 100 Mal mehr Spaß als Schach!", lautete 2023 seine prägnaneste Aussage. Seine letzten Titel am Brett gewann der Großmeister laut Wikipedia 2018 und 2019 in Luxemburg mit De Sprenger Echternach Mannschaftsmeister, 2018 hatte er überdies mit dem SK Luzern in der Schweizerischen Mannschaftsmeisterschaft die Nase vorne.
"Das Turnier habe ich zufällig gewonnen"
Das Turnier bei Novi Sad ordnete der ehemalige Weltranglistendritte äußerst bescheiden ein: "Das Turnier habe ich mal zufällig gewonnen", berichtete Hübner erst auf Nachfrage eines Zuhörers, wie er in Sombor abgeschnitten habe. Kontrahenten waren damals andere junge Himmelsstürmer wie "Ulf Andersson, Zoltan Ribli, Heikki Westerinen, Viktor Kupreitschik und Vlastimil Jansa", zählte der Turniersieger einige spätere Großmeister auf, die in dem 16-köpfigen Feld ein Rundenturnier austrugen. In Erinnerung blieb dem abgemagerten Hübner aber vor allem: "In dem netten Örtchen gab es nur ein Restaurant. Die hatten auch mal zu – da mussten wir eben hungern", erzählte er am Ende des "kleinen Partiechens", dessen Analyse "50 Jahre alt ist". Der Schlagabtausch in einem Königsinder mit Podgaets war jedoch lehrreich wie spannend, zumal die Zuhörer ja nicht wussten, zu wessen Gunsten er endet.
"Das ist schlecht, denn der Springer wird nicht so schnell abgetauscht!"
Ein paar Unbilden bremsten Hübner nicht während seines Vortrags. Dass zuweilen die Figuren vom Demobrett nach unten purzelten nahm der gesundheitlich angeschlagene Recke mit Engelsgeduld hin. Mehr störten die über 70 Zuhörer diese Umstände bei der kurzfristig improvisierten Veranstaltung. Von denen schlugen daher später vor, doch künftig einen Beamer einzusetzen, auch um die Varianten schneller präsentieren zu können - und vor allem Hübner die Mühsal zu ersparen, die Partiestellung immer wieder aufbauen zu lassen. Als ein Springer sich mehrmals löste, fand Hübner den zusätzlichen Sport positiv und beklagte nur feinsinnig: "Das ist schlecht, denn der Springer wird nicht so schnell abgetauscht!"
Hübner "ist heute vorsichtiger" geworden
Weiter verbale Höhepunkte seiner Formulierungskunst waren Aussagen wie "jetzt hat Weiß einen besonders dummen Zug gefunden! Die schlechten Züge werden immer gefunden". Oder zu einer Stellungsbewertung bemerkte das Ass: "Früher hätte ich wohl gesagt, das ist bereits gewonnen. Aber heute bin ich vorsichtiger, denn die Leute werfen heute ihre Computer an …", hob der Altmeister auf den Wandel der Zeiten ab. Den aufmerksam Lauschenden schrieb Hübner den feinen Unterschied zwischen Königsangriff und positionellem Spiel auf der anderen Seite des Brettes ins Stammbuch: "Das ist der Vorteil beim Königsangriff: Wenn der Angriff durchdringt, ist es matt! Beim Spiel am Damenflügel hat man nur einen Bauern mehr", stellte Hübner achselzuckend fest.
Das damals trotz 2,5 Stunden Bedenkzeit für 40 Züge "heftige Zeitnot" aufzog, in der Podgaets "absichtlich mehrfach Figuren umwarf", führt Hübner darauf zurück: "Damals überlegte man schon in der Eröffnung. Heute zieht man die bekannten Muster herunter", hob er auf die Computerisierung des Spiels ab.
Großmeister freut sich über das große Interesse
Hübner freute sich über das große Interesse, berichtete Gerhard Meiwald von der mehr als 200 Kilometer langen Heimfahrt. Die Fans des großen Großmeisters hoffen, dass sie 2025 den selbstironischen Ausnahmekönner wieder in Bad Neuenahr erleben dürfen. Am Brett der Seniorenmeisterschaft sicher leider nicht – aber ein Vortrag-Hattrick wäre schön und würde sicher jeden Zuhörer besonders freuen, besonders für Hübner selbst …
Nachstehend die spannende Partie gegen Podgaets, die Hübner vortrug.
Anzeige |