Robert Hübner: Ein großer Geist ist von uns gegangen
Robert Hübner war nach dem Krieg über Jahrzehnte der beste deutsche Schachspieler. Geboren am 6. November 1948 in Köln, zeigte sich sein Schachtalent schon sehr früh. Mit fünf Jahren lernte er die Regeln des Spiels. 1957 trat er dem Eisenbahnschachverein Turm Köln bei, wo er unter anderem von Paul Tröger betreut wurde. Mit 14 Jahren gewann Robert Hübner 1963 bereits die Deutsche U18- Jugendmeisterschaft. Ein Jahr später vertrat er Deutschland bei der Jugendeuropameisterschaft und im folgenden Jahr bei der Jugendweltmeisterschaft. 1967 wurde Robert Hübner erstmals Deutscher Meister. Mit 18 nahm er an seiner ersten Schacholympiade teil und mit Anfang 20 qualifizierte Hübner sich durch seinen geteilten zweiten Platz beim Interzonenturnier in Palma de Mallorca für die Kandidatenkämpfe und etablierte sich in der Weltspitze. Zugleich sicherte er sich mit diesem Erfolg den Großmeistertitel und wurde damals der jüngste Großmeister der deutschen Schachgeschichte.
Hübner und Petrosian, Foto: Anefo
Neben seiner Schachkarriere absolvierte Robert Hübner ein Studium der Altphilologie und spezialisierte sich auf die Erforschung und Entzifferung von Papyri. 1976 promovierte Hübner an der Universität Köln in seinem Fachgebiert.
Im Laufe seiner Schachkarriere erzielte Robert Hübner unzählige Erfolge bei nationalen und internationalen Einzel- und Mannschaftswettbewerben und war Jahrzehnte lang die unangefochtene Nummer Eins im deutschen Schach. Zwischen 1968 und 2000 vertrat Hübner Deutschland elfmal bei Schacholympiaden. Zweimal, 1972 und 1990, wurde er als bester Spieler an seinem Brett ausgezeichnet. Viermal nahm Robert Hübner an Kandidatenkämpfen zur Weltmeisterschaft teil. Im Juli 1981 belegte er aufgrund seiner Erfolge hinter Anatoli Karpov und Viktor Kortschnoj den dritten Platz in der Weltrangliste.
Über seine Freundschaft mit Gisbert Jacoby, der Hübner bei seinen Kandidatenwettkämpfen unterstützt hatte, gehörte Hübner Ende der 1980er Jahre auch zu den ersten Autoren des „ChessBase Magazins“, das er lange Zeit mit Analysen und Anekdoten veredelte.
Bei einem Vorbereitungsmatch für Garry Kasparov beim Spiegel, 1985
Robert Hübner beschränkte sich nicht nur auf den sportlichen Teil des Schachspiels. Mit wissenschaftlicher Akribie erforschte er in der nachträglichen Analyse die Schachpartien auf ihren Gehalt und suchte immer nach einem objektiven Urteil. Hübners tiefe und umfassende Analysen vor allem seiner Schachpartien sind berühmt, wobei er in verschiedenen Publikationen besonders seine eigenen Fehler stets schonungslos offenlegte.
Mit der gleichen Genauigkeit befasste sich Robert Hübner auch mit der Schachgeschichte, den Partien der großen Schachspieler und ihrem Spielstil und erwarb sich ein profundes Wissen, an dem er in Vorträgen, Aufsätzen und Büchern interessierte Schachfreunde teilhaben ließ.
Wenn Robert Hübner sich mit einem Thema beschäftige, dann gründlich. Über seinen finnischen Mannschaftskollegen Heikki Westerinnen hatte Robert Hübner Freunde in Finnland kennengelernt und um sich besser mit ihnen unterhalten zu können, lernte er eigens dafür die finnische Sprache. In Eigenregie übersetzte Hübner nun auch Texte des finnischen Satirikers „Ollie“ ins Deutsche und veröffentlichte sie in einem Büchlein.
Robert Hübners Bild in der Öffentlichkeit, zum Teil während seine Kandidatenmatches in den 1970er und 1980 Jahren entstanden, war bisweilen verzerrt und entsprach nicht der Wirklichkeit. Nach einigen negativen Erfahrungen mit den Medien und Enttäuschungen über Menschen war Hübner auf den ersten Blick ein eher zurückhaltender und bisweilen auch etwas misstrauischer Mensch. Wenn man ihn näher kannte, zeigte er sich jedoch als sehr umgänglicher und empathischer Charakter. Sein ausgeprägter Humor konnte mitunter aber auch sehr bissig sein. Zu seinem 70sten Geburtstag hatte er große Freude daran, mit sich selber ein Interview zu führen.
Robert Hübner beim Simultan mit dem Nachwuchs | Foto: Schachstiftung
Hübner und Hort am Schachbrett | Foto: Emanuel Lasker Gesellschaft
Robert Hübner war ein wissensdurstiger, offener und geistreicher Gesprächspartner, der gerne über das Schach, aber auch über alle anderen Dinge des täglichen Lebens diskutierte. Die Entwicklung im Schach sah er eher skeptisch, da die Turniere und Formate mehr und mehr von Showelementen bestimmt wurden. Irgendwann verlor er den Spaß am Turnierschach, übersetzte lieber die Illias neu aus dem Altgriechischen, lernte die Anfertigung von Ikonen und unternahm Reisen mit seinen Freunden. Eine Zeitlang pflegte er seinen schwer erkrankten älteren Bruder Wolfgang Hübner (1943-2020).
Im Laufe der Zeit veröffentlichte Robert Hübner neben vielen Aufsätzen eine Reihe von Büchern, die nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre große sprachliche Eleganz hervorstachen. Die Emanuel Lasker Gesellschaft ehrte ihn für sein Schaffen mit ihrem Lasker-Preis.
Thomas Weischede, Elisabeth Pähtz, Robert Hübner | Foto: Emanuel Lasker Gesellschaft
Vor zwei Jahren erkrankte Robert Hübner an Magenkrebs und musste eine schwere Operation über sich ergehen lassen. Robert Hübner versuchte sich tapfer mit seinem Schicksal zu arrangieren und hatte noch im Sommer 2024 verschiedene Pläne für die Zukunft. Doch zum Ende des Jahres verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch.
Robert Hübner starb am frühen Morgen des 5. Januars 2025 in einem Krankenhaus in Köln-Kalk. In den letzten Tagen seines Lebens besuchten ihn dort Freunde und Weggefährten, darunter Rustam Kasimdzhanov, Brigitte und Vlastimil Hort, Bodo Schmidt und Dr. Arndt Borkhardt und nahmen Abschied. Robert Hübner wurde 76 Jahre alt.
Robert Hübner (1948-2025) | Foto: Anefo