Robert Hübner ist tot

von André Schulz
05.01.2025 – Nach langer schwerer Krankheit verstarb am 5. Januar 2025 Robert Hübner. Über Jahrzehnte war Robert Hübner nach dem Krieg der beste deutsche Schachspieler mit unzähligen Erfolgen in Einzel-und Mannschaftswettbewerben. Neben seiner Karriere als Turnierspieler erlangte Hübner als profunder Schachhistoriker und unbestechlicher Analytiker große Bedeutung. Mit ihm verliert das deutsche Schach einen seiner herausragenden Köpfe. | Foto: Anefo

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Robert Hübner: Ein großer Geist ist von uns gegangen

Robert Hübner war nach dem Krieg über Jahrzehnte der beste deutsche Schachspieler. Geboren am 6. November 1948 in Köln, zeigte sich sein Schachtalent schon sehr früh. Mit fünf Jahren lernte er die Regeln des Spiels. 1957 trat er dem Eisenbahnschachverein Turm Köln bei, wo er unter anderem von Paul Tröger betreut wurde. Mit 14 Jahren gewann Robert Hübner 1963 bereits die Deutsche U18- Jugendmeisterschaft. Ein Jahr später vertrat er Deutschland bei der Jugendeuropameisterschaft und im folgenden Jahr bei der Jugendweltmeisterschaft. 1967 wurde Robert Hübner erstmals Deutscher Meister. Mit 18 nahm er an seiner ersten Schacholympiade teil und mit Anfang 20 qualifizierte Hübner sich durch seinen geteilten zweiten Platz beim Interzonenturnier in Palma de Mallorca für die Kandidatenkämpfe und etablierte sich in der Weltspitze. Zugleich sicherte er sich mit diesem Erfolg den Großmeistertitel und wurde damals der jüngste Großmeister der deutschen Schachgeschichte.

Hübner und Petrosian, Foto: Anefo

Neben seiner Schachkarriere absolvierte Robert Hübner ein Studium der Altphilologie und spezialisierte sich auf die Erforschung und Entzifferung von Papyri. 1976 promovierte Hübner an der Universität Köln in seinem Fachgebiert.

Im Laufe seiner Schachkarriere erzielte Robert Hübner unzählige Erfolge bei nationalen und internationalen Einzel- und Mannschaftswettbewerben und war Jahrzehnte lang die unangefochtene Nummer Eins im deutschen Schach. Zwischen 1968 und 2000 vertrat Hübner Deutschland elfmal bei Schacholympiaden. Zweimal, 1972 und 1990, wurde er als bester Spieler an seinem Brett ausgezeichnet. Viermal nahm Robert Hübner an Kandidatenkämpfen zur Weltmeisterschaft teil. Im Juli 1981 belegte er aufgrund seiner Erfolge hinter Anatoli Karpov und Viktor Kortschnoj den dritten Platz in der Weltrangliste.

Über seine Freundschaft mit Gisbert Jacoby, der Hübner bei seinen Kandidatenwettkämpfen unterstützt hatte, gehörte Hübner Ende der 1980er Jahre auch zu den ersten Autoren des „ChessBase Magazins“, das er lange Zeit mit Analysen und Anekdoten veredelte.

Bei einem Vorbereitungsmatch für Garry Kasparov beim Spiegel, 1985

Robert Hübner beschränkte sich nicht nur auf den sportlichen Teil des Schachspiels. Mit wissenschaftlicher Akribie erforschte er in der nachträglichen Analyse die Schachpartien auf ihren Gehalt und suchte immer nach einem objektiven Urteil. Hübners tiefe und umfassende Analysen vor allem seiner Schachpartien sind berühmt, wobei er in verschiedenen Publikationen besonders seine eigenen Fehler stets schonungslos offenlegte.

   

Mit der gleichen Genauigkeit befasste sich Robert Hübner auch mit der Schachgeschichte, den Partien der großen Schachspieler und ihrem Spielstil und erwarb sich ein profundes Wissen, an dem er in Vorträgen, Aufsätzen und Büchern interessierte Schachfreunde teilhaben ließ.

Wenn Robert Hübner sich mit einem Thema beschäftige, dann gründlich. Über seinen finnischen Mannschaftskollegen Heikki Westerinnen hatte Robert Hübner Freunde in Finnland kennengelernt und um sich besser mit ihnen unterhalten zu können, lernte er eigens dafür die finnische Sprache. In Eigenregie übersetzte Hübner nun auch Texte des finnischen Satirikers „Ollie“ ins Deutsche und veröffentlichte sie in einem Büchlein. 

Robert Hübners Bild in der Öffentlichkeit, zum Teil während seine Kandidatenmatches in den 1970er und 1980 Jahren entstanden, war bisweilen verzerrt und entsprach nicht der Wirklichkeit. Nach einigen negativen Erfahrungen mit den Medien und Enttäuschungen über Menschen war Hübner auf den ersten Blick ein eher zurückhaltender und bisweilen auch etwas misstrauischer Mensch. Wenn man ihn näher kannte, zeigte er sich jedoch als sehr umgänglicher und empathischer Charakter. Sein ausgeprägter Humor konnte mitunter aber auch sehr bissig sein. Zu seinem 70sten Geburtstag hatte er große Freude daran, mit sich selber ein Interview zu führen.

Robert Hübner beim Simultan mit dem Nachwuchs | Foto: Schachstiftung

Hübner und Hort am Schachbrett | Foto: Emanuel Lasker Gesellschaft

Robert Hübner war ein wissensdurstiger, offener und geistreicher Gesprächspartner, der gerne über das Schach, aber auch über alle anderen Dinge des täglichen Lebens diskutierte. Die Entwicklung im Schach sah er eher skeptisch, da die Turniere und Formate mehr und mehr von Showelementen bestimmt wurden. Irgendwann verlor er den Spaß am Turnierschach, übersetzte lieber die Illias neu aus dem Altgriechischen, lernte die Anfertigung von Ikonen und unternahm Reisen mit seinen Freunden. Eine Zeitlang pflegte er seinen schwer erkrankten älteren Bruder Wolfgang Hübner (1943-2020).

Im Laufe der Zeit veröffentlichte Robert Hübner neben vielen Aufsätzen eine Reihe von Büchern, die nicht nur durch ihren Inhalt, sondern auch durch ihre große sprachliche Eleganz hervorstachen. Die Emanuel Lasker Gesellschaft ehrte ihn für sein Schaffen mit ihrem Lasker-Preis.

Thomas Weischede, Elisabeth Pähtz, Robert Hübner | Foto: Emanuel Lasker Gesellschaft

Vor zwei Jahren erkrankte Robert Hübner an Magenkrebs und musste eine schwere Operation über sich ergehen lassen. Robert Hübner versuchte sich tapfer mit seinem Schicksal zu arrangieren und hatte noch im Sommer 2024 verschiedene Pläne für die Zukunft. Doch zum Ende des Jahres verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch.

Robert Hübner starb am frühen Morgen des 5. Januars 2025 in einem Krankenhaus in Köln-Kalk. In den letzten Tagen seines Lebens besuchten ihn dort Freunde und Weggefährten, darunter Rustam Kasimdzhanov, Brigitte und Vlastimil Hort, Bodo Schmidt und Dr. Arndt Borkhardt und nahmen Abschied. Robert Hübner wurde 76 Jahre alt.

Robert Hübner (1948-2025) | Foto: Anefo


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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Asselersand Asselersand 06.01.2025 07:58
Traurig Ich fand seine Bücher sehr gut
MARIO1962 MARIO1962 06.01.2025 06:51
Ich bin geschockt und traurig.Mehr gibts dazu nicht zu sagen.
knight100 knight100 06.01.2025 06:09
R.I.P. Er war ein sehr origineller und interessanter Mensch.

@Karsten Schmidt: Können Sie bitte mal näher ausführen, was passiert, wenn er sich kurz vor dem Tod gegen eine Sinnesänderung (= Buße) zu Ihrer sogenannten Wahrheit entschlossen hat?
Pietvandenboom Pietvandenboom 06.01.2025 05:15
Mit Robert Hübner verliert die Schachwelt einen herausragenden Spieler und eine Persönlichkeit, die Schachgeschichte geschrieben hat. Für viele Vereinsspieler war Robert Hübner durch seine Erfolge ein veritables schachliches Vorbild und für die Entwicklung des Schachs in unseren Breiten eine unvergessliche Inspiration.
Am Rande des Finales der Deutschen Amateurmeisterschaft in Leipzig hatte ich einstmals Gelegenheit, aus nächster Nähe Robert Hübner bei der Analyse von Spielen der Deutschen Equipe des Mitropa-Cups zu erleben, was ich damals als höchst eindrücklich und als besonderes Erlebnis empfunden habe. Als Jugendlicher wurde durch die Berichterstattung über seine Teilnahme an den Kandidatenturnieren meine dankbare Neugierde und nachfolgend die Passion für das Schach geweckt. Sein Tod betrübt.
Karsten Schmidt Karsten Schmidt 06.01.2025 04:11
Der Tod ist mehr als traurig.
Hier ist nun ein Mann gegangen, für den Wahrheit von Bedeutung war!
Als ich kürzlich gelesen hatte, daß es um den von mir seit langer Zeit hochgeschätzten Robert Hübner (ein höchst seltenes Licht klargeistiger menschlicher Vernunft in zunehmend verrückten Zeiten) gesundheitlich nicht mehr gut steht, habe ich für ihn gebetet, daß er, der zutiefst überzeugte Humanist, der auch mit der Bibel Bekanntschaft gemacht hatte, sich noch rechtzeitig zur Sinnesänderung (= Buße, griechisch "metanoia") entschließt, zur Rettung im Herrn Jesus Chrisus, der wir alle bedürfen, solange uns Zeit dazu bleibt (ein reiner Glaubensschritt - zur Wahrheit).
Die Situation des Menschen in seiner Sterblichkeit ist nämlich diese:
"Und so gewiß es den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht" (Hebräer 9,27).
Anubis Anubis 06.01.2025 04:02
Eine sehr traurige Nachricht. In meiner Jugend war er ein Vorbild. Er stammt wie ich aus Köln. Einmal hatte ich sogar die Möglichkeit, eine Partie gegen ihn zu spielen (im Rahmen einer Simultanvorstellung). Er gewann alle Partien.
matau0606 matau0606 06.01.2025 11:22
Sehr schade!
Zur Erinnerung:
https://de.chessbase.com/post/robert-huebner-zum-70sten-geburtstag-ein-interview
(Vom Wesen und Wert des Fragegesprächs)
W-Tr W-Tr 06.01.2025 09:08
Traurig! Er hat mich nicht nur durch seine Schacherfolge beeindruckt, sondern durch seine beruflichen Spezialitäten, die mir recht speziell erschienen (Ich bin 4 Wochen älter). Mitte der 1980er spielte ich in Mainz simultan gg ihn und hielt bis zum 17. Zug ganz gut mit - wie ich mir einbildete. Leider wusste ich damals noch nicht, was es bedeutet, wenn ein SimultanMeister sich auf einmal deutlich nachdenklich aufs Brett konzentriert. Ich dachte, ich hätte ihn mit einer guten Antwort überrascht, musste aber erschreckt feststellen, dass seine ihrerseits sehr überraschende Antwort mich in den Abgrund stürzte. Nach dem 19. Zug gab ich auf.
Ritter Uwe Ritter Uwe 06.01.2025 05:58
Aufgrund seiner Erfolge bin ich einem Verein beigetreten, zum Teil habe ich die selben Eröffnungen gespielt, ihn aus nächster Nähe in der Bundesliga und in Dortmund spielen sehen, seinen Aufstieg an die Weltspitze mitverfolgt. Für viele mag er unnahbar und schwierig gewesen sein, für mich war er ein Mensch, der jedem seiner Gegner, auch einem Amateur mit Achtung begegnete und nach der Partie mit diesem auf Augenhöhe analysierte, wie ich bei einem Turnier in Köln in den 90er Jahren beobachten durfte. Einer der ganz Großen ist von uns gegangen.
Tiger-Oli Tiger-Oli 05.01.2025 10:38
Oh nein ... was für eine Nachricht.

Die veganen Schachkatzen sind traurig.

https://veganeschachkatzen.de/wahr-oder-legende-robert-huebner-2/
Uwe Frischmuth Uwe Frischmuth 05.01.2025 10:18
Dr Robert Hübner war in den frühen 1990er Jahren auch das Zugpferd für die kleine deutsche Xiangqi Gemeinde (Chinesisches Schach).
Er spielte 1989 gegen den damaligen 'Kasparov des chinesischen Schachs'
Hu Ronghua aus Shanghai in Hamburg beim Alsteruferturnier jeweils eine Partie Schach und eine Partie Xiangqi.
Jeder gewann in seinem Metier.

In Peking bei der Xiangqi WM 1993 bestieg er den Bus für die Teilnehmer der WM- und unterhielt sich jeweils in mehreren europäischen Sprachen mit ihnen.

Ich hatte die Ehre, eine meiner Xiangqi Partien mit ihm alleine im Hotelzimmer analysieren zu dürfen - die er nett kommentierte.
Er war relativ schüchtern und zurückhaltend im Umgang.

Dabei erzählte er mir von seiner UniPrüfung. Sein prüfender Professor war leidenschaftlicher Schachspieler gewesen.
' Wir unterhielten uns 5 Minuten über den Prüfungsinhalt - den Rest der Zeit referierte ich über die neuesten Ideen im Königsinder...'

Ein ehemaliger Schachlehrer erzählte mir einmal, wie der sechsjährige Hübner für ein Läuferopfer auf H7 die Figur in seine Hand nahm und um den Tisch herumlaufen musste, um den Zug auszuführen.

Es gibt sicherlich noch viel mehr über dieses Genie zu erzählen.

Wir vom Deutschen Xiangqi Bund sind erst einmal platt von dieser Nachricht
KortschnoisBeschwerden KortschnoisBeschwerden 05.01.2025 08:52
Noch eine Anekdote: Ich saß etwa 1996/1997 einmal mit GM Julian Hodgson zusammen beim Essen. Er ist ein ganz anderer Mensch als Robert Hübner - einmal abgesehen von der Liebe zum Schach. Aber als das Gespräch auf Robert Hübner kam, wurde seine Stimme ernst, fast emphatisch. Er sagte: "I just want to entertain a bit with my book. But Robert - Robert - wants to tell the truth!"
KortschnoisBeschwerden KortschnoisBeschwerden 05.01.2025 08:31
Für mich war Hübner als Vorbild immer da. Nicht greifbar. Keiner, der sich in den sozialen Netzwerken als Show-Man inszeniert. Aber da. Mit seinem Humor, seinen Erfolgen und Tragödien, seiner bewundernswerten Bildung. Lebend in seinen brillanten Texten und seinem lebendigen Geist. Irgendwo gibt es immer noch Robert Hübner, dachte ich mir; wie tröstlich. Ich habe auf ihn geschaut, wie er selbst auf seinen geliebten Platon. Adieu großer Meister!
Chris Mo Chris Mo 05.01.2025 06:35
Ein ganz außergewöhnlicher, untypischer, manchmal auch tragischer Held meiner Jugend. Ich bin ihm leider nie begegnet, dennoch trifft mich sein Tod. Mögen er und sein Werk unvergessen bleiben.
Arno Nickel Arno Nickel 05.01.2025 06:06
+++A Whiter Shade of Pale+++
Robert, du wirst mir fehlen, aber die Erinnerung an dich wird immer da sein.
Der erste Schnee fällt gerade, als mich die Nachricht erreicht.
Passt.
Zeit zu schweigen.
In großer Dankbarkeit.
Arno
Herbert Kalsch 2 Herbert Kalsch 2 05.01.2025 05:32
RUHE IN FRIEDEN
FAT-ENIMEM FAT-ENIMEM 05.01.2025 04:46
Robert Hübner war der erste Schachspieler,der mein großes,leidenschaftliches Interesse an dem Schachspiel weckte!
Ich habe ihn 1992 in Dortmund spielen sehen mit Kasparov und dem jungen Shirov und Adams etc.
Es war ein Hochgenuss von bleibendem Wert.

Ein blaues Buch mit goldenen Buchstaben(25 analysierten Partien) von Robert Hübner ist mir verblieben .

Eine kleine Weile,ein Augenblick der Rast im Wind, und eine andere Frau wird mich gebären! Khahil Gibran.
knurpsel knurpsel 05.01.2025 04:33
Ein im besten Sinne des Wortes Klassiker und Legende ist von uns gegangen.
Matthias Matthias 05.01.2025 03:43
Das tut jetzt doch etwas weh.
Phantasy Phantasy 05.01.2025 03:18
Das darf nicht wahr sein
Crushungsmaster1990 Crushungsmaster1990 05.01.2025 02:37
Ich durfte zwei mal gegen ihn bei Simultan-Veranstaltungen spielen. Ich konnte viel aus diesen Partien mitnehmen. Ruhe in Frieden, Robert.
Urtopia Urtopia 05.01.2025 02:07
gegen seinen Bruder habe ich zuletzt 2019 gespielt
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