M-Tel Masters in Sofia - Runde 6
Text und Fotos: IM Dejan Bojkov
Ich habe mich geirrt. Zu meiner großen Überraschung gewann PFC "Levski" gegen
Chess United. 3-2 stand es am Ende. Und das, obwohl sie fast alle Negativrekorde
der Klubgeschichte gebrochen haben. Und trotz der zusätzlichen Unterstützung,
die "Chess United" durch Zurab Azmaiparashvili und Petar Stoychev - dem besten
bulgarischen Langstreckenschwimmer aller Zeiten - erfuhr. Und sogar, obwohl
der brillante Ivanchuk im Tor stand! "Wir müssen Ivanchuk verhaften", scherzte
Danailov auf Radio Gong nach dem Fußballmatch. "Als Torhüter war er eine Entdeckung.
Er spielt gut Schach und gut Fußball. Bislang genial!"
Ivanchuk bringt allen Freude
Runde sechs begann mit einer Gedenkminute für die Erdbebenopfer in China. Tausende
von Menschen starben bei der Katastrophe. Wir alle empfinden Mitgefühl mit dem
chinesischen Volk.
Eine Schachlegende in Sofia
Gute Neuigkeiten kamen allerdings aus Sofia mit der Ankunft von Boris Spassky.
Der legendäre GM ging direkt ins Moderatorenstudio und unterhielt das Publikum.
"Das beste Turnier, das ich je gespielt habe, fand 1950 statt", erzählte er,
"es war phantastisch - ein Kellner kam während der Partie und man konnte jedes
Getränk bestellen, das man während der Partie trinken wollte (sogar Wodka).
Leider gibt es heute solche Turniere nicht mehr …" "Aber hat denn niemand dagegen
protestiert?", fragte jemand aus dem Publikum. "Oh, ja, sogar der stärkste Teilnehmer:
Vasily Smyslov."
Ein kundiger Kommentator
Von kurzen Pausen unterbrochen unterhielt Spassky das Publikum weiter mit seinen
lebhaften Erinnerungen, seinen ausgezeichneten und witzigen Anmerkungen zum
Schach und zu anderen Themen. Sie können seine Kommentare im Internet verfolgen.
Heute um 13 Uhr Ortszeit ist Boris Spassky offiziell zu einem Empfang beim bulgarischen
Präsidenten Georgi Parvanov eingeladen. Der ehemalige Weltmeister spielt simultan
gegen Journalisten und Krasimir Kushev vom Staatsfernsehen hat mich schon gefragt,
was er gegen 1.e4 machen soll. "Sizilianisch", rate ich ihm, "am besten einen
langen Kampf gegen seinen geliebten geschlossenen Sizilianer anstreben". Wir
werden sehen, wie gut das funktioniert.
Eine weitere Schachlegende kam heute beim Turnier vorbei: Ivan Radulov. Der
mehrfache bulgarische Meister, der zu den besten bulgarischen Spielern aller
Zeiten gehört, spielt immer noch aktiv Schach, wenn sich die Möglichkeit ergibt.
Im Publikum entdecke ich die amtierende bulgarische Frauenmeisterin Elitza Raeva.
Auch GM Vladimir Dimitrov ist hier.
GM Vladimir Dimitrov
Er war lange Jahre Trainer von Ivan Cheparinov und hat ihn nach Baku zum Grand-Prix
begleitet. "Ich mache jetzt ein wenig Pause", erklärt er und macht sich auf,
um die Partie Ivanchuk-Radjabov live für chessdom.com zu kommentieren.
Gegen Radjabov entschied sich Ivanchuk für 1.e4 und musste sich mit der Sveshnikov-Variante
auseinandersetzen. Der Ukrainer sah zuversichtlich aus und verbrauchte für die
Eröffnung etwa sechs Minuten, aber als Radjabov mit 20...Tbe8 eine Neuerung
brachte, versank er in tiefes Nachdenken.
Was hat er nur vor?
Am Ende entschied, mit 21.Sc6 kein Risiko einzugehen. Kritisch waren 21.Sa6
oder 21.Dd6, aber ich nehme an, Ivanchuks Sinn für Gefahren hinderte ihn daran,
einen der Bauern zu nehmen. 21.Sc6 führte zu Massenabtausch und nach genauem
Spiel endete die Partie friedlich. Der Tabellenführer hatte seinen ersten halben
Punkt abgegeben!
Zum großen Vergnügen des Publikums hat er den Turniersaal nicht gleich verlassen,
sondern gesellte sich zu Spassky und die beiden begannen sofort eine gründliche
Untersuchung der Partie Bu-Cheparinov. Die Schachleidenschaft des Ukrainers
ist einfach außergewöhnlich.

Bei dieser Stellung haben selbst die stärksten Spieler Probleme.
Ivan Cheparinov versuchte, das passive Eröffnungsspiel seines Gegners auszunutzen.
Im achten Zug sprang er mit seinem Springer nach e4, den er später mit f5 befestigte.
Eine Art günstiger Stonewall war entstanden und in der zweischneidigen Stellung
fühlte sich der Bulgare wohler. Stück um Stück gelang es ihm, einen Angriff
am Königsflügel aufzubauen und im vierzigsten Zug brachte er ein Turmopfer,
das ihm den vollen Punkt einbrachte.

Stellung nach
40…Tg3-h3!
Bei der Pressekonferenz nach der Partie fragten die Journalisten Bu, warum er
so passiv gespielt hätte, worauf der Chinese antwortete, dass er vielleicht
zwar manchmal passiv spielt, aber in der Partie von heute sogar das Gefühl gehabt
hat, er hätte irgendwann einmal besser gestanden. Mit diesem Sieg kam Cheparinov
50%, womit er auf dem dritten Platz liegt.
Xiangzhi Bu steht Rede und Antwort bei der Pressekonferenz. Neben ihm Übersetzer
Xavier Moreno
Veselin Topalov lieferte sich einen langen Kampf mit Levon Aronian. Er kam mit
leichtem Vorteil aus der Eröffnung, aber der Armenier verteidigte sich gut und
es schien, als ob er mit 33…Td3 leicht hätte Remis machen können. Stattdessen
entschied er sich für den falschen Plan und verlor einen Bauern, wonach ihm
auch seine einfallsreichen Tricks nicht mehr halfen. "Soll das ein Scherz sein?",
fragte Paco Vallejo, als er 49…Td6 von Aronian sah. Um dann eine lange, forcierte
Variante anzugeben, die für Weiß gewann. Topalov machte keinen Gebrauch vom
Vorschlag seines Sekundanten, sondern wählte einen sichereren Weg zum Sieg.
Topalov gegen Aronian
Damit beträgt der Abstand zwischen ihm und Ivanchuk jetzt einen Punkt. Heute
kommt es zum entscheidenden Aufeinandertreffen der beiden.