Ian Rogers in Schachmagazin 64

von ChessBase
27.08.2007 – Der australische Großmeister Ian Rogers hat kürzlich seinen Rücktritt vom Profischach erklärt. Gesundheitliche Gründe zwingen den 47-Jährigen zu diesem Schritt. Auf Rogers kompromissloses Angriffsschach werden die Schachfreunde in Zukunft zwar verzichten müssen, doch die Nachricht hat auch ihr Gutes. Zusammen mit seiner Frau Cathy gehört Ian Rogers nämlich auch zu den Top Ten der Schachjournalisten-Weltrangliste. Während Cathy alle Schachspieler der Welt mindestens einmal fotografiert hat, notiert Ian wissenswerte Details von Turnieren in Gegenden, wo man selbst nicht jeden Tag vorbei kommt. Vielleicht hat er für diese Betätigung nun mehr Muße. In deutscher Sprache erscheinen seine Artikel bei Schachmagazin 64, einer der besten Quellen für Schachlesestoff, den man auch bei Stromausfall genießen kann. Das aktuelle Heft bietet neben Rogers "Ansichtskarte aus Singapur" zahlreiche weitere spannende Artikel im neuen Monatsformat (Kurzabo, (3 Hefte, 5,40 Euro). Zum Schachmagazin 64... Zum Rücktritt von Ian Rogers...Leseprobe...

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Ansichtskarte aus Singapur
Von Ian Rogers, Fotos Cathy Rogers
Auszug aus Schachmagazin 64 9/2007

Jahrzehntelang galt Singapur als Armenhaus der Schachwelt Südostasiens, was möglicherweise damit zusammenhing, dass viel versprechende Talente des reichen, prosperierenden Stadtstaats sich vom Spiel abwendeten und ihr Glück eher in einem „richtigen“ Job suchten.

Der namhafteste Spieler Singapurs, der mit den größten Titelaussichten, war Leslie Leow. In den siebziger Jahren konnte er locker mit den besten Junioren mithalten. Auf familiären wie gesellschaftlichen Druck hin ging Leow in die USA, wo er sein Studium mit dem Erreichen des MBA abschloss. (Master of Business Administration, ein akademischer Grad. Ein MBA-Studium richtet sich vor allem an Ingenieure, Natur- und Geisteswissenschaftler, Juristen und Mediziner, die ihr Einsatzspektrum um Managementpositionen erweitern wollen und eine Alternative zu einem betriebswirtschaftlichen Aufbaustudium suchen. Es können sich jedoch auch Wirtschaftswissenschaftler durch ein MBA-Studium spezialisieren [Nach http://de.wikipedia.org/wiki/Master_ of_Business_Administration].)

Schach nahm zwar nur noch einen untergeordneten Rang ein, trotzdem erreichte Leow eine beachtliche IM-Stärke: „Elo 2500 waren durchaus drin, vielleicht hätten es sogar 2600 werden können“, wunderte er sich selbst. Und das in den vorinflationären Zeiten, vor zwanzig Jahren, wo diese Zahlen einer heutigen Wertung von 2600 und 2700 entsprachen.

Ein Spieler Singapurs, Wong Meng Kong, schaffte es sogar, den GM-Titel zu erlangen, obwohl er ganztags als Mediziner arbeitete. Allerdings galt sein Titel eher als „schwach“, da eine der GM-Normen in einem dubiosen Scheveninger-Turnier erreicht wurde, bei dem ein Team von Internationalen Meistern gegen ein Team aus Burma spielte, dessen Spieler alle als gewaltig überbewertet einzuschätzen waren. Zu jener Zeit brachte Burma plötzlich mehr als fünzig Spieler mit 2500 und mehr Elo hervor, was auf eine Manipulation der FIDE Wertungsregeln für Spieler ohne Elozahl zurückzuführen war. Es überraschte damals niemanden, dass bei dem Turnier fünf GM-Normen erreicht wurden…

Aber einer hat über die letzten drei Jahrzehnte seinen Glauben an Schach in Singapur niemals verloren, Ignatius Leong. Leong, selbst ein eher mittelmäßiger Spieler, war seit den siebziger Jahren nicht nur Singapurs erster Veranstalter, er versuchte sich ebenso als Organisator, Schiedsrichter und Herausgeber einer Zeitschrift und über zwei Jahrzehnte sah es so aus, als wären sein Einsatz und die Bemühungen einer Handvoll Mitstreiter, das Ansehen des Schachs in der 4,5 Millionen zählenden Metropole zu heben, zum Scheitern verurteilt. Die Wende zeichnete sich vor etwa zehn Jahren ab, als Leong gemeinsam mit einigen chinesischen Schachfunktionären offizielle Stellen davon überzeugen konnte, ein Zentrum für Brettspiele zu errichten. Die Singapurer Regierung – die von den einen als „wohlwollende Diktatur“, von anderen als „kapitalistische Version des Kommunismus“ beschrieben wird – gab dem Vorschlag nach und so wurde eine Etage des Gebäudes dem internationalen Schach zugeteilt.

Leong startete dann mit einem Trainingsprogramm für Kinder und Jugendliche, warb starke Trainer aus Asien und Europa an und bot neben Unterrichtseinheiten im Schachzentrum auch Kurse in den Schulen an. Nachdem das Trainergeschäft gut florierte, war Leong in der Lage, mit seiner ASEAN (Association of South-East Asian Nations) Schachakademie in mehr Platz bietende Räumlichkeiten umzuziehen, und zwar nach Beach Road, eine weitläufige Anlage. Die Örtlichkeiten erlauben, den Raum mit Raumteilern in 20 separate Klassenzimmer oder in einen großen Spielsaal zu verwandeln.

Wenn die ASEAN Schachakademie auch nicht mit der Ausstattung der besten Schachclubs der Welt mithalten kann, macht sie das durch ihre schiere Größe wett – wahrscheinlich ist sie das größte Schachzentrum weltweit.

Mit der Ausrichtung der Jugendschacholympiade 2007 nahm Singapur im August die Gelegenheit wahr, die neuen Räumlichkeiten der Schachwelt zu präsentieren. Die Jugend- (oder Kinder-) Olympiade – ein U16-Turnier – wurde vor dreißig Jahren aus der Taufe gehoben, und im Jahr 1999 wiederbelebt, seither erfreut sich die Veranstaltung wachsender Beliebtheit. Wenn das Jugendtreffen in Singapur auch nicht ganz unproblematisch über die Bühne ging – vor allem der späte Ausstieg des topgesetzten Teams aus der Ukraine, das bei der Olympiade in Kuala Lumpur 2002 noch mit Sergej Karjakin und Katerina Lahno an Brett drei und vier die Silbermedaille geholt hatte, stieß unangenehm auf –, gab es doch auch viel Erfreuliches.

Die Ungarn waren mit einem Team angetreten, das einen Durchschnitt von mehr als 2400 Elopunkten aufwies und als Favorit galt. Die 34 teilnehmenden Mannschaften kamen aus 23 Ländern. Afrika wurde von einem einzigen, dafür aber konkurrenzfähigen Team aus Sambia repräsentiert, das seine Chancen steigerte, indem es den schwächsten Spieler – den Sohn des Präsidenten des Schachverbands – an Brett eins setzte. Die Philippinen brachten gar einen 2506-Spieler an Brett 1, Wesley So, der sich schon Großmeisterskalps wie beispielsweise meinen an den Gürtel heften konnte, und da der Rest des Teams aus zwar noch nicht in der Eloliste geführten, gleichwohl talentierten Spielern bestand, stellten die Philippinen die gefährlichste Mannschaft in der unteren Hälfte des Teilnehmerfelds. Korea, das erst seit wenigen Jahren überhaupt Mitglied der FIDE ist, stellte überraschend zwei Mannschaften und Australien gelang es, sein zweites Team als reines Frauenteam ins Rennen zu schicken, das immer
hin so stark war, dass es das zweite US-Team in der Schlussrunde besiegte.

Die Spielbedingungen waren ausgezeichnet, ausgezeichnet, abgesehen von der Bullenhitze. Singapur liegt weniger als hundert Kilometer nördlich des Äquators, das heißt, dass Temperaturen um die dreißig Grad an der Tagesordnung sind, was an sich kein Thema wäre, wäre da nicht auch die hohe Luftfeuchtigkeit, und zwar jeden Tag des Jahres. Die ASEAN Schachakademie hat keine Klimaanlage und die wenigen, strategisch rund um die Halle platzierten Ventilatoren waren hoffnungslos überfordert damit, die Umgebung etwas abzukühlen. Allerdings schienen vor allem die Erwachsenen unter den Verhältnissen zu leiden, die jungen Spieler ließen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Ungewöhnlich für ein Jugendturnier war, dass Eltern und Trainer nicht aus dem Spielsaal verbannt wurden, trotzdem kam es zu keinen unschönen Szenen oder auch nur zu Verdächtigungen [Anm. der Red.: des unerlaubten Coachens]. Bei so vielen un- bzw. unterbewerteten starken Spielern in einem Turnier war zu erwarten, dass es zu überraschenden Ergebnissen kommen würde und so kristallisierte sich auch erst mit der 0,5:3,5-Niederlage der Ungarn gegen die Inder ein klarer Favorit heraus.

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SCHACH MAGAZIN 64 – 09|2007

 





 

 

 


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