Das Titelfoto stammt aus einem früheren Interview im ChessBase-Studio:

André Schulz: Du bist mit zwei Siegen in die neue Saison der Frauen-Bundesliga gestartet, herzlichen Glückwunsch.
Elisabeth Pähtz: Vielen Dank. Am Samstag hat meine Mannschaft, der OSG Baden-Baden, in Norderstedt gegen den Hamburger SK gespielt. Gegen Antonia Ziegenfuß stand ich erst besser, habe dann aber den Stellungsvorteil aus der Hand gegeben. In ausgeglichener Stellung konnte ich mit einem Damenopfer für zwei Leichtfiguren die Stellung verkomplizieren. Antonia war in Zeitnot und hat dadurch die Übersicht und die Partie verloren. 36.h3 statt 36.Da3 wäre okay gewesen.
Am Sonntag gewann ich mit Weiß gegen Maria Gosciniak von TuRA Harksheide. Somit haben wir mit der Mannschaft zweimal klar gewonnen. Gegen den HSK war es in der Vergangenheit oftmals schwierig. Diesmal aber nicht.
Deine Fans haben dich beim Grand Swiss der Frauen in Samarkand vermisst. Warum hast du nicht mitgespielt?
Ich hatte einen guten Grund. Ich bin schwanger und möchte jetzt keine längeren und anstrengenden Turniere wie das „Women’s Grand Swiss“ mitspielen.
In dem Fall noch einmal herzlichen Glückwünsch!
Danke!
Hast du das Turnier verfolgt? Wie ist deine Einschätzung in Bezug auf die deutschen Spieler und Dinara Wagner als einzige Spielerin im Frauenturnier?
Die entscheidenden Partien für Dinara waren die Runden 6 bis 8. Gegen Lagno und Tan ist ihr zweimal in Folge ein remises Endspiel entglitten. Dafür bekam sie mit etwas Glück ein Remis gegen Anna Muzychuk. Dadurch reichte es insgesamt leider für sie nicht mehr für einen oberen Platz. Dinaras suboptimale Zeiteinteilung hat sie meines Erachtens zu viel an Kraft und Punkten gekostet.
Dinara Wagner | Foto: Mark Livshitz
Das Ergebnis von Matthias Blübaum war natürlich phänomenal. Insbesondere auch deshalb, weil er dieses Ergebnis ohne Trainer bzw. Helfer erreicht hat. Für ihn war es meines Erachtens ein Vorteil, nicht zu den Favoriten zu zählen. Die anderen wollten ihn schlagen und sind ins Risiko gegangen. Das kam Matthias sehr entgegen. Wenn man sich die Partien 1 bis 9 von ihm anschaut, stellt man fest, dass er bis zur Partie gegen Vincent nur einen einzigen Fehler gemacht hat. Bei Vincent lief es ja trotz der Niederlage gegen Maurizzi gut. Dann hatte er das Pech gegen Matthias, als er im Endspiel ein Scheinopfer übersah.
Im Frauenschach sieht das eher nicht so gut aus.
Mit sieben Spielern im offenen Grand Swiss war der Deutsche Schachbund sehr gut vertreten. Die anderen konnten sich nicht so gut in Szene setzten wie Matthias und Vincent, aber bei der Europamannschaftsmeisterschaft in Batumi wird die deutsche Mannschaft sicher eine gute Rolle spielen. Im Frauenschach sieht das eher nicht so gut aus.
In insgesamt 6 Kapiteln untersuchen wir folgende Aspekte: die richtige Entscheidung anhand taktischer Faktoren, Entscheidungen beim Abtausch & Schlagzügen, komplexe & psychologische Entscheidungen in längeren Partien und bei der Verteidigung.
Warum meinst du das?
Nun, es ist ja offensichtlich, dass sich das deutsche Frauenschach in einer Krise befindet. Ich habe seit meinem 15. Lebensjahr im internationalen Spitzenschach mitgespielt. Aber bis heute ist in Deutschland keine weitere Spielerin ausgebildet worden, die vielleicht meine Nachfolge hätte antreten können. Es ist ein Glücksfall für Deutschland, dass es mit Dinara Wagner jetzt eine weitere herausragende Spielerin gibt. Allerdings ist anzumerken, dass Dinara nicht in Deutschland ausgebildet worden ist.
Seit circa zwei Jahren gibt es mit Artur und Nadja Jussupow erstmals Trainer, die sich mit ihrer Schachschule auf das Mädchenschach konzentrieren. Um im Frauenschach etwas zu bewegen, hätte man jedoch schon Jahrzehnte früher damit beginnen müssen. Die letzten 20 Jahre wurden komplett verschlafen.
Warum haben die deutschen Frauen den Anschluss verloren?
Ein Grund ist: Es gibt zwar gute Trainer in Deutschland, im Vergleich zu anderen Ländern aber leider zu wenig. Vor allem aber hat der DSB weder ein Konzept noch aktive Mittel, das Frauenschach in Deutschland voranzubringen.
Mit Zahar Efimenko gibt es jetzt einen neuen Bundestrainer für das Frauenschach, vielleicht ein neues Signal.
Vielleicht. Ich hoffe das sehr. Laut meiner Kenntnis waren am Schluss nur noch Zahar Efimenko und Adrian Mikhalchishin als Kandidaten für die Stelle als Frauenbundestrainer im Rennen. Letztendlich entschieden sich die Mehrheit der Kaderspielerinnen, der Sportdirektor Kevin Högy und das Präsidium für Efimenko. Von Adrian, mit dem ich in der Kasparov Schachschule zusammenarbeite, erfuhr ich, dass er von der Entscheidung nicht persönlich unterrichtet worden ist, sondern davon über das Internet erfuhr. Er fragte mich, ob das beim DSB so üblich sei. Offenbar war es im Präsidium untergegangen, dafür Sorge zu tragen, Adrian über die Entscheidung persönlich zu informieren. Das gehört meines Erachtens aber zu einem guten Stil.
Das Neo-London-System bietet viele neue, kreative Möglichkeiten, um Ihre Gegner schon in den frühen Phasen der Partie vor ernsthafte Probleme zu stellen.
Kein Einzelfall
Das ist sicher nicht schön, aber so etwas kann vielleicht auch mal passieren.
Natürlich kann so etwas passieren. Aber das scheint kein Einzelfall zu sein. Unser neuer Bundestrainer wendete sich kürzlich hilfesuchend an uns Kaderspielerinnen, weil sein Gehalt im August nicht bezahlt worden ist. Auch eine andere Kaderspielerin wartete vergeblich auf die Erstattung ihrer abgerechneten Reisekosten. Auf meine diesbezügliche Nachfrage beim Vizepräsidenten für Finanzen erhielt ich die Auskunft, dass er diese Aufgaben vorerst provisorisch übernommen hat.
Ich kann mich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass zwischen Präsidium und Geschäftsstelle keine harmonische Zusammenarbeit existiert. Offenbar hat der seit zwei Jahren wehende sehr raue Wind durch die Geschäftsstelle – innerhalb kurzer Zeit haben fünf Mitarbeiter den DSB verlassen – seine Spuren hinterlassen. Das ist meines Erachtens weder für die Arbeitsatmosphäre, noch für die Bewältigung der Arbeitsaufgaben hilfreich. Daher ist es kein Wunder, dass viele Dinge unbearbeitet liegen bleiben.
Du bist also mit der Situation nicht zufrieden?
Nein, ich bin mit der Entwicklung in den letzten beiden Jahren im Allgemeinem, aber insbesondere auch mit der Arbeit der Präsidentin nicht zufrieden.
Wir könnten zum Beispiel über die Budgets reden. Der Schachbund hatte infolge von Finanzproblemen 2024 die Turnierkostenzuschüsse im A- und B-Kader um 50 Prozent gekürzt, was anhand der damaligen finanziellen Lage durchaus nachvollziehbar war. 2025 allerdings wurden die Zuschüsse gleichermaßen gekürzt, obwohl sich die finanzielle Situation des Schachbundes durch die erhöhten Mitgliedsbeiträge stabilisiert hatte. Uns wurde lediglich für das zweite Halbjahr eine kleine Erhöhung in Aussicht gestellt. Da die die Einzel-EM der Frauen und meine Grand-Prix-Turniere bereits im Frühjahr stattfanden, war damit keinem geholfen. Kateryna Dolzhikova konnte aus finanziellen Gründen nicht an der Europaeinzelmeisterschaft teilnehmen und drei andere Frauen haben sich aus Kostengründen ein Apartment teilen müssen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die schachlichen Leistungen darunter leiden.
Ingrid Lauterbach beim ChessBase-Interview im Jahr 2023.
Auch ich war betroffen. Beim Grand Prix in Schymkent 2024 wurde ich von Josefine Heinemann unterstützt. Der Schachbund hatte mir im Vorfeld mündlich einen Sonderzuschuss in Höhe von 1500 Euro zu den Reisekosten von Josefine zugesichert. Am Ende bin ich auf diesen Kosten sitzengeblieben, weil der Austragungsort von unserer Präsidentin Ingrid Lauterbach an unseren Vizepräsidenten der Finanzen, Alexander von Gleich, falsch übermittelt worden ist. Das kann passieren. Es hat mich jedoch sehr enttäuscht, dass die Spitze des Präsidiums nicht einmal im Nachgang versucht hat, diesen Fehler in irgendeiner Form wieder auszugleichen. Stattdessen wurde im Jahr 2025, wie oben bereits erwähnt, der A-Kaderzuschuss erneut um 1500 Euro gekürzt.
Kein Senioren-Team bei WM und EM
Gespart wurde nicht nur bei den Kaderspielern. Auch bei den Senioren wurde der Etat auf eine lächerliche Summe reduziert und somit auch die Teilnahme an Team-WM und -EM nicht mehr bezuschusst. In Folge dessen war bei der Senioren-WM 2025 in Prag kein offizielles deutsches Team am Start. Und das, obwohl wir mit Rainer Knaak und Brigitte Burchard zwei Seniorenweltmeister haben. Im Gegenzug dazu nahm die Präsidentin als Mitglied im Team des Englischen Verbandes, der für alle Unkosten seiner Spieler aufkam, an den Senioren-Team-Welt- bzw. Europameisterschaften teil. Das kann man einem Außenstehenden nur schwer erklären.
Es ist kein Geld da, heißt es immer so schön. Aber für die Ausstellung und Fotos von Steve Bonhage anlässlich der diesjährigen Deutschen Meisterschaft standen laut meiner Kenntnis 8000 Euro bereit. Roman Krulich war der Hauptsponsor dieses Events. Ich glaube, viele DSB-Mitglieder, Landesverbände und Kaderspieler würde an dieser Stelle interessieren, wie hoch am Ende die vom DSB zu tragenden Kosten waren. Mir stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Kosten für die Ausstellung und Fotos in einem angemessenen Verhältnis zu den vorgenommenen Sparmaßnahmen des DSB stehen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass für den Gipfel 2026 eine ähnliche Summe für Herrn Bonhage bereits zur Diskussion steht.
In Bezug auf Ingrid Lauterbach denke ich unter anderem an ihren Besuch bei ChessBase unmittelbar nach ihrem Amtsantritt. Das Ergebnis war das Ende eines langjährigen Ausrüstervertrages. Soweit ich mich zurückerinnern kann, haben alle Kaderspieler von ChessBase jedes Jahr die neuesten Programme und Datenbanken bekommen. Mit einem Einkaufswert von circa 10.000 Euro. Nach Ingrids Lauterbachs, aus Sicht von ChessBase „unglücklichem“ Auftritt nicht mehr.
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Oder man nehme die Deutschen Einzelmeisterschaften in Ruit 2024. Nadja und Artur Jussupow organisierten diese Veranstaltung. Artur hatte die originelle Idee, alle nicht spielenden Nationalkader zur Online-Kommentierung heranzuziehen. Da die Schacholympiade in Budapest erst kurz vor Beginn der Meisterschaften zu Ende ging, spielten viele Kaderspieler von uns nicht mit und erklärten sich bereit, die Partiekommentierung zu übernehmen. Ein paar Wochen vor Beginn der Meisterschaft wurde uns jedoch von Artur mitgeteilt, dass dieser Vorschlag von der Präsidentin abgelehnt worden ist und stattdessen Klaus Bischoff, der Lebensgefährte von Ingrid Lauterbach, die Kommentierung übernehmen wird.
Schockiert
Am meisten schockiert hat mich aber die fristlose Entlassung von Anja Gering. In Kevin Högy und Anja Gering habe ich stets die Seele des Verbandes gesehen. Seit 19 Jahren hat Anja Gering loyal und kompetent für den DSB gewirkt. Mich macht es unglaublich traurig, dass und auf welche Art und Weise ihr gekündigt worden ist. Laut einiger Präsidenten der Landesverbände war die Art und Weise ihrer Kündigung alles andere als schön. Nähere Angaben dazu sind im Post des Berliner Schachpräsidenten Paul Meyer-Dunker unter https://www.facebook.com/share/p/179Q1wXNFJ/ zu finden.
Deinem Engagement ist zu entnehmen, dass Du Dich auch als zukünftige Mutter nicht aus dem Schach zurückziehen wirst.
Ja. Als Mutter eines Kleinkindes werde ich wahrscheinlich bei der nächsten Schacholympiade in Usbekistan nicht dabei sein können. Aber ich habe vor, weiterhin Schachtraining zu geben und mich auf diese Weise um den deutschen Nachwuchs zu kümmern.
Wir wünschen Dir auf allen Gebieten viel Erfolg.