"Ich mag Schach und all die Dinge, die mit dem Schach verknüpft sind": Ein Interview mit Petr Boleslav

von Johannes Fischer
15.06.2022 – 2019 fand das Schachfestival Prag zum ersten Mal statt und auch 2020 und 2021 konnte trotz Corona und Lockdown in Prag live gespielt werden. Zur Zeit geht das 4. Prager Schachfestival mit zwei interessanten Turnieren, einem Open, einem Turnier für den Nachwuchs und einem umfangreichen Rahmenprogramm über die Bühne. Im Interview spricht Petr Boleslav, Organisator und Turnierdirektor des Prager Schachfestivals, über Entstehung und Organisation des Turniers, über Corona und über seine Motivation, das Turnier zu organisieren. | Foto: Petr Boleslav bei der Eröffnung des Schachfestivals | Foto: Petr Vrabec

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Lieber Petr Boleslav, Sie sind Mannschaftsführer und Kapitän von Novy Bor, der stärksten Mannschaft Tschechiens. Und Sie sind Organisator des Prager Schachfestivals, das 2022 zum vierten Mal stattfindet. Wann hatten Sie die Idee, dieses Festival zu organisieren?

Wir haben in Novy Bor elf Jahre lang jedes Jahr Wettkämpfe organisiert, in denen starke tschechische Spieler gegen internationale Spitzenspieler antreten könnten. Das waren schöne und erfolgreiche Wettkämpfe, aber irgendwann wollten wir etwas Größeres machen und hatten die Idee, ein Turnier zu organisieren. Ein sportlich attraktives Turnier, das heißt, mehrere Turniere, in denen man sich in den schwächeren Turnieren für die stärkeren qualifizieren kann.

So kam die Idee auf, in Prag ein Schachfestival zu veranstalten, das ein ähnliches Format hat wie die berühmten Turniere in Wijk aan Zee. Mit einem Masters und einem Challengers Turnier, in dem sich der Sieger für das Masters im Jahr darauf qualifizieren kann.

Aber mir war auch wichtig, dass parallel zum Masters und Challengers ein Open stattfindet: Denn ein Open schafft Atmosphäre und die Spieler im Open sind zugleich Zuschauer im Masters und Challengers.

Aber es gibt noch ein viertes Turnier: Das Futures.

Ja, das war mir auch wichtig. Die Idee stammt von Petr Pisk und ich habe sofort versucht, sie umzusetzen. Talentierte Junioren und Juniorinnen treten gegeneinander an und spielen im gleichen Turniersaal wie die Top-Großmeister. Dadurch bekommen die Talente Erfahrung und Kontakt zu den Großmeistern. Tatsächlich haben wir bei der Auslösung dafür gesorgt, dass jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin des Futures ein Paar mit einem Spieler aus den Großmeisterturnieren bildet – so haben die Talente direkten Kontakt zu den Großmeistern.

Wettkämpfe zu organisieren erfordert Aufwand, aber eine Veranstaltung wie das Schachfestival zu organisieren erfordert doch sicher noch mehr Aufwand?

Ja, natürlich. Bei der Organisation der Wettkämpfe haben wir viel Erfahrung sammeln können, und solche Wettkämpfe könnten wir mittlerweile in kurzer Zeit organisieren. Aber die Organisation des Festivals beginnt mindestens ein halbes Jahr im Voraus.

Aber ich habe ein fantastisches und eingespieltes Team, auf das ich mich verlassen kann. Etwa acht Leute, die viel Erfahrung mit der Organisation der Wettkämpfe und des Festivals haben, und die während des Festivals die ganze Zeit vor Ort sind. Besonders dankbar bin ich meiner Assistentin Luisa Kopecka – sie ist fantastisch.

Vor dem Turnier muss man entscheiden, welche Spieler man einlädt, man muss mit Sponsoren reden und für ein attraktives Rahmenprogramm sorgen. Da gibt es immer wieder größere und kleinere Probleme, die Zeit kosten. Zum Beispiel haben wir dieses Jahr im Rahmenprogramm den neuseeländischen Film "Das Talent des Genesis Potini“. Nun sitzt der Regisseur in Neuseeland und es war gar nicht so einfach, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Manchmal ist es auch schwer, eine gute Kopie eines Films zu bekommen und für die passenden Untertitel zu sorgen.

Außerdem haben wir den Ehrgeiz, ein besonderes Turnier zu organisieren. Und das ist auch der Grund, warum wir jedes Jahr ein neues und eigenständiges Motiv entwickeln, mit dem wir das Logo ergänzen.

Beide Turniere, das Masters und das Challengers haben ein attraktives Feld. Nach welchen Kriterien laden Sie die Spieler ein?

Natürlich möchte man möglichst starke, bekannte und attraktive Spieler einladen. Aber zugleich möchten wir tschechischen Spielern eine Chance geben, sich zu bewähren. So ist David (Navara) ist ein regelmäßiger Gast, aber auch Thai (Nguyen) hat sich etabliert.

David Navara, Tschechiens Nummer 1 | Foto: Petr Vrabec

Und natürlich sollte der Vorjahressieger und Titelverteidiger dabei sein. 2021 hat Sam Shankland das Masters gewonnen und er hat auch sofort zugesagt, dieses Jahr wieder nach Prag zu kommen. Sam ist sehr nett und er mag die Stadt und das Turnier. Als er zugesagt hat, hatte er allerdings noch die Chance, sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren – dann wäre er nicht nach Prag gekommen. Ich habe ihm die Daumen gedrückt, dass er sich für das Kandidatenturnier qualifiziert, aber das hat leider nicht geklappt. Aber dafür kann er versuchen, seinen Titel in Prag zu verteidigen.

Bei der Auswahl der Teilnehmer diskutiere ich mit Roman Mužik, welche Spieler interessant sind und wen wir einladen könnten und diese Spieler schaue ich mir dann an. Ich hatte zu meinen besten Zeiten als aktiver Spieler eine Elo-Zahl von etwa 2100. Nicht besonders gut, aber es reicht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Großmeister spielen.

Im Challengers sind dies Jahr drei sehr starke und vielversprechende Jugendspieler am Start: Hans Niemann, Nodirbek Abdusattorov und Vincent Keymer. Wie ist es Ihnen gelungen, diese drei Stars zum Start im Challengers zu bewegen?

Das war wirklich nicht leicht, denn jeder von ihnen könnte auch im Masters starten. Aber Prag ist ein attraktives Turnier und die Möglichkeit, in Prag im Masters zu spielen, ist verlockend. Und ich glaube, im nächsten Jahr wird mindestens einer der drei im Masters spielen.

Vincent Keymer | Foto: Vladimir Jagr

Bei den Einladungen achten wir auch darauf, Spieler aus nahegelegenen Ländern einzuladen. Besucher aus Polen freuen sich, wenn sie Duda live spielen sehen und Besucher aus Deutschland interessieren sich für Vincent Keymer. Duda war auch die ersten drei Turniere dabei, aber dieses Jahr hatte er keine Zeit, weil er im Kandidatenturnier spielt.

Wer unterstützt das Turnier?

Hauptsponsor ist Roman Mužik, der auch Besitzer und Sponsor von Novy Bor ist. Ihm gehört AVE, ein großes tschechisches Abfallbeseitigungsunternehmen, das in Tschechien und in Mitteleuropa aktiv ist. Roman ist Schachfan und er sieht manche Spieler einfach gerne spielen.

Eine große Attraktion des Turniers ist der Austragungsort – Prag. Wie wird das Turnier in Prag angenommen und fördert die Stadt das Turnier?

Die Stadt freut sich über das Turnier und leistet große Unterstützung. Ein Teil des Sportetats steht für das Turnier zur Verfügung und auch das tschechische Fernsehen widmet dem Turnier viel Aufmerksamkeit, vor allem im Sportkanal. Da sieht man regelmäßig Berichte und Interviews mit den Spielern. Vor, während und nach dem Turnier.

Die Zeitungen tun sich etwas schwerer. Fußball, Handball, Tennis und Schwimmen sind eben immer noch beliebtere Sportarten.

2019 fand das erste Prager Schachfestival statt, dieses Jahr geht bereits das vierte über die Bühne. Wie hat das Festival Corona überstanden?

Corona war ein Problem, aber wir hatten ein bisschen Glück. 2020 fand das Festival bereits im Februar statt, also noch vor dem Lockdown. 2021 haben wir das Festival in den Juni verlegt und damit den Lockdown im Frühjahr und im Winter umgangen. Aber tatsächlich fand das Festival in abgespeckter Form statt: Es gab fast kein Rahmenprogramm, sondern nur das Masters, ein Open und das Futures.

Wie soll es weitergehen, welche Pläne haben Sie für die Zukunft des Festivals?

Von Jahr zu Jahr sammeln wir Erfahrung und merken, was wir noch besser machen können. Zum Beispiel bei den Dingen, die das Festival begleiten. Generell wünschen wir uns natürlich noch stärkere Spieler, wie z.B. Caruana oder Carlsen. Aber wir sind auf einem guten Weg!

Sie investieren viel Zeit und Energie in die Organisation dieses Turniers. Was treibt Sie an, was motiviert Sie?

Ich mag Schach und all die Dinge, die mit dem Schach verknüpft sind: Literatur, Film, Kunst, Sport und vieles mehr. Und da mich Schach fasziniert, aber ich selbst kein starker Spieler bin, bin ich eben Organisator geworden (lacht)!

Vielen Dank für das Interview!

Turnierseite des Prages Schachfestivals...

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".