28.03.2017 – Sam Collins ist Anwalt von Beruf, Internationaler Meister mit zwei GM-Normen und ein produktiver und populärer Autor. Er wurde 1982 in Dublin geboren, wo er heute lebt und arbeitet. In einem ausführlichen Interview spricht er über seine neue DVD "Open Games with ...Bc5", seine Schachlaufbahn, über das Studium von Eröffnungen und seine Lieblingspartien.
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Trainer empfehlen Stellungen mit ähnlichen Bauernstrukturen zu spielen, damit in einer Variante gelernte Ideen in eine andere übertragen werden können. Mit diesem Ziel hat Collins ein Repertoire nach 1.e4 e5 entworfen, das auf Systemen mit Lc5 basiert.
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Sam Collins, Sie sind Internationaler Meister und haben bereits zwei Großmeisternormen erzielt. Sie wurden 1982 in Dublin geboren und hatten auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere eine Elo-Zahl von 2495 Punkten - mehr als irgendein anderer in Irland geborener Spieler. Wie haben Sie Schach gelernt und wie und warum sind Sie besser geworden?
Ich habe Schach von meinem Vater gelernt, als ich 9 oder 10 Jahre alt war. Aber viel gespielt habe ich erst, als ich mit 12 aufs Gymnasium gekommen bin. Meine Schule, das Gonzaga College, hat eine große Schachtradition mit vielen starken Spielern - ein phantastisches Umfeld. Ich habe damals sehr viel Schach gespielt und trainiert, vor allem, weil das Spaß gemacht hat, aber auch wegen des schönen Gefühls, etwas gut zu können. Als ich besser wurde, erhielt ich Einladungen zu internationalen Jugendturnieren und Olympiaden und mein Wunsch, auf Turniere in aller Welt zu reisen, war zusätzliche Motivation, besser zu werden.
2002 und 2014 wurden Sie Irischer Meister, aber 2009 waren Sie außerdem Japanischer Meister. Wie kam das?
Ich habe zwei Jahre für die Boston Consulting Group in London gearbeitet und wurde 2008 nach Tokio geschickt. In Japan kannte ich am Anfang nur die Mitglieder der japanischen Schach-Nationalmannschaft - Irland hatte bei der Schacholympiade in Dresden einmal gegen Japan gespielt. Die Nationalspieler zeigten mir das Land und nahmen mich zu Turnieren mit. Eins davon war die Japanische Meisterschaft, die ich dann gewonnen habe.
Sie haben eine Reihe von Büchern geschrieben und zahlreiche DVDs veröffentlicht. 2015 erschien Ihr Buch "Karpov: Move by Move". Ist Karpov Ihr schachliches Vorbild oder haben Sie andere Lieblingsspieler?
Ich habe noch nie keinen starken Schachspieler getroffen, der nicht gesunden Respekt vor Karpov hat. Vor allem bewundere ich seinen Kampfgeist und seinen unglaublichen Einfallsreichtum in schlechten oder verlorenen Stellungen. Aber ein eigentliches Vorbild habe ich nicht, es gibt Dutzende von Spielern, die ich aus unterschiedlichen Gründen bewundere. Ich bin jetzt 34 Jahre alt und verblüfft über die Ausdauer von Spielern wie Kramnik, Gelfand und Anand, die es geschafft haben, sich mit über 40 noch weiter zu verbessern und in der Weltspitze mitzuhalten. Aber erst letzte Woche hat mich auch beeindruckt, wie Wei Yi einmal mehr gegen die Najdorf-Variante gewonnen hat (gegen Xu Yinglun beim HD Bank Masters).
Trainer, Autoren und jede Menge anderer Autoritäten betonen immer wieder, wie wichtig es ist, die Klassiker zu studieren, aber die meisten Spieler, die ich kenne, konzentrieren sich darauf, an ihren Eröffnungen zu arbeiten. Wie denken Sie darüber?
Da habe ich keine dezidierte Meinung. Ich weiß, dass Kasparovs Serie über seine "Vorgänger" herausragend ist und ich kann mir nicht vorstellen, dass es dem eigenen Schach schadet, diese Reihe zu studieren!
Sie haben kürzlich eine DVD veröffentlicht, in der Sie den Zug ...Lc5 in den Offenen Spielen empfehlen. Sie empfehlen ...Lc5 gegen fast alle Offenen Spiele: Spanisch, Italienisch, Schottisch, sogar gegen das Königsgambit. Ist …Lc5 wirklich so stark?
...Lc5 ist in diesen Varianten sicherlich überall spielbar und in manchen Varianten sogar eindeutig die Hauptvariante (zum Beispiel im Italiener). Aber gegen das Mittelgambit habe ich ...Lc5 nicht empfehlen - was aber eigentlich keine große Überraschung sein sollte.
Was fasziniert sie an …Lc5?
Nach 1.e4 e5 geht der Läufer in der Regel nach e7, g7 oder c5. Den Läufer nach c5 zu stellen, scheint mir der aktivste und der klassische Entwicklungszug zu sein. Die Ideen in diesen Varianten ähneln sich oft und Erfahrungen in jeder dieser Varianten zu machen, scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein.
Allgemeiner gefragt: woher kommen Ihre Eröffnungsideen – und was würden Sie Amateuren raten, die sich ein Eröffnungsrepertoire aufbauen wollen?
Ich verfolge das Schachgeschehen aufmerksam und gerne, und wenn ich eine interessante Idee in einer Turnierpartie sehe, dann versuche ich, sie im Gedächtnis zu behalten. Und wenn ich nach Möglichkeiten in einer bestimmten Variante suche, dann schaue ich mir für gewöhnlich an, was die besten Spieler oder die größten Experten dieser Variante machen. Für Amateure gibt es mittlerweile eine ganze Reihe hochwertiger Eröffnungswerke und so ist es am besten, herauszufinden, welchen Spielstil man hat (in seinem Buch "Foundations of Chess Strategy" zeigt Lars Bo Hansen, wie man das macht) und seine Eröffnungen entsprechend auszuwählen. John Nunns "Secrets of Practical Chess" - ein sehr gutes Buch - enthält ein sehr gutes Kapitel, wie man sich ein Eröffnungsrepertoire erarbeitet. Ein anderer Tipp ist, sich die eigenen Partien des letzten Jahres oder der letzten Jahre anzuschauen, nach Eröffnungen zu sortieren und zu schauen, in welchen Varianten man Elo-Punkte gewinnt oder verliert - ich habe das vor kurzem gemacht und die Ergebnisse haben mich überrascht.
…Lc5 in den Offenen Spielen ist ein provokanter Zug, der vermutlich schnell zu scharfen taktischen Gefechten führen kann. Wie viel Theorie muss man in diesen Varianten kennen?
1.e4 e5 erfordert generell ein bisschen Arbeit, da Weiß die Wahl zwischen einer ganzen Reihe von Systemen hat. So gesehen sind die Varianten, die ich empfehle, nicht sehr theoretisch und erfordern mit Sicherheit nicht so viel Arbeit wie das Marshall-Gambit.
Sie haben Jura studiert und arbeiten als Anwalt in Dublin. Wie finden Sie da noch die Zeit, sich mit Schach zu beschäftigen - und über Schach zu schreiben?
Ich spiele gerne Schach und nehme mir deshalb Zeit dafür, obwohl das zunehmend schwieriger wird. Ich spiele in der irischen, englischen und norwegischen Liga und viele meiner Mannschaftskollegen haben ebenfalls anspruchsvolle Jobs in der Wirtschaft oder im Rechtssystem. Ich versuche, die Zeit optimal zu nutzen, indem ich wichtige Fähigkeiten trainiere und nicht einfach Blitzpartien spiele oder aktuelle Turniere verfolge.
Mit zwei Großmeisternormen und einer aktuellen Elo-Zahl von 2449 sind Sie so stark wie viele Profis. Aber was würden Sie Amateuren raten, die fragen, wie man effektiv trainiert, wenn man eine Reihe anderer Verpflichtungen hat?
Wie gesagt, ich glaube, Fähigkeiten sind wichtiger als Wissen. Es macht keinen Sinn, 30 Züge Theorie im Drachen herunterzublitzen, wenn man im 31 Zug die Partie verdirbt. Heute kann man Turniere mit laufender Engines verfolgen und das erzeugt die Illusion, Schach sei leicht. Viele Spieler vergessen oft, grundlegende Fähigkeiten wie die Variantenberechnung zu trainieren.
Zum Abschluss noch drei kurze Fragen: 1.: Was ist Ihre Lieblingspartie eines anderen Spielers?
Da würde ich gerne zwei Partien nennen, Nigel Shorts beiden Königsmärsche, einmal am Königsflügel, dann am Damenflügel, und mit 25 Jahren Abstand zwischen den Partien: gegen Timman (Tilburg 1991) und gegen Hou Yifan (3. Wettkampfpartie, Hoogeveen, 2016)
Nigel Short während seines Wettkampfs gegen Hou Yifan 2016 (Foto: Lennart Ootes)
Und Ihre eigene Lieblingspartie?
Mein erster Sieg gegen einen Großmeister, Collins - Hillarp Persson, Isle of Man 2001.
Und Ihre Lieblingspartie mit …Lc5?
Im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden eine ganze Reihe verblüffender Partien mit dieser Variante gespielt, darunter auch die "Immergrüne", Anderssen-Dufresne. Besonders gut im Gedächtnis geblieben ist mir jedoch ein Evans Gambit, das Nigel Short bei einem Trainingsmatch gegen Ruslan Ponomariov 2003 in Yalta gespielt hat. Eine Partie voller Einfälle und Fehler von beiden Seiten, was schließlich zu einem komplizierten Endspiel geführt hat, das beide Seiten, aber auch Garry Kasparov und Surya Ganguly analysiert haben. Nigel hat das Endspiel vor kurzem bei einem Vortrag in Dublin gezeigt und dieses Endspiel zeigt, wie tief und wunderbar Schach sein kann - das Endspiel, das nach 52 Zügen auf dem Brett steht, ist eines der komplexesten Endspiele, die ich je gesehen habe.
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Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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