ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Neben Wolfgang Unzicker und Lothar Schmid gehörte Dr. Paul Tröger zu den namhaftesten Meistern der Nachkriegszeit und 50iger Jahre in der BRD. Paul Tröger wurde am 28. Juni 1913 in Augsburg geboren, und eventuell ist der Geburtsort schon Auslöser für die Sport- und insbesondere Fußballbegeisterung, denn zu damaligen Zeiten zählte Augsburg als deutsche Fußballhochburg und die "Schwaben Augsburg" [1] hatten viele Anhänger, so auch wahrscheinlich Paul Tröger, welcher sich als Sportjournalist und Schachspieler einen verdienten Ruf erwarb.
[Bild1] Dr. Paul Tröger am Brett, Aufnahme aus den 50ern
Bereits im zweiten Weltkrieg arbeitet Tröger als Journalist bei der
"Deutschen Zeitung Brüssel", um danach dem Nürnberger Boulevardzeitung
"8.00-Uhr-Blatt" seine Dienste anzubieten. Hier darf man aber nicht annehmen,
dass er sich auf grundlegend unseriöses journalistisches Gebiet begab, wie man
eventuell heutzutage Boulevardzeitschriften interpretiert, sondern das
Nürnberger Tageblatt befasste sich mit den tagesaktuellen Neuigkeiten, welche in
unterhaltsamer Form verarbeitet wurden.
Die 1920 gegründete Zeitschrift "Kicker" war eine der journalistischen Stationen
von Dr. Paul Tröger. Im Herbst 1944 wurde das Blatt - wie viele andere -
zwangseingestellt. Bei der Wiedergründung 1951 (damaliger Titel: "Der Kicker")
zählte Tröger zu den Gründungsmitgliedern und war bis 1955 Chefredakteur. Danach
trennten sich die Wege und Tröger arbeitete freiberuflich u.a. als Chefredakteur
der in Köln erschienen "Fußballsport" (Verlag Kurt Stoof) und als Redakteur der
"Deutschen Schachblätter". Am 30. Juni 1978 beendet der seine Tätigkeit als
Leiter der Gesamtredaktion und die Zeitschrift wurde mit Ausgabe 58 im Jahre
1982 eingestellt.
Als Karl-Heinz Heimann 1952 zum Sportmagazin "Kicker" gekommen war, hatte er die
Ehre Dr. Paul Tröger als Chefredakteur in einer kleinen Redaktion, welche eine
familiäre Arbeitsweise ermöglichte, kennenzulernen. Die Redakteure - zu welchen
auch Heimann zählte - trafen sich immer sonntags, um die aktuelle Ausgabe zu
erstellen. Dabei wurden mindestens bis 02.00 Uhr in der Nacht die Artikel
geschrieben, angeordnet und in die richtige Reihenfolge gebracht. Karl-Heinz
Heimann beschreibt Tröger als einen temperamentvollen Mann, dessen
Gedächtnisleistungen ihn beeindruckten: "Wenn die letzte Seite des neu
erstellten Magazin fertig war, wusste Tröger noch die Position und Anordnung
aller Artikel". Bei Problemen konnte er blitzschnell reagieren und glänzend
organisieren. Nach erledigter Arbeit verließ man die Redaktionslokale, um die
beliebten Stammkneipen aufzusuchen. Hier zeigte sich die "Spielernatur" Trögers,
welcher unwahrscheinlich gern knobelte oder Skat spielte. Bei letzterem hatte er
die Angewohnheit, dem Gewinner die Fehler (der Gegner) vorzurechnen, die er zum
Sieg benötigt hatte. Dr. Paul Trögers nach außen hin ruhiges Auftreten konnte
schnell täuschen und in Schachspielerkreisen war er als "unberechenbarer Räuber"
(Heimann) bekannt.
Schach-Kolumnen, Kommentare und Beiträge
Neben seinen Berichten im Fußballsektor fesselte in
"Deutsche Schachblätter" (von 1960 - bis 1990) über einen Zeitraum von 30 Jahren
seine regelmäßige Kolumne "Bei Durchsicht meiner Bücher" (der Titel wurde bei
Erich Kästner entliehen!) die Leserschaft. Zuerst erschien diese Rubrik im
Septemberheft der damals noch „Süddeutschen Schachzeitung“, bevor die Kolumne
fester Bestandteil der „Deutschen Schachblätter“ und später des „Schach-Reports“
wurde [2]. Hier befasste sich Tröger mit allem was ihm rund um das königliche
Spiel am Herzen lag; sei es die scheinbar nimmermüde Frage ob Schach Sport ("Es
ist kein Zufall, daß der Deutsche Schachbund dem Deutschen Sportbund angehört
und zwar schon als Gründungsmitglied." [3]) sei, inwieweit unausgefochtene
Kämpfe als unfair oder unsportlich einzustufen sind oder welche Einflüsse die
Faktoren Leistungswillen und Spielfreude auf den Erfolg ausüben. Ein für ihn
primäres Dauerthema war die Beobachtung der Entwicklung der Schachbundesliga
("Die Zuschauerzahlen bei den Spielen der Spitzenklasse des Schachs sind
lächerlich gering." [4]) und viele seine Kolumnen drehen sich um seine
Anregungen zur Verbesserung der Organisation und Verbreitung des Schachspiels.
1987 verspricht der Untertitel 'Pläne - Pointen - Pleiten' des Buches "Angriff
und Gegenspiel" auf 120 Seiten nicht zu viel, wenn unter dem Motto
'Schachspielen dürfen - wunderbar!' eine Reise durch die Irrungen - Wirrungen
auf dem Schachbrett vollzogen wird. Unter der Rubrik "Dr. Paul Tröger blättert
im Tagebuch eines Schachkönigs" betätigt er sich in der Europa-Rochade (von
03/1983 - bis 02/1987) als "moderner Schachmärchenerzähler" und berichtet aus
dem Schloss Caissas. Die lose Kommentarfolge wird im Beyer Verlag unter
demselben Titel auf 120 Seiten 1988 in Buchform veröffentlicht. 1989 erschien
das Büchlein "Danke Partner - für Deinen Fehler", bei welchem Tröger eine
Symbiose zwischen kurzweiliger Unterhaltung und Fehlerursachen findet. "Ein
kleiner Fehler, von Zeit zu Zeit, versöhnt mit der Vortrefflichkeit" (Wilhelm
Busch) ist auch das Leitmotiv des "Schach-Lesebuch II", in dem Tröger unter dem
Titel "Von Böcken und dicken Hunden" die prominentesten Dokumente zur Geschichte
der Schachblindheit aufgestöbert hat. Der erste Teil von "Trögers
Schachlesebuch" aus dem Jahre 1983 beinhaltet neben ausgewählten Partien und
scheinbar sonderbaren Einfällen Erinnerungen an Sämisch, Diemer und viele
andere. Aber auch in Tageszeitungen werden immer wieder Artikel von ihm
publiziert, da Tröger einerseits versuchte „heiße Eisen“ anzupacken und den
Leser in den Bann zu ziehen vermochte. So erscheint im Kölner Stadtanzeiger vom
10.01.1981 eine "Analyse" unter der Überschrift "Kurzschluß" auf Robert Hübners
Abbruch des Kanditatenfinales in Meran (gegen Viktor Kortschnoi). [5]
[Bild2] Der moderne Schach-Märchen-Erzähler
Mediale Weisheiten. [6]
1.) Kennt das Schach auch Wunderkinder? Wenn ja, dann nennen Sie bitte
zwei.
2.) Gab es schon mal einen deutschen Schachweltmeister?
3.) Von wem stammt das Lob "Dieses Spiel ist ein Probierstein des Geistes"?
4.) Stellen Sie einen Springer in eine der vier Ecken des Schachbretts und dann
eine Dame auf das gleiche Feld. Wie viele Felder mehr als der Springer kann eine
Dame von dort aus erreichen?
5.) Das Schachbrett hat 32 weiße und 32 schwarze Felder. Sie werden mit einem
Buchstaben und einer Zahl gekennzeichnet; a bis h von links nach rechts und 1
bis 8 von unten nach oben. Welche Farbe haben die Felder d5, f6, h3?
Die Antwort auf Frage 3 (Goethe) wurde von keinem der beiden Teilnehmer gewusst und Frage 4 (Lösung: 19) wurden falschen Antworten genannt, so dass die fünfte Frage (die ersten beiden Fragen wurden problemlos gelöst) die Entscheidung bringen musste: der blinden Spieler Würtz nannte (bei der einfachsten Frage) blitzschnell die Farben und der Saal brach in begeisterten Applaus aus.
[Bild3] 1957 WDR: Blindpartie Unzicker (links) – Lothar Schmid (rechts)
In der Mitte Moderator Dr. Paul Tröger
In der zweiten Runde standen zwei Zuschauer, die sich nach der richtigen Lösung eines Zweizügers qualifiziert hatten: neben zwei unbekannten Schachfreunden war Schachspaltenleiter H. Klüver (ein "Großer" des Problemschachs) aus Hamburg mit von der Partie:
1.) Welcher deutsche König wurde beim Schachspielen
ermordet?
2.) Wie lautet der Weltrekord im Simultanspiel?
3.) Wieviel weißfeldrige Läufer kann Weiß gleichzeitig auf dem Brett haben?
4.) Wieviel Felder des Schachbrettes sind in der Ausgangsstellung von Figuren
frei?
5.) Nenne mindestens eine deutsche Ableitung aus der englischen Bezeichnung für
den Turm, also aus "rook"
Frage 1 wurde nicht richtig beantwortet (König Philipp von
Schwaben, 1208) und bei Frage 2 war zum damaligen Zeitpunkt der argentinische GM
Miguel Najdorf mit 250 Gegnern die richtige Lösung. Frage 3 war eine Art
Fangfrage: Man kann maximal neun weißfeldrige Läufer besitzen, einen "von zu
Haus aus" und acht durch Umwandlung der acht Bauern. Nach Beantwortung der
verbleibenden Fragen kam es zu Punktgleichheit zwischen Klüver und einem Mainzer
Studenten. Die Jokerfrage lautete: Stellen Sie einen Springer nach a1 und reiten
Sie über h1, h8, a8 nach a1 zurück. Wieviele Züge benötigen Sie dazu?
Beide Spieler fanden die richtige Antwort (20 Züge) nicht, doch Klüvers Lösung
(17) lag näher dran, sodass er im Finale neben Ehrengast Unzicker und Schorsch
Kieninger stand. Im Publikumssaal war zu diesem Zeitpunkt eine Bombenstimmung
und die Fragen wurden jetzt einen Zacken schwieriger als in den Vorrunden:
1.) In welchem berühmten Theaterstück gibt einer der Hauptfiguren eine für
ihn gewonnene Schachpartie auf?
2.) Sie spielen simultan. Unter den Gegnern ist eine besonders hübsche junge
Dame, der Sie gerne ein Remis schenken wollen. Aber sie will sich nichts
schenken lassen. Was tun Sie, um trotzdem ein Remis zu erzwingen?
3.) "Sorge bei Nacht, dass du das Licht zur linken Hand hast, bei Tage suche den
Gegner gegen das Licht zu setzen. Für den Gegner ist es schädlich, wenn er vor
dem Spiel stark gegessen und getrunken hat. Dauert aber das Spiel lang, so ist
es gut, etwas zu sich zu nehmen, damit man im Kopfe nicht schwach wird. Während
des Spiels trinke nur Wasser, nicht Wein."
Von wem stammt dieser Rat: a) von dem Araber Mutasim Billah (840), b) vo dem
spanischen Meister Lucena (1497) oder c) von dem früheren Weltmeister Aljechin?
4.) Welcher Unterschied besteht rein juristisch zwischen der Dame im Schach und
der Dame im Leben?
5.) Stellen Sie bitte auf! Weiß: Kc3, Te4, Dg5; Schwarz: Kf2, Lf1, f3 und setzen
Sie im 2. Zuge matt!
"Nathan der Weise" (Lessing) wurde als richtige Antwort auf Frage 1 am schnellsten von GM Unzicker beantwortet, auch auf Frage 2 hat er die galantere Antwort parat: "Ich entfessele einen wilden Angriff, aber immer so, dass ich ein ewiges Schach im Hintergrund habe. Wenn ich genug geopfert habe und die junge Dame schon glaubt, 'auf Gewinn' zu stehen, rette ich mich wie geplant. Meine hübsche Gegnerin aber erhält viele Glückwünsche, dass sie sicher gewonnen hätte, wenn dieses "blöde ewige Schach" nicht zufällig in der Stellung drin gewesen wäre." Der Punkt aus Frage 3 (Lucena) ging an Klüver. Bei der vierten Frage hatte Jurist Unzicker mit einem entzückenden Vortrag die Führung mit 3 Punkten vor Klüver 2,5 und Kieniger 1,5 in der Hand. Da die letzte Frage ein Problem war, schien alles klar für Klüvers Sieg. Da er den ihm natürlich bekannten Schlüsselzug im Geiste nochmals überprüfte, kam ihm Unzicker um Sekundenbruchteile mittels dem Ausruf "Te1" zuvor und siegte. Die Stimmung war so gut, dass den nachfolgenden "Steckenpferden" einfach Zeit abgezwackt und als Zugabe eine Blitz-Blindpartie zwischen Unzicker und Kieninger vorgeführt wurde.
Fundierte Kritik hatte er sich als Markenzeichen die Fahne geschrieben, sodass es auch (ganz im Stile der alten Meister) schon mal zu einem Briefwechsel zur Konfliktbeseitigung mit Lothar Schmid in den Deutschen Schachblättern kam. Dr. Paul Tröger erhält 1984 den Medienpreis des Deutschen Schachbundes [7].
On the board - die Erfolge auf dem Brett
Angefangen hat er als 15-jähriger beim SK Augsburg 1873 und verdiente sich alsbald nationale und internationale Anerkennung. Zwischen 1948 und 1976 nahm er zehnmal an den Deutschen Schachmeisterschaften teil [8] und während bei seinem Debut in Essen Wolfgang Unzicker mit 90% überzeugend gewinnen konnte, traf Tröger „nur“ auf Platz 8 mit knapp fünfzig Prozent ein. Doch er konnte sich neun Monate später in Bad Pyrmont zu den Meisterschaften 1949 stark steigern und belegte mit einem Punkt Rückstand hinter Bogoljubow den zweiten Platz (siehe Bild 3) - aber wiederum einen Punkt vor Lothar Schmid. Der große Wurf gelang ihm 1957 als er in Bad Neuenahr Deutscher Meister wurde. Überhaupt schien Tröger über unerschöpfliche Energiereserven zu verfügen, so hat er sich auch in starken Turnieren, wie z.B. wie z.B. Kirchheim/Teck, Bad Pyrmont und Kapfenberg als Sieger eingetragen, was in Anbetracht seiner gleichzeitigen beruflichen Tätigkeiten bemerkenswert ist. In den 50ern galt er neben Lothar Schmid und Wolfgang Unzicker zu bedeutendsten deutschen Schachmeistern. Er vertrat die bundesdeutschen Farben aber nur bei den Schacholympiaden 1958 (München) und 1962 (Warna), da Klaus Darga und später Helmut Pfleger neben Schmid und Unzicker den Vorzug genossen. 1962 war er Kapitän der Nationalmannschaft.
[Bild4] Platz 2 bei den Deutschen Meisterschaften 1949, hinter Bogoljubow
In der Bundesliga rückte er in seiner neuen Heimat Köln für den mehrmaligen deutschen Meister SG Porz [9] die Steine und leistete hier oft Erstaunliches.
Dr. Tröger in Porz
Tony Miles schaut Tröger über die Schulter
(Bilder aus Porz: HJ Ulrich)
Als Mitspieler konnte er den Mannschaftstitel 1966, 1979 und 1982 erringen. Zuvor war ihm das mit dem Münchner SC 1836 in den Jahren 1952 und 1953 gelungen. Er spielte bis 1988 in der Bundesliga! Das Ende 1990 ausgetragene 7. Leutascher Seniorenturnier dürfte die letzte Veranstaltung gewesen sein, bei der Tröger aktiv mitspielte: er wurde punktgleich mit dem Wertungssieger Dr. Rudolf Palme (Österreich) ungeschlagen Zweiter [10].
[Bild5] Zwischenrunde zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft 1971 in Heidelberg:
Die ersten drei Bretter der SG Porz (von rechts) Großmeister Dr. Hübner, Dr.
Tröger und der deutsche Meister Ellrich (später Rechtsanwalt in Köln)
"Dr. Tröger kombinierte wild und ausdauernd" [11] beschreibt das Magazin Caissa den Stil des Protagonisten dieses Artikels. Natürlich ein Grund Beispiele zu liefern: so ist einerseits das Remis bei den Mannschafts-Europameisterschaften 1961 in Oberhausen gegen Ex-Weltmeister Wassili Smyslow erwähnenswert, aber auch sein zweiter Schönheitspreis bei den Deutschen Meisterschaften 1949 in Bad Pyrmont sollte nicht in Vergessenheit geraten:
Niephaus,Walter - Troeger,Paul [A25]
GER-ch 13th Bad Pyrmont (12), 13.05.1949
[Original-Kommentar: Deutsche Schachblätter 07/1949]
1.c4 e5 2.g3 Sc6 3.Lg2 d6 4.Sc3 Le6 5.b3 Also wieder einmal "Doppelloch"! Einige Meister halten dies oder d3 für die richtige Spielweise, andere dagegen empfehlen 5. Sd5! als konsequenten Ausbau der weißen Läuferdiagonalen. 5...Dd7 Schwarz wendet ein von Fine in einer Wettkampfpartie mit Dake gewähltes System an, das zum baldigen Abtausch des Lh3 führt. 6.e3 e3 passt im allgemeinen selten zu g3, das ist eine alte Erfahrung. 6...Sge7 7.d4 Auch hier noch war 7. Sd5 sehr in Betracht zu ziehen, denn nun kommt Schwarz zu d6-d5 und damit zu einem vollwertigen Spiel. 7...exd4 8.exd4 d5 9.Sge2 Lh3! Die folgende Partiephase steht im Zeichen des Bd5, den Schwarz mit dem Textzuge zum Opfer anbietet. 10.Lxh3 Dxh3 11.Sf4 Weiß geht auf die Absicht des Gegners ein; solider geschah die Rochade. [sick! Diese ist nach den Schachregeln in diesem Falle gar nicht möglich (Große)] 11...Df5 12.g4!? Ein für den gelegentlich überscharfen Stil von Niephaus kennzeichnender Zug. Verständlich ist er freilich schon, denn das folgerichtige 12. Sfxd5 Sxd5 13. Sxd5 würde wegen De4+! 14. De2 Dxe2 15. Kxe2 Sxd4+ nebst 16... Se6 zu nichts führen. 12...Df6 13.Le3 Auch jetzt noch hatte 13. Sfxd5 Sxd5 14. Sxd5 De6+ 15. Le3 0–0–0 seine Bedenken für Weiß, der mit rückständiger Entwicklung und weißfeldrigen Schwächen zu rechnen hat. 13...0–0–0 14.h4 Weiß hat zu viele Bauern. Immerhin enthält der Zug eine kleine Drohung: fall nämlich Schwarz mit dxc4 auf Gewinn des Bauern d4 spielt, folgt 15. Se4! Dh6 16. g5 mit schwarzem "Damenmatt". 14...g6 15.Scxd5 Nun nimmt er doch den Bauern d5, aber noch immer hat er keine Freude daran. 15...Sxd5 16.Sxd5 De6 17.0–0 Bereits ein Notbehelf. Auch die lange Rochade, nach Vorbereitung, wäre bei der allseits gelockerten weißen Stellung bedenklich. 17...Lg7 18.Te1 h5! Ein Damen- und Qualitätsopfer zugleich, je nachdem, wie Weiß fortsetzt. Daß Dr. Tröger, dem zum alleinigen zweiten Platz ein halber Punkt genügte, so spielte und nicht etwa Dd7 zog, gereicht ihm zur Ehre. 19.Lh6 Wahrscheinlich war der Qualitätsgewinn doch besser, z.B. 19. Lg5 Dxg4+ (ob Schwarz nach Dd7 genügend Spiel für die Qualität hat, erscheint zweifelhaft), 20. Dxg4+ hg 21. Lxd8 Txd8! 22. Se7+ Sxe7 23. Txe7 Lxd4 24. Tf1! g3 25. Txf7 mit etwa gleichen Aussichten, oder 21... Kxd8 22. Tad1! Sxd4 23. Te4! und der Ausgang ist unklar. 19...Lxh6 20.Txe6 fxe6 21.g5 Lg7 22.Sf6 Lxf6 23.gxf6 Sxd4 Schwarz hat zwar nur Turm und Springer für die Dame, aber die weiße Dame findet keinen richtigen Standort und der Sd4 beherrscht das Brett. Den Bf6 kann Weiß natürlich nicht halten; sein Versuch, den Bg6 dafür einzutauschen, beschleunigt die unvermeidliche Krisis. 24.Dd3 Thf8! 25.f7 Txf7 26.Dxg6 Tf4! Das Eindringen des Turmes in Verbindung mit der gewaltigen Springerstellung entscheidet nun die Partie in wenigen, recht erbaulichen Zügen. 27.Dxh5 Txh4! 28.Dg6 Tg8+ darf er nicht zulassen. Auf 28. Df7 wäre Tdh8 29. Kg2 Tg4+ nebst 30... Th1# gefolgt. 28...Se2+! 29.Kf1 Sf4 30.De4 Die andere Deckung von h1, Dg1, wird mit Tdh8 beantwortet. 30...Td4! Eine originelle Stellung! Weiß kommt nicht dazu, den Ta1 ins Gefecht zu führen. 31.Df3 Th3 32.Dxh3 Erzwungen, doch hat Weiß nun eine Figur weniger für nichts. Sein noch lange dauernder Widerstand ist daher zwecklos. 32...Sxh3 33.Kg2 Sf4+ 34.Kf3 Sg6 35.Tg1 Se7 36.Tg7 Kd7 37.Ke3 Td1 38.f4 a5 39.Th7 b6 40.Ke4 Te1+ 41.Kf3 Kd6 42.Th2 Td1 43.Kg4 Sf5 44.Kg5 Sd4 45.Th8 Sc6 46.Th2 Sd4 47.Th8 Tg1+ 48.Kf6 Tg4 49.Td8+ Kc5 50.Kf7 Txf4+ 51.Ke8 c6 52.Kd7 e5 53.Te8 Tf7+ 54.Kc8 Kd6 55.Td8+ Ke6 56.Kb8 c5 57.Te8+ Kd6 0–1
Niephaus – Tröger, Deutsche Meisterschaft Bad Pyrmont 1949, Stellung nach 18… h5
Aber auch beim Zonenturnier 1960 in Budapest leitete er mit den schwarzen Steinen gegen Popow mit einem hübschen Damenopfer einen unwiderstehlichen Angriff ein:
Popow – Dr. Tröger, Zonenturnier Budapest 1960, Stellung vor 25… Sg5!!
25...Sg5 26.Sxd7 Sh3+ 27.Kh1 Lxd7 28.De2 Sxf2+ 29.Kg2 Se3+ 30.Dxe3 Lc6+ 31.Kf1 Sd1+ 32.Ke2 Sxe3 33.Kxe3 Lh6+ 34.Kd3 Tf2 35.Lc1 Lb5+ 36.Kc3 a5 37.Te5 Tc8+
0-1
[Bild6] Mit dem Schach ins hohe Alter gekommen
"Jedem eine Chance!"
Unter diesem Motto rief Tröger 1948/1949 den deutschen Pokal ins Leben, um die sportlichen Aspekte des Schachkampfes nicht in den Schatten zu stellen und wurde vom Fußball wohl zu seiner Idee inspiriert: "Pokal? Das riecht nach Sensation, nach k.o., nach Fußballplatz! Passen Pokalgedanke und Schach überhaupt zusammen? Gibt das nicht ein etwa sonderbares Gespann? Im Gegenteil! Laßt uns einmal neue Pferde anschirren und auf neuen Wegen fahren. Hier der Grundgedanke: Durcheinanderwürfeln aller Spielklassen, die Chance für jeden, das Sprungbrett für den Unbekannten - im Scheinwerfer der Öffentlichkeit, die auch dem Schach Interesse entgegenbringt, wenn es sich nicht nur in die Studierstube und in die Clubs verkriecht." [11] Entstanden war die Idee, als sich die Augsburger "Arbeitsgemeinschaft" von Caissa ("Der deutsche Schachmeister") in kleinem Kreise fragte, wie man Schach popularisieren könne und weshalb es immer in den Hintergrund gedrängt wird. Man wollte für damalige Turniergewohnheiten neue Wege suchen, welche den Versuch darstellten, das Schach aus seinem "Dornröschenschlaf" zu erwecken. Das Turnier, welches nicht an Startgeld oder irgendeine Mitgliedschaft gebunden war, wurde letztendlich von den Zeitschriften "Caissa" und dem Nürnberger „Sportmagazin“ ausgetragen, die auch das Siegerobjekt, den Caissa-Pokal – siehe Foto- und die Reisekosten für die 'letzten' 16 Teilnehmer sponserten. Tröger fungierte unter Mithilfe von F. Nürnberg, Augsburg als Turnierleiter und der Sieger war Lothar Schmid (damals Radebeul), der sich am 4. 3. 1950 im Taunushotel in Wiesbaden gegen Walter Niephaus (damals Wiesbaden)- nachdem über 1800 mehr oder weniger bekannte Spieler den Weg ins Finale suchten – durchsetzte [12].
Da die Finalpartie in der Megabase 2007 nicht vorhanden ist, hier der Nachdruck mit dem Original-Kommentar von Emil Joseph Diemer aus dem 2. April-Heft des Schach-Express 1950:
Über anderthalb Jahre war der Kampf um den deutschen Schach-Pokal im Gange, an dem über 1800 bekannte und oder mehr bekannte deutsche Schachspieler teilnahmen. Nach dem k.o.-System ausgetragen, blieben schließlich nur noch zwei übrig, Lothar Schmid (Radebeul) und W. Niephaus (Wiesbaden). Verdienter Sieger blieb L. Schmid, der damit alle bisherigen drei Begegnungen mit W. Niephaus zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Anmerkungen von Emil Joseph Diemer. 1.c4 e5 Immer wenn ich diesen Zug sehe, denke ich daran, daß vor noch gar nicht langer Zeit "tiefsinnige" Erörterungen darüber gepflogen wurden, ob, trotz "des Tempo weniger" gegenüber der Sizilianischen Partie, dieser Zug "korrekt" oder "unkorrekt" sei. Heute legt man glücklicherweise mehr Wert auf ein möglichst erfindungsreich behandeltes Mittelspiel, was auch dem Wesen des Schachspiels mehr entspricht. 2.Sc3 Sf6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.Sf3 d6 6.d4 Sbd7 7.0–0 0–0 8.e4 c6 9.h3 Te8 Nachher, wenn's "passiert" ist, ist es leicht, diesen Zug zu brandmarken, weil er nämlich in zwiefacher Weise Zeit kostet; Weiß bekommt den Zug Lc1–e3 sozusagen gratis und zum anderen ist der Turm auf e8 später einem Angriff ausgesetzt, der zu einer entscheidenden Verstärkung der weißen Position führt. Beides konnte mit sofortigem e5xd4 und Sd7-b6! vermieden werden, aber Niephaus träumte offenbar hier von einem möglichen Angriff in der e-Linie, zu dem es aber nie kommt. 10.Le3 exd4 11.Sxd4 Sb6 12.b3 d5 An dieser Stelle dürfte Niephaus den Vorstoss gewiß nicht mehr mit Überzeugung und reiner Freude getan haben. Aber was bleibt ihm sonst übrig, als sich Hals über Kopf in den Strudel wilder Abenteuer zu stürzen - zumal das ja zu seiner zweiten Natur geworden ist! 13.exd5 cxd5 14.c5! Peinlich, höchst peinlich! Nur merkwürdig, daß Niephaus, selbst Fachmann in solchen "Nadelstichen", damit offenbar nicht gerechnet hatte. 14...Sbd7 15.Sdb5 Se5 16.Sd6 Diagramm
Einen solchen idealen Vorposten möchte man sich immer wünschen! Und das gar noch
mit dem oben erwähnten Angriff auf den Unglücksturm auf e8! 16...Te7 17.Ld4
b6 18.Te1 Sc6 19.Txe7 Sxe7 20.Lxf6 Lxf6 21.Sxd5 Sxd5 22.Lxd5 Le6 Der
Jungmeister hat entschieden besser kombiniert und vor allem weiter in die
Zukunft gesehen. Denn 22... Lg7xa1 ist nichts weniger als ratsam wegen 23.
Dd1xa1, und Schwarz kann nicht gleichzeitig die Drohungen Ld5xa8 und 24. Ld5xf7
abwehren. 23.Lxe6 fxe6 24.Tc1 bxc5 Mit knapper Not hat Niephaus das
materielle Gleichgewicht wieder hergestellt. Aber seine Stellung spendet
trotzdem herzlich wenig Trost, sie besteht aus lauter "Löchern"; gegen den jetzt
heranrollenden Generalangriff gibt es kaum eine Parade mehr, zumal auch Zeitnot
ein gewichtiges Wort mitzureden beginnt. 25.Df3 Tb8 26.Sb7 Dd2 27.Td1 Dc2
28.Sxc5! Le7 Schwarz hätte jetzt froh sein sollen, mit 28... Dc2xc5 29.
Df3xf6 Dc5-c6 eine noch halbwegs haltbare Verteidigungsstellung einnehmen zu
können. Aber offenkundig wird Niephaus, wie schon so oft, ein Opfer seines
übertriebenden Optimismus. Er sah wohl schon in Gedanken seinen a-Bauern
marschieren! 29.Sxe6 Dxa2 30.Dc3 Lf8 31.Td7 Txb3 Beide waren hier in
hochgradiger Zeitnot, sonst hätte sich Lothar Schmid jetzt bestimmt nicht die
glanzvolle Kombination entgehen lassen: 32.
Td7-g7+! Kg8-h8 33. Tg7-f7+ Tb3xc3
34. Tf7-f8 matt. Das wäre der würdige
Abschluss dieser großen Partie gewesen. Es folgt aber: 32.Df6 Tf3 33.Dxf3
Dxe6 34.Txa7 h5 35.Db7 Aufgegeben. 1–0
[Bild7] Erster Deutscher Schachpokal
Tröger sah den Pokalwettstreit als "Feld der Jugend". Wie er weiter bemerkt: "Hier kann sie sich in den Vordergrund spielen. Sie braucht nicht lange und oft ermüdende Turniere zu spielen, sie kann ihre ganze Kraft auf eine entscheidende Partie konzentrieren." Die Turnierbedingungen waren wie folgt festgelegt: Paarungen und Anzug werden durch das Los entschieden und es wurde - dem Pokalcharakter entsprechend - nur eine Partie gespielt (45 Züge in zweieinhalb Stunden und 18 Züge für jede weitere Stunde), welche im Falle eine Remisschluss eine Blitzpartie (10 Minuten) als Entscheidungspartie bei Anzugswechsel vorgesehen hatte. Endete auch diese Partie unentschieden, wurde hier weitergespielt bis eine Entscheidung gefallen war. Seit 1952 wurde dem Gewinner des Pokalwettbewerbes mit der Teilnahme an den Deutschen Einzelmeisterschaften einen weiterer Anreiz geboten. 1968 bekam der Pokal einen neuen Namen: nach dem damaligen Präsidenten des DSB Emil Dähne, welcher einen Silbernen Turm in der Erstausführung 1952 Turm stiftete und wird auch heute noch unter diesem Namen alljährlich ausgetragen.
Abschlussworte
„Ich setze auf den Menschen, denn er hat eine Waffe, die sich wohl nie programmieren lässt, selbst vom größten Elektronengehirn nicht: seine Phantasie. Ich setze auf die Phantasie!“ [13] Dr. Paul Tröger. Am 20.01.1992 verstarb er.
[Bild8] Dr. Paul Tröger erwarb den Doktor der Philosophie. Seine Dissertation
„Zeitung und Leben“ schrieb er 1936.
Ich bedanke mich bei Friedhelm Sakowski, Berlin und Karl-Heinz Heimann, Nürnberg für ihre Hinweise, sowie bei Lothar Schmid, Bamberg für die Zusendung des Pokalfotos.
Frank Große, 2008, http://www.schachlinks.com
Quellen:
[1] Schwaben Augsburg,
http://www.tsv-schwaben-augsburg.de
[2] Alfred Diel, Schach-Report 12/1990
[3] Schach Report 02/1988
[4] Schach Report 06/1987
[5] Nachdruck in Rochade Europa 02/1981, 4. Sonderseite
[6] Rochade Europa 11/1986
[7]
http://www.schachbund.de/intern/referate/oeffentlichkeit/artikel/medien.html
[8] Schach Report 03/1992
[9] SG Köln-Porz,
http://www.sg-porz.de/
[10] Europa-Rochade 12/1990
[11] Caissa 04/1948
[12] Schach Express 2. April-Heft 1950
[13] Schach Report 12/1990
Bildnachweis:
[Bild1] Archiv
Kicker-Sportmagazin
[Bild2] Europa-Rochade 02/1984
[Bild3] Europa-Rochade 11/1986
[Bild4] Deutsche Schachblätter, 09/1949
[Bild5] Dr. Paul Tröger "Mein Schach-Lesebuch", 1983
[Bild6] Europa-Rochade 02/1988
[Bild7] Archiv Lothar Schmid
[Bild8] Schach Report 05/1988