Interview mit Arkady Dvorkovich

von André Schulz
27.03.2020 – In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Tass hat FIDE-Präsidenten Arkady Dvorkovich begründet, warum die FIDE das Kandidatenturnier überhaupt begonnen hat, und warum sie es abbrechen musste. Eine Verschiebung des WM-Kampfes Ende des Jahres ist keinesfalls geplant| Foto: FIDE

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Arkady Dvorkovich: "Wir sorgen für die sichere Rückkehr der Spieler in ihre Heimat".


Nach der Ankündigung der Regierung der Russischen Föderation, alle Flüge von und nach Russland ab dem 27. März auszusetzen, hat der Internationale Schachverband (FIDE) beschlossen, das Kandidatenturnier 2020 in Jekaterinburg abzubrechen. In einem Interview für die russische Nachrichtenagentur TASS erläuterte der FIDE-Präsident seine Entscheidung.


F: Hat die FIDE diese Entscheidung zum Abbruch des Turniers mit den Spielern diskutiert, was denken die Spieler?

Arkady Dvorkovich: Wir waren während der Veranstaltung täglich in Kontakt mit den Spielern und haben die ganze Zeit alle Risiken abgewogen. Die FIDE ist der Meinung, dass dies unter diesen Umständen die beste Vorgehensweise ist. Wir sind weiterhin bestrebt, das Schachspiel populär zu machen und die Stimmung in dieser schweren Zeit zu heben, aber wir haben immer gesagt, dass das Leben und die Gesundheit der Menschen für uns oberste Priorität ist.

F: Der Flugverkehr mit anderen Ländern wurde von Russland eingestellt. Wird es nicht ein Problem für die Spieler sein, nach Hause zu kommen?

Arkady Dvorkovich: Diese besondere Situation ist sehr plötzlich eingetreten. Wir tun alles, was wir können, um alle sicher nach Hause zu bringen. Die Flugtickets für alle Spieler und die meisten anderen am Turnier beteiligten Personen sind bereits gebucht und wir kümmern uns um die ganze damit verbundene Logistik. Die FIDE organisiert den Rücktransport und bezahlt alle Reisekosten. Wir arbeiten eng mit allen zusammen, um sicherzustellen, dass alles sicher und effizient abläuft.

F: Wird das Turnier Ihrer Meinung nach noch in diesem Jahr fortgesetzt und wann? Wird Jekaterinburg der Gastgeber bleiben?

Arkady Dvorkovich: Wir werden unser Bestes tun, damit alles so schnell wie möglich geregelt wird. Wir müssen uns dabei die Regeln halten und die Sicherheit und die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen. Wir sind zuversichtlich, dass das Turnier in Zusammenarbeit mit unserem Hauptpartner, das ist SIMA-land - noch in diesem Jahr fortgesetzt werden kann. Die Frage nach dem genauen Datum und dem Ort muss noch geklärt werden. Das werden wir machen, sobald sich die globale Situation stabilisiert hat.

F: Warum haben Sie sich entschieden, das Turnier zu starten, obwohl sich der Virus bereits überall auf der Welt verbreitet hat?

Arkady Dvorkovich: Das Kandidatenturnier ist ein sehr wichtiges Turniere für die Spieler und die ganze Schachwelt. Die Situation in Russland war zu Beginn des Turniers anders. Wir haben uns verschiedene mögliche Entwicklungen der Situation angesehen und auch eine Absage erwogen. Das Kandidatenturnier war aber im Hinblick auf die medizinischen Sicherheitsmaßnahmen gut vorbereitet.

Alle Spieler, Schiedsrichter und Mitarbeiter wurden zweimal täglich medizinisch untersucht, Tests zur Feststellung von COVID-19 wurden durchgeführt und alle Tests waren negativ.  Außerdem wurde den Zuschauern der Zutritt zum Spielsaal untersagt und die Interaktion zwischen den Spielern und den Medien auf ein Minimum reduziert.

Wir kamen dann aber zu dem Ergebnis, dass das heute Morgen verkündete Flugverbot von und nach Russland die Spieler und die anderen Beteiligten zu sehr unter Druck setzen würde, weil die Frage der Rückkehr nach Hause unklar sein würde. Leider hat sich das Szenario mit der Pandemie im negativsten Sinne entwickelt. Wir glauben deshalb, dass unsere Entscheidung, das Turnier zum jetzigen Zeitpunkt auszusetzen, richtig war. Auch hier tun wir alles, was wir können, um die sichere Rückkehr aller Beteiligten in ihre Heimat zu gewährleisten.

F: Gibt es für FIDE einen erheblichen finanziellen Verlust durch die Verlegung?

Arkady Dvorkovich: Das wichtigste Anliegen war und ist, dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten sicher sind und in ihre Heimat zurückkehren können. Die finanziellen Verluste sind minimal und spielen bei dieser Entscheidung definitiv keine Rolle. Unsere Partner zeigen großes Verständnis und wir sind dankbar für ihre Unterstützung.

F: Was glauben Sie, wie sich die Dinge im Hinblick auf die Pandemie entwickeln werden. 

Arkady Dvorkovich: Es ist schwierig das abzusehen. Niemand weiß, wie lange die akute Phase der durch das Coronavirus verursachten Krise dauern wird. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wie lange alle Veranstaltungen verschoben werden sollten - 2-3 Monate oder sechs Monate bis zu einem Jahr. Ich glaube, dass wir mit gemeinsamen Anstrengungen aller Staaten und mit entschiedenen Maßnahmen in der Lage sein werden, die Pandemie zu besiegen. Natürlich wird es danach eine etwas andere Welt sein, aber wir werden stärker sein.

Die Zeit wird jetzt von der FIDE genutzt, um neue Wege und Ideen zu suchen und die Beziehungen zu den nationalen Verbänden auszubauen, Partnerschaften zu stärken und Erfahrungen auszutauschen. Jetzt müssen wir die neuen Online-Formate nutzen, um mit den vorhandenen und potentiellen Schachfans zu kommunizieren. Wir werden daher unsere Online-Aktivitäten verstärken und mehr tun, um das Schachpublikum durch Training, Turniere und Konferenzen für unsere Online-Dienste und Plattformen zu gewinnen.

Dies sind herausfordernde Zeiten, aber wir sehen dies als eine Chance und wollen unser Bestes tun, um der Schachgemeinschaft zu helfen und das Spiel zu fördern.

F: Und eine wichtige Frage noch zum Wettkampf um die Weltmeisterschaft. Wird das Match auch verschoben?

Arkady Dvorkovich: Das Match soll Ende des Jahres stattfinden Von einer Terminänderung kann keine Rede sein.

Übersetzt von André Schulz

 

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Originaltext auf der FIDE-Seite...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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