Ist Profischach in Deutschland möglich?

von André Schulz
23.11.2015 – Wir haben zu einer Diskussion über die Rolle des Schachs und die Talentförderung in Deutschland angeregt. Eine Reihe von Schachfreunden habe sich geäußert. Inzwischen haben die deutschen Mannschaften in Reykjavik gezeigt, dass das deutsche Schach spitze ist, zumindest in der Mannschaft. Warum sollte das nicht auch im Einzelsport möglich sein? Diskutieren Sie mit. Mehr...

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Anlässlich des Titelgewinns von Roven Vogel bei der U16-Weltmeisterschaft in Porto Carras und der kritischen Anmerkungen seiner Eltern haben wir zu einer Diskussion über die Rolle des Schachs in Deutschland angeregt. Wie ist die Situation in den Vereinen? Wie wird Nachwuchs gewonnen? Wie werden die Talente gefördert? Lohnt sich das Leben als deutscher Schachprofi überhaupt?

 

Es gab dazu einige Meinungsäußerungen (s.u.). Hier die Standpunkte und Argumente kurz zusammengefasst:

1. Das Leben als Schachprofi in Deutschland lohnt sich nicht. Wer eine gute Ausbildung hat, sollte besser einen  "normalen" Beruf ergreifen.

2. Wer im Schach besser werden will, muss für sich selber sorgen. Ein öffentliches Interesse gibt es nicht. Schach ist kein Zuschauersport.

3. Schach ist eine Randsportart, als solche kaum bekannt und kann nur als Hobby betrieben werden.

4. Mit einem Prämiensystem könnte man Talente besser erfolgsorientiert unterstützen. Wer gute Erfolge aufweist, wird von den Verbänden unterstützt

5. Da es keinen deutschen Weltklassespieler gibt, hat die bisherige Schachförderung offenbar versagt. 

6. Die internationalen Rahmenbedingungen mit zweifelhaften Strukturen in den Verbänden sind nicht geeignet das Schach zu fördern.

 

Wir danken für diese Meinungsäußerungen. Zu jedem Argument gibt es natürlich auch Gegenargumente. Schaut man sich einige Spitzenspieler an, so kann man vermuten, dass man sogar sehr gut vom Schach leben kann, selbst dann, wenn man nicht zur absoluten Weltspitze gehört. Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura, Fabiano Caruana, Anish Giri, Maxime Vachier-Lagrave oder Michael Adams gehören zu den Besten der Welt, kommen weder aus einem Entwicklungsland, noch aus dem Osten und leben sehr gut vom Schach.

Wenn es deutsche Spitzenspieler gibt, die um die Weltmeisterschaft mitspielen, wird es auch ein öffentliches Interesse geben. Die deutschen Schachfreunde müssen ebenfalls ein Interesse an starken einheimischen Spitzenspielern haben. Denn nur diese können als Vorbild dienen und Nachwuchs anlocken. Ohne Nachwuchs veröden die Vereine, Mitglieder und Beiträge nehmen ab und ohne Vereine gibt es keine Verbände mehr.

Vielleicht können junge Spieler, Eltern, Jugendtrainer und Funktionäre in den Verbänden einmal aus eigener Erfahrung berichten, wie sie die Talentförderung sehen, wie ihre persönlichen Erfahrungen sind, ob und was man besser machen könnte.

 

 

 

Bisherige Meinungsäußerungen:

flachspieler 19.11.2015 01:34
Wenn man die weltweite Schachszene betrachtet, macht es nur für Talente aus armen Ländern Sinn, den Weg einer Profikarriere zu gehen. Wer bei uns in Deutschland aufwächst und einen guten Schulabschluß hatte, wird gutes Geld viel leichter verdienen, wenn er eine bürgerliche Berufsausbildung macht und Schach als Hobby betreibt. In Westdeutschland gab es zwischen  1945 und 1980 eine Reihe sehr guter Grossmeister, die es so gemacht haben: Wolfgang Unzicker, Lothar Schmid, Klaus Darga, Helmut Pfleger, Hans-Joachim Hecht ...
Wer sich entscheidet, Schachspiel als Profi zu betrieben, sollte sich auch anschauen, wie sich typische 50-jährige Berufsschachspieler durchschlagen.

Krennwurzn 19.11.2015 01:48
Spitzensport wird immer brutaler und mit Fischer hatten wir den ersten WM ""ohne"" Schulbildung!
Das Problem ist mM nicht der Einstieg sondern der AUSSTIEG! Wir dürfen nicht "ewigen" Talenten nachhängen, sondern die knappen Mittel auf wenige Chancen konzentrieren und nicht erfolgversprechende schneller kappen. Ganz brutal und übertrieben gesagt: wer mit 15 nicht GM ist und fast 2600 Elo hat - aus dem wird nichts mehr! -> keine öffentlichen Gelder mehr oder kein gutes Geld schlechten Erfolgsaussichten nachwerfen.
Spitzensport wird immer brutaler ... und mit romantischen Vorstellungen kommen wir da nicht weiter als zu endlosen Tagträumereien!

 

melik 19.11.2015 02:19
Erstmal möchte ich Roven Vogel zum Weltmeistertitel gratulieren!
Ich bin selbst leidenschaftlicher Schachspieler und würde, wie jeder, gerne besser spielen.
Das kann ich natürlich mit einem Trainer besser, als alleine.
Das kostet Geld und ich muss die Trainerstunden selbst bezahlen. Genauso ist es bei allen anderen Spielern. Es wäre jetzt für die Familie Vogel schön, wenn sie einen Sponsor hätten, der für die Kosten aufkommt. Aber wieso sollte das Jemand machen, ausser dass er vielleicht in ein paar Jahren sagen kann dass er "damals" den jungen Vogel unterstützt und zu einer Karriere als Schachprofi geführt hat?
Es ist doch genauso schade, dass ein GM mit Elo 2600 in mehreren Ligen in Europa spielen muss, damit er sich den Lebensunterhalt einigermaßen finanzieren kann oder?
Aber Schach it halt leider kein medienwirksames Spektakel.
Wie knapp das Geld ist zeigt doch auch, dass an der Schach EM Bulgarien und Israel mit dem Vizeweltmeister Boris Gelfand die Mannschaften nicht finanzieren konnten.
Wenn man bedenkt, wie wenig das kostet ein echter Witz!
Die einzige Lösung: Reich sein oder sich an den Tropf eines Mäzens hängen, der nach Lust und Laune sein Geld gibt oder eben nicht. Was dabei rauskommt, sieht man leider an diversen BL Vereinen.

 
Fränzchen94 19.11.2015 03:12
Schach ist in der Krise, nicht nur in Deutschland. Die Gefahr besteht, dass das Spiel irgendwann ausanalysiert ist und dann ist es nicht mehr unser Spiel. Natürlich gibt es derzeit noch viel zu entdecken und es lebt von den menschlichen Fehlern bzw. geistigen Fähigkeiten, aber die Tendenz ist eindeutig. Eines Tages könnte Schach in dieselbe Kategorie wie Go oder Dame fallen, nämlich in die der Brettspiele und damit außerhalb der Sportarten.

Schach ist und bleibt ein schönes Spiel, doch es sollte auch nur ein Hobby sein. Andere Sportarten polarisieren in Deutschland einfach mehr und dort ist man auch erfolgreicher. Deshalb wird mehr in sie investiert. Natürlich kann man auch Titel gewinnen und erreichen, Internationale Meister und Großmeister werden immer noch genug. Doch ist dies ähnlich zum Judo oder Karate, bei denen es verschiedene Gürtel als Auszeichnungen bzw. Titel gibt. Doch wird man damit Profi? Nicht zwangsläufig... Außerdem besteht die Frage, ob das Leben als Schachprofi wirklich so schön ist, doch das ist dann wohl wieder eine andere Debatte...
 

 

knight100 19.11.2015 03:16
viell. wäre ein gewisses anreizsystem in unteren AKs sinnvoll. (...du bekommst ehre, preise, trainer, reiseunterstützung, etc., wenn du gewisse normen/vorgaben schaffst). quasi umgedreht: nicht investieren und gucken, was dann rauskommt, sondern größte unterstützung hart verdienen/erarbeiten lassen. 

nicht zu unterschätzen ist viell. auch ein gewisser zufallseffekt. um "oben" zu spielen ist neben gewissen physischen fähigkeiten eine gewisse charakterliche (psychologische) voraussetzung notwendig. (besessenheit, askese, unbändiger trainingswille mit freude) - solche ausnahmecharaktere treten dann und wann verteilt in der welt auf und lassen sich schlecht ranzüchten (noch schlechter in unserer gesättigten gesellschaft). viell. sollten sich mal scouts im verhaltensauffälligen millieu (bei kindern) umschauen und sie zum schachspielen bringen (therapiewirkung).

DoktorM 19.11.2015 09:57 1.
1. Aus einem einzelnen Erfolg sollte man nicht zu viel ableiten. Insbesondere gilt das für sehr junge Spieler/Spielerinnen, aus denen dann schachlich doch nichts geworden ist, trotz jahrelanger Förderung.
2. Irgendein Titelgewinn, der - sind wir ehrlich - kaum einen interessiert, sollte nicht dazu führen, gleich alles in Frage zu stellen oder Ansprüche zu stellen.
3. Schachprofi ist für die meisten Menschen kein Ziel. Denn dann muss man Schach spielen, auch wenn man keine Lust dazu hat. Zudem gibt es weitaus spannendere und abwechslungsreichere Bereiche. So ein Schachbrett ist doch eine arg kleine Welt.
4. Soll das Ziel ein Weltklasse-Spieler sein? Dann hat in Deutschland die Schachförderung versagt. Die Fragen wären dann: (1) Hat man die Falschen gefördert? (2) Hat man falsch gefördert? (3) Hätte man das Ziel überhaupt erreichen können?
5. Deutschland hatte früher einige Weltklassespieler. Vielleicht sollte man sich anschauen, wie diese trainiert haben.

Klaus Wockenfuß 20.11.2015 02:38

Schach ist in Deutschland nicht gerade populär. Im Berufsleben hab ich festgestellt. dass es als "Interessengebiet" von Kollegen so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen wird, es gab sogar Gegner. Deutsche Frauen wissen zu 96 Prozent nicht mal, um was es sich handelt ,,,
Wie soll sich da etwas entwickeln-

 
fuckfide 20.11.2015 08:43
Mein Tipp: Erspart euren Kindern die FIDE und die ECU mit ihren kriminellen Spitzen "His Excellency"Kirsan ILYUMZHINOV und Zurab AZMAIPARASHVILI sowie ihren korrupten Vasallen, vornehmlich aus Osteuropa.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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