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Judit Polgars ältere Schwester, Susan Polgar, war die erste Frau, die das Vorurteil, dass Frauen nie so gut Schach spielen könnten wie Männer, in Frage stellte. Das führte unter anderem zu einem der merkwürdigsten Vorgänge in der an merkwürdigen Begebenheiten nicht armen Geschichte der FIDE: dem berüchtigten Zuschlag von 100 Gratis-Elo-Punkten für alle Spielerinnen - außer Susan. 1986 war Susan die Nummer eins der Frauenweltrangliste, doch stellte noch keine ernsthafte Konkurrenz für die Männer dar, die so weiter ihre Vorurteile pflegen konnten, dass Frauen "von Natur aus nicht so gut Schach spielen können wie Männer". Das änderte sich 1988 und 1989.
Bei der Schacholympiade 1988 in Saloniki verjüngte Ungarn das Frauenteam radikal und trat mit einem Team an, das aus Susan, Judit und Sofia Polgar sowie Idliko Madl bestand. Das sorgte für enormes Aufsehen und schon bald sprach die Presse von "Polgarien". Dabei gab es vor Beginn der Olympiade zahlreiche skeptische Stimmen, die diese Mannschaft als wenig mehr als einen Publicity-Gag ansahen.
So äußerte sich Eduard Gufeld, sowjetischer GM und Trainer der sowjetischen Frauenmannschaft, vor der Olympiade abschätzig über die Geschwister Polgar. "Ich glaube, das schnell aufgebaute Image dieser Mädchen wird im Verlauf der 28. Olympiade beträchtlich zurechtgerückt werden", erklärte er. "Nachher werden wir wissen, ob die drei Schwestern aus Ungarn Genies oder einfach nur Frauen sind!"
Auf der damals noch alle sechs Monate veröffentlichten Weltrangliste hatte Judit eine Zahl von 2365. Sie spielte an Brett zwei und am Ende des Turniers wünschten sich Gufeld und andere Skeptiker wahrscheinlich, ihre harschen Worte wären ungesagt geblieben. Mit einer souveränen Vorstellung gewann Ungarn nicht nur die Goldmedaille, sondern Judit Polgar kam mit einem überragenden Ergebnis von 12,5 Punkten aus 13 Partien am zweiten Brett auch auf eine Elo-Performance von 2694 - dabei war sie gerade einmal zwölf Jahre alt. Und das war 1988, als überhaupt nur zwei Spieler eine Elo-Zahl von mehr als 2700 hatten: Kasparov und Karpov.
Judit Polgar und ihre Schwestern bei der Schacholympiade 1988
Dieses und weitere Ergebnisse machten Judit Polgar zum größten Wunderkind der Schachgeschichte, sogar besser als Spieler wie Capablanca, Reshevsky und auch Karjakin, den jüngsten Großmeister in der Geschichte der FIDE. Das ist keine Floskel, sondern lässt sich durch Zahlen belegen. Capablanca wurde mit zwölf kubanischer Meister, wobei der Gewinn dieses Titels bei manchen Schachhistorikern umstritten ist. Wie auch immer, trotz dieser Leistung gehörte er auch nach seinem Titelgewinn noch nicht zu den besten Spielern der Welt. Reshevsky war bereits in sehr jungen Jahren ein anerkannter Meister, der Spieler der ersten Kategorie sogar bei Simultanvorstellungen schlagen konnte, aber er verwirklichte sein Potenzial erst später. Sergey Karjakin hat die am besten dokumentierte Karriere der Anwärter auf den Titel des größten Wunderkinds: Als er zwölf war, hatte er bereits über 2500 Elo und war Großmeister, aber erst 2005, als er schon 15 war, schaffte er es unter die Top 100, denn damals brauchte man dazu mindestens 2600 Elo und über ein Dutzend Spieler kamen auf 2700 Elo-Punkte und mehr. Hier zeigt sich Judits einzigartige Stellung besonders deutlich.
In der Weltrangliste vom Januar 1989 führte Garry Kasparov mit 2775 Punkten vor Anatoly Karpov mit 2750 und Nigel Short mit 2650 Punkten. Weiter unten, auf Platz 57 der Weltrangliste, lag... die 12-jährige Judit Polgar mit einer Elo-Zahl von 2555. Damit war sie die erste und 25 Jahre lang die einzige Frau unter den Top 100 der Weltrangliste. Von da an gehörte sie immer zu den Top 100 und später schaffte sie es auch einmal unter die Top 10. Die Vorstellung, dass Frauen nicht mit den besten Spielern der Welt mithalten konnten, war für immer erschüttert.
Bei der Olympiade 1990 ging "Polgarien" wieder an den Start, wobei viele Schachfans gehofft hatten, Judit würde in Ungarns Herrenmannschaft spielen. Doch damals untersagten die FIDE-Regeln, dass Frauen an Männerwettbewerben teilnehmen konnten. Allerdings war die FIDE beileibe nicht der einzige Verband mit solch diskrimierenden Regeln. So dauerte es bis 1984, bis es bei Olympischen Spielen einen Frauenwettbewerb im Marathon gab. Vorher hatte man immer wieder Gründe gegen solche Wettbewerbe gefunden: Man behauptete, Frauen wären entweder generell zu schwach für einen Marathon oder es hätte fatale Folgen, wenn Frauen eine solche Strecke laufen würden. Im Schach war es Judit Polgar, die solche Vorurteile mit Ergebnissen widerlegte, die man nicht ignorieren konnte. In Novi Sad 1990 gewann die Ungarinnen nicht nur die Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb, sondern außerdem holten alle drei Polgar-Schwestern auch noch drei Mal Gold für das jeweils beste Einzelergebnis am ersten, zweiten und dritten Brett.
Ein Video der Polgar-Schwestern bei der Olympiade 1990 in Novi Sad
1991 brach Judit einen Rekord, der 1958 aufgestellt worden war: Bobby Fischers Rekord als jüngster Großmeister aller Zeiten. Obwohl später noch andere Spieler noch jünger waren, als sie Großmeister wurden, war Judit doch diejenige, die den Rekord brach, der 32 Jahre Bestand gehabt hatte. Natürlich hatte sie schon lange vorher Großmeisterstärke, denn seitdem sie drei Jahre zuvor in die Top 100 vorgestoßen war, hatte sie immer zu dieser illustren Gruppe gehört.
Ein kommentierte Partie - Judits brillanter Schwarzsieg gegen 1994
Im Januar 1996 brach sie einen weiteren Rekord: Mit 19 Jahren und einer Elo-Zahl von 2695 schaffte sie es als erste Frau unter die besten zehn der FIDE-Weltrangliste.
1998 spielte Judit ein Acht-Partien-Schnellschachmatch gegen FIDE-Weltmeister Anatoly Karpov.
Bei einer Bedenkzeit von 30 Minuten pro Partie und Spieler schlug sie Karpov mit 5-3.
Bei der Olympiade 2000 in Istanbul spielte Judit Polgar im Herrenteam Ungarns an Brett drei und holte mit einer Elo-Performance von 2772 10 Punkte aus 13 Partien und schrammte sowohl im Mannschaftswettbewerb und bei der Brettwertung nur knapp am Gewinn der Bronzemedaille vorbei. Bei der Olympiade 2002 in Bled spielte sie am zweiten Brett und gewann mit 8,5 aus die Bronzemedaille für das das drittbeste Ergebnis am zweiten Brett. Zugleich trug sie entscheidend dazu bei, dass Ungarn die Silbermedaille gewann, Ungarns bestes Olympiaergebnis seit mehr als 20 Jahren.
Beim Gewinn der Silbermedallie in Bled 2002 schlugen die Ungarn auch die übermächtigen Russen, die mit Kasparov am Spitzenbrett spielten
Doch Vorurteile sind hartnäckig und auch Garry Kasparov erklärte, nachdem man ihn gefragt hatte, wie sich seine abfälligen Bemerkungen über das Frauenschach mit Judits Erfolgen vereinbaren lassen, dass sie Erfolg hatte, weil sie spiele "wie ein Mann". Dennoch, bei Eliteturnier in Linares 2001, das doppelrundig gespielt wurde, und an dem Kasparov, Karpov, Shirov, Grischuk und Lékó teilnahmen, remisierte Polgár ihre beiden Partien mit Kasparov. Unter Turnierbedingungen im klassischen Schach war ihr das vorher noch nie gelungen, doch 2002, beim Kampf Russland gegen den Rest der Welt, gewann Judit Polgar endlich gegen Kasparov. Mit diesem Sieg trug sie zum 52:48 Wettkampfsieg ihrer Mannschaft bei und zugleich war dies ein historisches Ereignis, denn das erste Mal in der Geschichte des Schachs gewann eine Frau gegen die amtierende Nummer eins der Welt in einer Turnierpartie.
Video von Judit Polgar während des Wettkampfs Russland gegen den Rest der Welt. Zu sehen ist auch ihr historischer Sieg über Kasparov
Im Januar 2003 durchbrach Judit als erste Frau die Marke von 2700 Elo und lag auf Platz 14 der Weltrangliste, aber durch ihre anhaltend gute Form lag sie im Januar 2008 mit einer Elo-Zahl von 2722 bereits auf Rang acht der Weltrangliste. Im Juli 2005 schraubte sie ihre Ratingzahl schließlich auf 2735 Punkte hoch, die höchste Elo-Zahl, die sie je erreicht hat. Und das, obwohl sie im Frühjahr 2004 ihren ersten Sohn, Oliver, zur Welt gebracht hatte.
2003 erzielte sie auch eins der besten Ergebnisse ihrer Karriere: In Wijk aan Zee landete sie einen halben Punkt hinter Anand, aber vor Kramnik, Grischuk, Topalov, Karpov, Ivanchuk, Radjabov, Ponomariov und vielen anderen. Natürlich hat sie eine ganze Reihe weniger prestigeträchtiger Turniere gewonnen, aber in diesem Turnier ließ sie zahlreiche Schachgiganten hinter sich und zeigte so einmal mehr, dass Frauen auch ganz oben mit den Männern mitspielen können.
Gegen Anatoly Karpov fand sie eine Neuerung am Brett und gewann eine phantastische Partie.
Hier analysiert sie ihre Partie anschließend für das Publikum. Dies ist der erste Teil der Analyse der Karpov-Partie.
Hier Teil zwei ihrer Gewinnpartie gegen Karpov
2011 zeigte sie bei der Europameisterschaft noch einmal ihre Klasse, denn obwohl sie in den Jahren zuvor nur noch wenig gespielt hatte, landete sie im Open, in dem nicht weniger als 167 Großmeister an den Start gegangen waren, die Plätze eins bis vier zusammen mit drei anderen Spielern. Im Tie-Break holte Vladimir Potkin Gold, Radoslaw Wojtaszek gewann Silber und Judit Polgar Bronze.
Judits geteilter erster Platz bei der Europameisterschaft stellte einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Frauenschachs dar
Bei der Schacholympiade 2014 erklärte sie ihren Rückzug vom Turnierschach und sorgte mit dem Gewinn der Silbermedaille für Ungarn, ihrer zweiten Silbermedaille im Mannschaftswettbewerb, für einen einzigartigen Abschied.
In den letzten Jahren haben die Polgar-Schwestern unermüdlich für das
Aquaprofit-Polgar Chess Festival eingesetzt, das Schach auf einzigartige Weise fördern will. Siehe Video.