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Fotos (soweit nicht anders vermerkt): Klaus Besenthal
Die Entscheidung über den neuen deutschen Meister
Der Auftakt zur neunten und letzten Runde: Am Spitzenbrett eröffnete der Präsident des Deutschen Schachbundes Herbert Bastian die Partie zwischen Daniel Malek und Rasmus Svane mit dem ersten Zug. Rechts der Lübecker Ullrich Krause, Präsident des Schachverbands Schleswig-Holstein. Auf dem Plakat des Sponsors: ex-Fußballer Christoph Metzelder... (Foto: Jan-Henrik Plackmeyer)
Nach der gestrigen 8. Runde hatte der Elofavorit Rasmus Svane seine Führung von einem halben Punkt trotz eines Remis gegen Björn Bente, seinen Klubkameraden vom Hamburger SK, behaupten können. Die Verfolger Sergej Kalinitschew und Alexander Gasthofer hatten sich - aus Svanes Sicht - praktischerweise ebenfalls unentschieden getrennt. Das war also die Ausgangslage vor der Schlussrunde: Svane 6,5 Punkte, Kalinitschew 6 Punkte, Gasthofer 5,5 Punkte. Der neue deutsche Meister würde letztlich aus dem Kreis dieser drei Spieler kommen müssen.
Spitzenpaarung der 9. Runde: Daniel Malek - Rasmus Svane. Malek ist zwar "nur" FM, hat aber eine Elozahl oberhalb von 2.400 Punkten - die Partie würde kein "Selbstgänger" für Svane werden. Eigene Titelchancen hatte Malek mit seinen 5 Punkten nicht mehr. (Foto: Jan-Henrik Plackmeyer)
Tisch 2: Thilo Kabisch und Sergej Kalinitschew. Kalinitschew benötigte einen Sieg, um Svane noch einmal angreifen zu können.
Tisch 3: Björn Bente und Alexander Gasthofer. Gasthofer hätte nur mit einem Sieg noch eine minimale Titelchance gehabt - die von Bente gewählte Französische Abtauschvariante ließ entsprechende Ambitionen aber gar nicht erst aufkommen. Bei vollem Brett einigte man sich in symmetrischer Stellung auf ein frühes Remis. Die Entscheidung über den neuen Deutschen Meister würde definitiv zwischen Svane und Kalinitschew fallen.
Björn Bente vom Hamburger SK hatte sich als Deutscher Pokalsieger 2015 für die DEM 2016 qualifiziert.
Es wurde auf ungeahnte Weise hochspannend. Sergej Kalinitschew stand gegen Thilo Kabisch eigentlich klar auf Verlust, doch der spielte plötzlich zu kraftlos. Kalinitschew konnte diese kritische Situation nicht nur überstehen, sondern erreichte gar ein Endspiel, das für ihn einfacher zu führen war als für seinen Gegner. Beide griffen noch mehrmals kräftig fehl, aber nachdem Kalinitschew den richtigen Plan dann doch noch gefunden hatte, stand seinem Sieg nichts mehr im Wege:
Rasmus Svane brauchte jetzt einen Sieg, denn in der "Feinwertung" sah es nicht gut für ihn aus, und das dürfte ihm bewusst gewesen sein. Doch wie gewinnt man ein Endspiel, in dem beide Seiten nur noch einen Springer haben, in dem beide Seiten eine gesunde Struktur haben, in dem beiden Seiten ihren König bereits zentral aufgestellt haben, in dem keiner einen Freibauern bilden kann? Richtig: Es geht nicht. Interessant daran war, dass weder Rasmus Svane noch Daniel Malek Remis anbieten wollten - sie wiederholten die Stellung nicht dreimal, sondern gleich achtmal, bevor es dann doch zur Teilung des Punkts kam. Die Motivation? Spekulieren wir einfach: Svane wusste, er würde so nicht Meister werden können, also überlegte er immer wieder, ob es nicht doch noch irgendwie anders gehen würde; Malek hoffte vielleicht einfach auf (zu) leichtsinnige Gewinnversuche seines Gegners, die letztlich ihn begünstigen würden. Am Ende behielten dann - wie gesagt - beide die Nerven.
Neuer deutscher Meister jedoch war plötzlich Sergej Kalinitschew!
Siegerehrung: Karsten Schulz (3. Platz), Sergej Kalinitschew, Rasmus Svane (v.l.n.r.) (Foto: Jan-Henrik Plackmeyer)
Partien
Pressespiegel auf der Turnierseite...
Turnierseite des Schachbundes...
Der eine oder andere hatte sich im Vorfeld der Meisterschaft darüber mokiert, dass "kaum Großmeister daran teilnehmen" würden. Der Grund: fehlende Startgelder und Siegprämien. Sportlich gesehen stimmt das sicherlich, aber eine Deutsche Meisterschaft bleibt letztlich eine Deutsche Meisterschaft, egal, wer teilnimmt! Und vielleicht wird ja mancher derer, die nicht gekommen waren, nach einem kleinen virtuellen Rundgang durch Lübeck mit seiner Entscheidung auch nicht mehr so ganz zufrieden sein:
Das Holstentor ist Lübecks bekanntestes Bauwerk. Rechts daneben: St. Petri und die "AltenSalzspeicher". Auf dem Weg zum Spielort dürfte jeder Teilnehmer der DEM hier vorbeigekommen sein, egal, ob er mit der Bahn oder mit dem Auto angereist war.
Das Holstentor bildet den westlichen Zugang zur von der Trave umschlossenen "Altstadtinsel", die in ihrer Gesamtheit seit 1987 zum "UNESCO-Welterbe" gehört.
Wer sich die schönen alten Gebäude nicht immer nur von außen ansehen möchte, der kann ins Buddenbrookhaus in der Mengstraße gehen, das an den "größten Sohn" der Stadt Lübeck erinnert: den Dichter und Nobelpreisträger Thomas Mann. Das Haus musste nach dem Krieg wieder aufgebaut werden, ist also nicht "richtig alt". Bis ins 19. Jahrhundert hatte die Familie Mann hier ihren Wohnsitz.
Ein weiterer Literatur-Nobelpreisträger mit Lübeck-Bezug war Günter Grass, der die letzten 20 Jahre seines Lebens "bei Lübeck" gewohnt hatte. Auch ihn ehrt die Stadt mit einem Museum, dem "Günter-Grass-Haus".
Und gleich noch ein Nobelpreisträger: Der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt wurde 1913 in Lübeck geboren. Das "Willy-Brandt-Haus" in der Königstraße ist baulich mit dem um die Ecke in der Glockengießerstraße gelegenen Grass-Haus verbunden.
Das Brandtsche Geburtshaus in der Meierstraße wird auch heute noch als Wohnhaus genutzt. An den Friedensnobelpreisträger erinnert eine an der Fassade angebrachte Gedenktafel.
Wir nähern uns nun dem Ort des schachlichen Geschehens! Das Holiday-Inn-Hotel liegt in zentraler Lage...
... unmittelbar vor dem Burgtor, das den nördlichen Zugang zur Altstadtinsel bildet.
Folgt man der Travemünder Allee, in der das "Holiday Inn" gelegen ist, Richtung Norden, dann erreicht man Travemünde, das politisch zur Hansestadt Lübeck gehört. Eine Großstadt mit eigenem weißem Sandstrand - das gibt es nicht so oft! Nicht wenige Lübecker genießen das noch ein bisschen mehr als der gemeine Autofahrer: Sie leisten sich ein kleines Motorboot wie auf unserem Foto, mit dem man die Trave hinab von der Altstadt direkt zum Strand fahren kann.
Das "Holiday Inn" war der perfekte Austragungsort für ein Schachturnier: Speis'...
... und Trank wurden von dem freundlichen Hotelpersonal zur bequemen Selbstbedienung bereitgestellt.
Auch der Spielsaal ließ keine Wünsche offen: bequeme Möbel, viel Platz, gute Beleuchtung, dicker Teppichboden.
Die Deutsche Meisterschaft hätte gar nicht stattfinden können, wenn es nicht das herausragende ehrenamtliche Engagement der vielen Helfer gegeben hätte. Nur ein paar Beispiele, die stellvertretend für alle anderen stehen mögen:
Thilo Koop (links), 1. Vorsitzender des Lübecker Schachvereins von 1873, Ullrich Krause, Präsident des Schachverbands Schleswig-Holstein, ...
... hier gemeinsam mit Jan-Henrik Plackmeyer.
Jan-Henrik Plackmeyer: Der in Lübeck aufgewachsene Journalist hatte bereits im Vorfeld gemeinsam mit seiner Kollegin Anne Fidelak das Begleitheft zur DEM erstellt. Während des Turniers war er nicht nur als Fotograf aktiv, sondern hat sich um eine Vielzahl organisatorischer Details gekümmert.
Die Schiedsrichter (links Bundesturnierdirektor Ralph Alt, in der Mitte Gerhard Meiwald) bekamen vor der 9. Runde von LSV-Chef Thilo Koop jeweils eine Schachtel mit Lübecker Marzipan überreicht - als kleine Anerkennung für den reibungslosen Turnierverlauf. (Foto: Jan-Henrik Plackmeyer)